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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 15
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Eberlein, Kurt Karl: Jacob Joseph Dambacher: ein vergessener badischer Künstler
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0719

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J. J. Dambadjer. Heidelberger Studententypen. Federzeichnung. 1814. 15,5x24 cm.
vor foldjen Blättern immer wieder auftauchen und fchließlid) auf das Gebiet der Sprache
— vielleicht jeder Ärt von Sprache — h^überdeuten. Der Bürgerftand, den doch
Äufklärung und Humanität, Religion und Kunft, Lied und Epik feiern, dem Sd)aufpiel
und Luftfpiel zuftreben und der bis in unfere Cage — man fagt jefet wieder „Menfd)-
heit“, wenn man die Spießer meint — auch noch in jener Genrekunft herrscht, die der
boshafte Hebbel „das Komma im Frack“ nannte, — der Bürgerftand hat feine eigene
Merk-, Ordnungs-, Bedeutungs- und Kunftwelt. Sein gefunder Sinn liebt den (Hit},
die Anekdote im Sinne des alten Rollwagenhumors, und die Cat unferes Alemannen
Hebel war eben dies, in feinen Kalender- und Hausfreundanekdoten diefer Gemein-
fchaft einen Sdjatj reiner, harmlofer Freude aus nächfter Gegenwart gefchenkt zu haben.
Hebels Rheinifcher Hausfreund (auch Schatjkäftlein genannt) hat immer wieder die
Illuftratoren angezogen, und es wäre lohnend genug, das reiche Material einmal kritifd)
zu fichten. Als fich Dambacher mit feinem felbftlofen Plan der Öffentlichkeit zuwandte,
um mit feinen Steinzeichnungen die Cexte des Rheinländifdjen Bildermanns zu
fchmücken, da fand er nichts Befferes als das alte Volksbuch des Cyll-Eulenfpiegel und
das neue Volksbuch des Hebel. Der Eulenfpiegel verwies ißn in die modifche, hold-
verklärte, nationale Craumwelt des Mittelalters, die Cornelius und die Neudeutfdjen
mit der zarten ümrißlinie des fterbenden Klaffizismus befchworen hatten, verwies in
die lineare Ornamentik romantifcher Cheaterdekoration und Literaturpoefie, wie fie die
Reftaurationszeit liebte und belebte. Aber wie anders ift die alemannifche Gotik gegen
die norddeutfehe, wie anders ihre Spiegelung in Bild und Blatt. GCIir finden bei Dam-
bacher eine puritanifche Sparfamkeit in Kuliffen und Requifiten, nüchterne Regie, tonige
(Härme ftatt linearer Kälte. Ein anderes Gefdjlecht fpiegelt fidt) in diefen Spiegelungen
der Vorzeit. Diefe dicken, geduckten Geftalten, rund und fchwer, ohne Anmut, Grazie,
gotifche Gliederung, diefe animalifchen Opfer der Laune und Schalkheit eines Eulen-
fpiegel, „fo wahr, fo feiend“ vorgeftellt, fie find wie die behäbigen Scherze einer
kräftigmännlichen Bauernwelt die wahren Freunde des Kleinbürgers. Hatte fdßon die
gräcifierende Bauform des neuen Purismus, wie ihn der Karlsruher Oberbaurat (Hein-
brenner in feinem neuen Stadtbau geftaltete, die behäbige Schwere eines irdifchen Be-
hagens, fo war auch in feiner und anderer Neugotik das fleifchige, geiftlofe (Hefen
eines aufgeklärten Philifteriums nur allzubald zu finden. Es ift in allen diefen Bil-
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