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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 16
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Der Graphiksammler
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0776

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Hbb. 1. Kind, 10 Jaßre alt. F)änfel und Gretel auf Enten über den Ceid) fahrend.

Einführung der dritten Ente, die als Gegenbewegung 3ügigkeit und Leben fowohl im
Formel-Äusdrücklichen wie auch im „wirklich-tüahrnehmbaren“ in dies naive Geftammel
bringt. Äbb. 2 zeigt ein befonders markantes Beifpiel jenes zügigen Fjinfchreibens
fcl)on fidjer wahrgenommener Äugeneindrücke, jenes rein in der Funktion der Be-
wegung forttreibenden Verbindens und Verfd)leifens, das in den meiften Fällen bald
fd)on der Schreibtätigkeit allein Vorbehalten bleibt. Strichanfajs, Kurvatur in ihrer Äb-
fablofigkeit, Punktierung des Kreismittelpunktes (Äuge), weiter formale Steigerung,
Gleichheit und Variation u. a. mögen vom Befchauer felbft abgelefen und beachtet
werden, um hier die reichen Bezüge zwifchen Schreibbild und Schriftbild deutlich zu
machen.
Äbb. 3—6 bringen befonders d)arakteriftifd)e Oerbilder. Jeder einigermaßen mit
Kinderzeichnungen Vertraute kennt die typifct) wiederkehrende Oergeftalt: fdjlauchartigen
Rumpf mit angefe^tem meift klobigem Kopf und den vier hintereinander aufgepfählten
Füßen. Fjier (Äbb. 3) ein ausdrucksvolles Beifpiel (von einem 5jährigen ftammend) mit
gewendetem Kopf und gehobenem Vorderfuß, feltfam in feiner Mifcßung von Plump-
heit und feiner Einfühlung. Sechsjährig ift der Äutor von Äbb. 4 und 5. Er arbeitet
rein phantaftifch und bringt es dabei zu einer folgen Fülle von Formeinfällen, daß er
ßch getrieben fühlt, feinen Bildern ausführliche Erklärungen beizufügen, die allerdings
auch wieder in eine phantaftifche 3oologie auswudjcrn. 3U beachten, daß er beide
typifchen Formen der kindlichen Oer- (und auch Menfchen-) Darftellung, die fonft
meift bei den einzelnen Kindern gefondert Vorkommen, bringt: die Kaften- und Eck-
form (Äbb. 4) und die Schlauch- und Eiform (Äbb. 5). Über Geftaltungskraft braucht
diefen Bildern nichts Wörtliches h^nzugcfügt zu werden. Äbb. 6 (eines 372jährigen
Mädchens) zeigt jene immer wiederkehrende Mifchgeftalt von Pferd und Vogel, eine
ganz urwüchsige, von keinem Vorbild abhängige und wohl darum fo häufig anzu-
treffende Geftaltungsform kindlicher (und auch primitiver) Vorftellung.
Wie in all diefen Beifpielen die Bewegung vordrängte, war zu deutlich erfichtlid),
um es ausdrücklich zu erwähnen. Man braucht nicht anftehen, fie als ein Grundd)arak-
teriftikum kindlichen Schaffens anzufprechen. Wie fie fchon ganz früh die Äuswahl
der Wahrnehmungsbilder beftimmt und fiel) \)ier fd)on durch die ungelenkere Darftel-
lung durchdrückt, zeigt das Geftrichel eines Vierjährigen (Äbb. 7): Bahnwärter, die
Schranken aufziehend, 3u zwingender Gebärde geftaltet, erftaunt fie uns auf dem

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