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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 17
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Biermann, Georg: Ein unbekanntes Bildnis von Friedrich August Tischbein
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0803

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heute immer nachdrücklicher als vollwertigfter Repräfentant feiner Epoche und be[ter
Verkörperer jener Kultur erweift, die durch das 3eitalter Karl Äugufts und Goethes
ihren [tärkften geiftigen Ausdruck gefunden hat.
Die Neubewertung des malerifchen RJerkes eines Fr. Äug. Cifcßbein datiert zuerft
von der Leipziger Porträtausftellung 1912 her, die damals von diefem Künftler allein
73 meift bürgerlicher Bildniffe vereinigte, wurde dann aber energifch fortgeführt durch
die Darmftädter Jahrßundertauspellung, die in mehreren Sälen 35 Bilder des Malers
vereinigte, darunter die berühmten höfifchen Porträts aus Ärolfen, Uleimar und Deffau,
die damals zum erftenmal der Öffentlichkeit gezeigt wurden und feither vor allem für
die Ulertung der Cifcßbeinfcßen Kunft beftimmend gewefen find. Denn darüber kann
heute ein 3weifel kaum noch beftehen, daß gerade Friedr. Auguft in erfter Linie
dem höfifchen Porträt das Befte feiner künftlerifchen Kraft vermittelte und daß den
auf diefem Gebiet gefeßaffenen großen repräfentativen Bildern gegenüber das bürger-
liche Bildnis meift ein wenig zurücktritt, obwohl es auch da an Stücken von wahrhaft
großem (Uurf nicht fehlt. Auch ift er auf feinem Gebiet — zum mindeften für die
norddeutfehe Malerei um die Ulende des 18. Jahrhunderts — der erfte fogenannte
Hofmaler deutfeher Fjerkunft, der diefem Stand feine lakaienhafte Abhängigkeit von
der Laune fürftlicher Gnaden genommen und ihm die weltmännifche Bedeutung kraft
feiner Perfönlicßkeit errungen hat, die ähnlich kein deutfeher Fjofmaler der Epoche be-
feffen hat.
ÜJird man aber eines Cages das heute erft oberflächlich gefichtete öüerk eines
F. Ä. Cifcßbein beinahe lückenlos beifammenhaben und ganz frei von den Vorurteilen
diefer 3eit, einmal in der Lage fein, es allein nach der Summe produktiver künftle-
rifcher Leiftung zu werten, dann wird man gerade diefem Maler wie manchem anderen
feiner Epoche auch innerhalb der europäifeßen Kunftgefchichte die ihm gebührende
Stellung zugeftehen müffen. Denn die hundert und mehr Bilder, die man bisher von
ihm kennt oder die quellengemäß nachweisbar find (deren 3ufammenftellung z. B. Adolf
Stoll in der Neuausgabe der Aufzeichnungen einer Caroline Cifcßbein unternimmt, über
die an anderer Stelle gefprochen wurde, fiehe Cicerone, Fjeft 13), ftellen nur einen Ceil
diefes impofanten Oeuvres dar, von dem allein noch in Holland aus den Jahren des dor-
tigen Aufenthaltes Duzende unbekannt gebliebene Bildniffe vorhanden fein müffen. Und
daß es auch in *Deutfcßland noch manchen unbekannten Fr. Aug. Cifcßbein zu entdecken
gibt, konnte der Verfaffer diefer 3ei'en mehr als einmal an Fjand von Catfachen feft-
ftellen. So befaß kürzlich noch Paul Bottenwiefer-Berlin das hier erftmalig veröffentlichte,
kleinformatige männliche Bildnis, das nach Äuffaffung und rein malerifcher Behandlung
fo unzweideutig die Urheberfchaft eines Friedr. Auguft Cifchbein erhärtet, daß jeder 3weifel
ausgefcßloffen erfeßeint. Cypifcß auch hier vor allem die Verbindung von Porträt und Land-
feßaft, die zumal für die ßöfifcßen Bildniffe Cifcßbeins ungemein eßarakteriftifeh ift. Sind
über den Dargeftellten und die Provenienz des Bildes nicht einmal Vermutungen möglich,
fo möcßte man das Stück zeitlich der zweiten Epocße des Meifters zuweifen, die* die
faßre 1795 —1800 umfaßt und durch die Stationen Deffau, Berlin, Uleimar, Jena ge-
kennzeichnet ift. Mit den großen repräfentativen Schöpfungen diefer 3eit ift das kleine
feine Bild, das beinahe miniaturßaften Charakter ßat und vielleicht deshalb fo wenig
dekorativ anfprießt, ßinficßtlich der Kompofition und im weichen Fluß der Farben, im
Klang des Ganzen und im Detail der Pinfelfüßrung vor allem verwandt, und da es
offenbar Berliner Privatbefiß entftammt, dürfte immerhin die Vermutung nicht ganz un-
begründet fein, das Clerk mit jenem Aufenthalt des Künftlers in Berlin in 3ufammen-
hang zu bringen, der im Früßjaßr 1796 ftattfand und die Folge des an den Deffauer
Fjofmaler ergangenen Rufes war, die Kronprinzeffin Luife und ißre Scßwefter zu malen.

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