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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 17
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Ehl, Heinrich: Willi Habl
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0814

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wohnlich auch) nicl)i alle zugleid), weil fonft die originale Lava nid)t mit unbedingter
Sicherheit zu unterfdjeiden wäre. Es fängt immer einer an, die anderen antworten,
und fo bleibt das Land zu ihren Füßen ftets neuer Befruchtung zugänglich.) Diefer
Maler ift faft altmodifch-ftetig in feiner Entwicklung. Vor allem: Er ift „geiftig“ gar
nicht zu erleben, weil alles bei ihm Sinnlichkeit ift. Die neuen Wortprägungen haften
nicht an ihm. Schlechterdings find weder Vifionen, noch Ekftafen, noch metaphyfifd)e
Deformationen bei ihm feftzuftellen. Man muß fein Werk fd)on ganz als folcßes
nehmen, als ein von fremden Affoziationen freies Oeuvre. Eigentlich kann man nur
fagen, Willi Fjabl malt feine Bilder wie die alten Meifter Stück nach Stück aus Freude
an der Schöpfung mit ftetem Blick auf Pinfel und Palette. (Im Schutt der Klammern
wagt man anzumerken, daß Fromentin und gar Delacroix im Grunde genommen auch
immer nur von diefen beiden fprechen.)
Alfo wären Willi Gabis Bilder nach Vortrag und Valeurs der Farben zu befchreiben,
hübfch wie es die alten Kenner der verfchwundenen Sammlergenerationen getan? Icl)
weiche aus und fud)e das malerifche Werk des Künftlers im 3ufammenl)ang feiner
Entwicklung zu fehen.
Gabi lebt in Gamburg. Das ift eine harte und amufifche Stadt. Man muß fie fd)on
lieben, wenn man fie leidet. Es gibt trotj Licßtwarck keine Malerei, nur einige
Maler. Neben dem alten Grafen Kalkreuth fdjaffen Al)lers-Geftermann, ein Fertiger, und
eine Schar von Werdenden. Gabi ftet)t einigermaßen für fid), außerhalb der hamburgifchen
Sezeffion, die an mangelnder Blutzuführung leidet, abfeits aber auch von der gefälligen
Gefellfchaftsmalerei, die einer reichen Kaufmannftadt nicht fehlen zu dürfen fcheint.
In diefem hamburgifchen Milieu praktifcher Intelligenz bewahrt er eine faft nervöfe
Senfibilität. In diefer Selbftbehauptung des Menfchen erweift fiel) die gleiche 3uvßr'
läffigkeit wie in der Beftimmtheit feiner künftlerifrfjen Entwicklung. Sie hat nichts von
dem Cypifchen des heutigen Schemas. Der Wandel von anfd)auender Rezeptivität zur
programmatifchen Verkündung des fouveränen Subjekts, der 3eitenfchnitt, mit dem die
unentwegten Richtungen anfingen und auseinandergingen, ift in feinem gemalten Werk
nicht fpürbar. Seine Entwicklung ift eine logifche Entfaltung des angeborenen Galents.
Erftaunlicherweife hat er ftets nur gemalt und nie formuliert. Die graphifchen Blätter
— Golzfchnitte, Radierungen, Segnungen — verfolgen einen Weg von fchwerer,
dunkler Leibimanier zur fortfehreitenden Aufhellung der Fläche. Gemeinfam ift allen
Schöpfungen eine kultivierte Sinnenfreude und eine unfentimentale Empfänglichkeit für
den finnlichen Eindruck von Formen und Farben. Dabei unterfcheidet ihn ein faft tak-
tifetjes Materialgefühl für das, was die Franzofen „peinture“ nennen, von jener Be-
fangenheit des bloßen Äugenerlebniffes, die eine Gegenfä^e forcierende Kritik dem
Impreffionismus als unkünftlerifcße Mache langfam angedichtet hat. Am erften denkt
man an die fenfitive Stofflichkeit des fpäten Renoir, die auch kein oberflächliches Augen-
erleben ift, fondern Gefinnung. Infofern drückt fein Pinfel alfo Geiftiges aus, ohne
das wir uns fchwer entfd)ließen können, einen Künftler als folchen gelten zu laffen.
Man muß die Banalität ausfpreeßen, daß er mit Gefühl malt, doch daß fein Schaffen
keine angewandte Cechnik ift. Nur von der Geiftigkeit zu reden, bietet fiel) bei Gabi
keine Gelegenheit. Diefer Banalität zum wenigften ift man enthoben.
Das Craditionelle in Gabi bezieht fiel) auf feine Malkultur. (Auch diefer Rückfall im
Jargon ift bei ihm fd)lecht zu vermeiden.) Faft ift man verfud)t, von technifcl)er Vor-
nehmheit zu reden wie bei Cfcharner, Wiegele oder Kohlhoff and manchen anderen,
die auf die Alten zurückkommen, die vorgeftern noch die Jungen waren. Mit ihnen
teilt er die Verehrung für das Gegeriftändliche, die fiel) fid)tlid) bis auf das Metier er-
erftreckt. Er befitjt nicht nur eine hohe Malfinnlichkeit, fondern nicht minder eine faft
altmeifterliche Gründlichkeit alles Gandwerklichen. Muß man fiel) ausdrücklich dagegen
verwahren, diefe Qualitäten mit dem öden Begriff des Gefchmacks zu verwed)feln?
Seine farbige Empfänglichkeit und fein Gefühl für die Dinglichkeit der Wahrnehmung

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