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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 17
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Raynal, Maurice: Zu dem Werk von Maurice Utrillo
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0825

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mittelt im verfcßiedenen Abklang der Cöne dem Auge lyrifcße Freuden. Und vor allem
bemerkt man auf jedem feiner Gemälde eine innere Ausgeglichenheit der lokalen Cöne,
die, wie man in der Künftlerfprache fagt, Gefamtftimmung markiert, die bei ihm nie-
mals eine Leere oder Lücke auf der Leinwand hinterläßt.
Man hat Utrillo einen verfpäteten Romantiker genannt, aber warum feine Kunft eti-
kettieren! Er ift durchaus ein Mann der Farbe, und das zeigt feine Richtung an. Dies
ift der leßte Vorzug feiner künftlerifcßen Qualität, und eben darum ift er eine Aus-
nahmeerfcheinung. Man hat ihn in die Linie der großen franzöfifcßen Landfehafter
einbezogen und ficher mit Recht. Aber er felbft weiß nichts davon, hat nie etwas
davon gewußt und nichts getan, um diefe Klaffifizierung zu verdienen. Man hat ihn
mit Sisley immer wieder verglichen, dem er ficher überlegen ift, und mit Piffaro.
3weifellos hat Utrillo die Impreffioniften gut gekannt und mehr noch als das; denn
ich behaupte unumwunden, daß er fie gewiffermaßen in einer durchaus finnlichen Art
neu hat erftehen laffen, d. h- er fteht außerhalb ihrer Gefefee und ihrer Unterwürfigkeit
einem Syftem gegenüber. Der befte Ruhmestitel aber, den man dem Ulerk eines
Utrillo machen kann, ift diefer, daß man niemals das Knirfcßen des Fjandwerks emp-
findet und noch weniger fein Rüftzeug, auch niemals den Mechanismus zu entdecken
vermag.
In diefer feiner Sonderftellung erkennt man trefflich das liebenswerte Genie eines
Utrillo. Er malt fo, wie er atmet, und er ift für den Kult der reinen Malerei ungefähr
das, was der Douanier Rouffeau für die Anekdote war. Und lange noch wird man
über den feltfamen ttliderfprud) ftaunen, der den Fjänden eines ach fo elenden, ver-
gifteten und unvernünftigen Utrillo nicht nur die am wenigften kranke und leidende
Kunft entftammen ließ, fondern eine, die im Gegenteil der überzeugendfte Beweis von
Gefundheit, Frifcße und ewiger Jugend ift. Deutfcb von G. Biermann.


Lovis Corintb. Capiau. 1917.
 
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