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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 17
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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0827

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Sammlungen — Ausheilungen

Coray-Stoop, über die gleichzeitig ein mit pracht-
vollen Cafeln gefdjmüdkter Katalog erfdjienen
ift, in dem der Beßrer einleitend das Programm
Teiner Sammlertätigkeit auseinanderfetjt. Die
Sammlung umfaßt im Ganzen 406 Nummern, von
denen ßid) rund 291 auf die Gemälde verteilen.
(Inter diefen nehmen die alten Meifter, fpeziell
der niederländifchen und deutfcfen Schule, den
Hauptteil ein. Äber die Sammlung ift auch reich
an guten Italienern und cbarakteriftifchen fpa-
nifdjen (üerken, unter denen Arbeiten von Greco,
Velasquez und Goya nicht fehlen. (Inter den
frühen Vlamen muffen zwei dem Meifter von
Flemalle zugefdjriebene Madonnendarftellungen
hervorgehoben werden. In diefer Abteilung find
außerdem Arbeiten von Gerard David, Geertgen
tot St. Jans u. a. zu nennen. (Inter den moder-
nen Bildern nehmen die Franzofen des 19. Jahr-
hunderts einen befonderen Platz für fich in An-
fprud), darunter Arbeiten von Corot, Delacroix,
Courbet, Degas und dazu zwei (ilerke van Goghs.
Neben einer Anzahl kunftgewerblicher Arbeiten
verdienen endlich die Skulpturen noch befondere
Hervorhebung, von denen der Katalog insgefamt
an 80 Stüde verzeichnet. Alles in allem eine
ebenfo reiche wie viclgeftaltige Sammlung,
deren hervorragenden Stücke durchaus mu-
feumsreif genannt werden können. DieÄusftel-
lung bedeutet deshalb für 3ürid) ein befonderes
Ereignis. r.
Ausheilungen
Berliner Äusftellungen
Einige wenige Saifonvorläufer. Über den
jungen Amerikaner Louis Lozowick (vorgeftellt
in der Galerie Heller) wird in diefen Heften
demnädjft von anderer Seite Näheres gejagt
werden. Er kompiliert reizvoll die Steinklö&e
der (üolkenkrat^er, Speicher, Viadukte ufw. zu
vielgliedrigen, kleinformatigen (üeltftadtpano-
ramen — weniger das Gigantifcbe, als fteinbau-
kaftenartig das Sichtreffen und die perfpekti-
vifche Metrik einer faft biedermeierlid) erlebten
konftruktiven ((labe ausfpredjend. Das fpielerifd)
Korrekte des genau durchgeführten Gefüges wird
von einem rhythmifchen Schwung dabei glücklich
zufammengefaßt. An einigen graphifdjen Figura-
tionen aus Mafchinenmotiven ufw. empfehlt fleh
die klare Faktur und glückliche Balancierung vor
allem einer wirklich modernen Reklamekunft. —
Bei Cwardy gewinnen die fanft verfunkenen,
von Dunft und warmem Licht durchfogenen, nur
eben fchon etwas effektgewiffen Stimmungs-
landfchaften Paul Grunwaldts unferIntereffe.
Küftenmotive herrfchen vor, Menfcben bei Boten;
ein volltönender Sonnenuntergang (Aquarell), ein
Stadtftück mit fchemenhaft aus dämmerigem
Graubraun auftauchenden Lokomotiven und
Häufern haften ftärker. Seehaus klingt darin

an, wie den weich fließenden Flächen gut gefetjte
Prismenkanten angefebliffen find. —
Das Schaffen Julius Freymuths, der ge-
bürtiger Rheinländer ift, aber motivifcb und
ftiliftifch dem oftpreußifchen Kunftkreis aufs aller-
engfte verbunden erfcheint, ift, wie es fich bei
Lutj & Co. darbietet, zwar 3eugnis einer ernft
wollenden Begabung, aber im Ergebnis wenig
ertragreich und ohne fdjöpferifche Befonderheit.
Es bleibt alles matter und verbafpelter gefagt,
was von anderer Seite längft ftärker erklang.
Freymuth fleht hinter Domfcheits dumpfer Be-
fchworenheit und Partikels febwüngigem Cem-
perament, die in ihm deutlich nachhallen, zurück.
Seine letzte Abwendung von einer gewiffen
magifchen, illuminierenden Note zu einfacher,
malerifcb bewegter Geländedarftellung fteht im
3eichen einer fchönen Ehrlichkeit und hat in
klein ftaffierten, dadurch räumlich gefteigerten
Fla<hlandfd)aften ein bislang Reifftes gezeitigt.
Doch bleibt auch hier ein Reft von (öirrung,
etwas Keuchendes, das den (ilunfch nach langem
Atem weckt. (Ind überdies fehlt derEinfatj des
Individuellen. Kunft ift nicht Herftellung und
(üiederholung von Qualität, fondern vor allem
Erfdjließung neuer Auffaffungsmöglicbkeiten.
(üilli (üolfradt.
Dresdner Sommerausftellungen II.
Im graphifeben Kabinett Erfurth ftellt
die Dresdner Sezeffion aus. Die kämpft feit
Jahren um einen zeugungskräftigen Kern, ver-
liert aber konfequent ihre ftärkften Begabungen.
Kartellierung mit auswärtigen radikalen Künftler-
gruppen hilft nicht über das Fehlen einer eige-
nen Mitte hinweg — im Gegenteil macht [le
nur um fo fühlbarer. Diefe Ausftellung z. B. ift
belangvoll faft nur von auswärtigen Mitgliedern
befebickt. Dresden felbft ftellt in Otto Lange
und Mitfchke-Collande emfig, aber nicht
immer gleich glücklich an ihrer Feftigung arbei-
tende Calente, in Hedcroth auf Plaftizität be-
dachte, beachtenswerte Eigenart, in Gotfd),
Meyboden und Barcinsky gefühlvoll wüh-
lende Vorexpreffioniften, in Giebel, Hoff-
man n und Voll laute Geftikulierer, von denen
nur Hoffmann durch farbige Reize mit der
krampfhaft im Sexuellen wühlenden Ideenwelt,
die hier beliebt ift, ausföhnt.
Mit folcher Objektwahl wollen diefe Maler —
bei denen man an Kultur das zu wenig fpürt,
was andere Sezeffionsgenoffen zu viel haben —
ihre Verbundenheit mit D ix bezeugen, vergeffen
dabei aber, daß jenen nicht das (das, fondern
das (die auszeidjnet. Dix macht feit feinem
((leggang von Dresden ^Handlungen durch, die
ihn bereichern. Ohne Aufgabe feiner Grund-
werte nimmt er einerfeits mondänes Leben, andrer-
feits fomnambules Ciefenleben auf in feine
Kunft, beides ernft und voll des eigentümlichen
Prickels, faft Bannes feiner Präzifion. Am ftärk-

Dcr Cicerone, XV. Jatyrg., geft 17

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