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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 18
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Biermann, Georg: O. Coubine
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0861

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fjilfe geometrifcher Feftftellungen verftandesmäßig den Sinn der Fläche erkannte und
feinen Figuren gewiffermaßen geometrifcße Kontrapunktik gab. Creffen fold)e Mit-
teilungen, woran nicht zu zweifeln, zu und Ijat Coubine außerdem in folcßem Sinne
auch den Äbldang der Farbe beinahe redjnerifd) erfüllt, dann muß die Anmerkung
berechtigt fein, daß diesmal der Verftarid einzig und allein nur eingeborenes Gefühl
beftätigen und erhärten konnte. Ja, wäre Coubine nicht der große Idylliker diefer 3eit,
der er wirklich ißt, dann hätte er beim Verfolg folcher rein verftandesmäßigen Reflexion
ficßer den Schrittmacher des Kubismus machen müffen, mit dem er feltfamerweife auch
nie — entfernt nur — geliebäugelt l)at. Crotjdem wird man zugeben müffen, daß
gerade die Gemälde eines Coubine unendlich ftraff find in der Art ihres völlig un-
bewußten kompofitionellen Aufbaues und daß diefer felbft in feiner harten Geometrie
vielleicht fogar den Sinn rein verftandesmäßig allzufeßr beherrfd)en könnte, legte fleh
nicht über die rein zeid)nerifd)e Monumentalität der Form jene wunderfame Melodik
der Farbe, die immer in ihren mufikalifchen Klängen wie ein köftliches Stück befter
neuzeitlicher Mufik anfpricht, für die es an Vergleichen nicht fehlen kann.
So aber fteht uns diefer Coubine wie eine einzigartige Offenbarung ftillen kon-
templativen Schjauens vor Augen, reif genug, um frei zu fein von allen kunfthiftorifchen
Erinnerungen. Jedes feiner Klerke zeugt für die Größe feines fein abgeklärten Menfcßen-
tums. Die üöne diefer Palette find neu, unvergänglich und im Konzert unferer Gegen-
wart durchaus nicht mehr zu entbehren. Daß endlich wieder einmal folche Reinheit
kommen durfte, ift Fjoffnungsborn — für unfere 3ukunft. Daß im Fjaßgefang der
Völker eine folche Stimme ertönt, die weitabgewandt den Mut hat» fiel) und ihrer Über-
zeugung zu leben, die Aufrichtigkeit gegenüber der Kielt und ihrem eigenen Schaffen
ift, muß gerade eine Menfd)t)2it, die angeblich dem Untergang ins Auge mit
neuer 3uverficl)t erfüllen. Fjier im Klerke eines Coubine aber öffnet fiel) der Kleg in
3ukünftiges. Die ftille Bukolik diefes Künftlers nämlich, der fid) zu feinem eingeborenen
Können auch die Melodie erfand, greift, rückwärtsfchauend an das Befte von Ver-
gangenem, ift vorwärtsgewendet Catfache von durchaus propheteifchem Afpekt.
Ift diefer Coubine nun wirklich Gleichnis diefer 3eit, fo weit Jie nach Güte und
Menfd)lid)keit ftrebt, dann ift er aud) von felbft Symbol einer neuen Kunftbewegung,
deren Anfänge wir gerade jetjt erleben. Daß diefe viele Refultate der Vergangenheit
verarbeitet hat und auf einem fid)eren Untergrund fteht, ift unverkennbar. Klohin ihr
(Heg führt, läßt fid) mehr ahnen als mit Klorten umfd)reiben. Leitftern aber diefer
Kunft wird jene Aufrichtigkeit fein, von der Coubine fchreibt; und er felbft ift befter
Verkörperer folcher 3'\z\e.


0. Coubine. Radierung.
 
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