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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 19
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Graf, Oskar Maria: Neue Bilder von Georg Schrimpf
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0901

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Es mag banal klingen und taufendmal fcßon gejagt [ein. Mit allem Nachdruck [ei
es hier wiederholt: Klir wollen nicht meßr denken vor der Kun[t — wir verlangen
nach dem, was [ie von ewig her war, nämlich —: Klang, Sprache und Bild des Un-
aus[pred)lichen in uns.
In der kärglichen Reihe derjenigen, die heute nach [olcher Klarheit trachten, [teht
Georg Scßrimpf als einer der Er[ten.
Man kann Schrimpfs Ölbilder in drei Ärten einteilen und es i[t wichtig, fie, obwohl
[ie oft in die gleiche 3eit fallen, gefondert zu betrachten. — Die Früßwerke bewegen
[ich faft durchwegs im Stark-Ornamentalen. Die Kontur ift das Vorhergehende. Ganz
[tarke, ungebrochene Farben [ind da. Keine Differenzierung faft. Meiftens find es
Frauen, Gebärende, ganze Gruppen, zwifchen Bäumen, unter einer hügelumrahmten
Sonne, um einen runden See. (Klie von einem ganz anderen find daneben Äquarelle,
die munter und beinahe kalligrapßifch Canzende darftellen oder Äkte voll hymnifeßer
Rhythmik.) Durch die Gefamtzahl der erften Ölbilder bis herauf zum [päten Fragment
„Geburt“ fließt laftende Düfterheit. Furchtbar blicken diefe großen Äugen, aufgeriffen,
wehrlos aus letßargifcßen Gefichtern. Schultern hängen in mutterhafter Schwere. Diefe
Befonderheiten waeßfen zuletzt vollkommen ins Freskale. Die „Geburt“ ift reinfter
Ausdruck [olcher Stimmung, [trömt eine grauenhafte Fjilflofigkeit aus und erftarrt in
[ich felbft. Kläßrend in einigen der Frühwerke noch eine läffige Bewegung lebt, ver-
mittelt diefes Bild den Eindruck vollkommener Schemenhaftigkeit. Es ift, als klebten
die Gewalten im Raum. Erft viel [päter hat der Maler gefeftigter diefes Streben noch
einmal aufgenommen und uns in einigen Fresken blühende Verwirklichungen gefeßenkt.
Erinnert fei nur an das große Klandbild in der Fjalle der „Farbe“ der Deutfcßen Ge-
werbefchau, München 1922.
Bis 1917 wiederholen [ich flächig gehaltene, fcharfkonturierte Bilder. „Stadt“ ift die
letjte Station diefer farbarmen, düfteren Reiße. Eine „kleine Stadt“ aus dem gleichen
faßre wendet [icß bereits ins Baumäßige. Die „Reße“ haben [cßon den Jubel des
Plaftifcßen. Äucß klingt [tärkeres farbliches 3ugreifen aus diefem Klerk.
Die freskale 3ielfeßun9 der Früßwerke verliert ßcß erft in den darauffolgenden
„Mädchen mit Katje“, im „Klunder“ und in den „Mufizierenden“. Die Äquarelle aus
diefer Periode [ind ausgeglichen. In ißnen kündigt ßcß das bewußte Betonen des Pla-
[tifeßen bereits völlig an. Die Farbe wird munterer, heller.
Der eigentliche Äufftieg, die ganze Entfaltung Scßrimpfs aber fetjt erft 1918 ein. Da
fteßt das große Madonnenbild „Befucß beim Kinde“, fromm, klar und gefcßloffen.
Eine breit ausladende Kompofition „Stillende Mutter“ ßat noeß das ünentfcßloffene des
Verfucßens. Erft das wundervoll-innige „Bild zu einem Grabmal“, das der Maler für
das Grabdenkmal [einer verdorbenen erften Frau (Maria üßden) malte, ßaueßt Voll-
endung. Nun ßat der Suchende endlich Sicherheit. Klerk auf Klerk entfteßt. Die ganze
fachliche Schlichtheit, das 3wingende dekorativen Äufbauens, eine tiefere Farbe brechen
dureß in den Bildniffen „Maria Gßden“, „Selbftporträt I“ und im Bildnis „O. M. Graf“.
Klas man von Anfang an erwartete und erhoffte, nämlich, daß die Starrheit, die
noeß ßin und wieder an die allerfrüßeften Klerke gemahnt — einmal gebrochen —
zum Stil diefes Geftaltens würde, bewaßrßeitet [icß nun. Das Jaßr 1920 bringt die
Entfcßeidung. Das große Bild „Die Erzähler“ mit der auffälligen Farbennuancierung,
ein „3weites Selbftporträt“ fteßen an diefer Grenzfcßeide. Die elegifcße „Frau am
Kläffer“ ift noeß einmal ganz (faft zu ftark) ins Dekorative gewendet. Noeß feßeint
es, als feßwanke der Maler. Die karge, in einem feltfamen Sinn wahre „Näherin“
und „Klilde Pferde“ haben noeß Leeren. Erft das einzige „Stilleben“ diefes Malers
zeigt deutlich den, neuen Kleg. Es gibt aus dem reichen Äquarellfcßaß diefer Periode
ein Blatt, das alles, was diefes Malertum an 3auberifcßem ausbreiten kann, in [icß
fcßließt. „Äusficßt“ heißt es. Fjier ift bereits jene feltfame Idyllik, die dem ganzen
fpäteren Klerk die Bedeutung gibt.

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