Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

DOI Heft:
Heft 19
DOI Artikel:
Die Zeit und der Markt
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0921

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Verfd)iedenes

die Behauptung habe wagen dürfen, Dürer habe
fie abfichtlid) weggelaffen. Äuf diefe tUeife und
mit folchen von außen hergeholten Gegengründen
kann das Gefüge meiner Beweisführung nicht
erfchüttert werden. Den eigentlichen Beweis aber
für die Richtigkeit der Löfung, die Röttinger an
die Stelle der meinigen fetten will, ift er fchuldig
geblieben. Äucb meine Erklärung der Reiter-
gruppe vom Jahre 1489, die mir bei der Be-
fcbäftigung mit diefem Jahre, in das ich aus be-
ftimmten Gründen die Schloßhofanfichten ver-
lege, ganz von felbft wie eine reife Frucht zufiel,
findet keine Erwähnung.
Dregers Deutungsverfuch mit der Innsbrucker
Fjofburg erfcheint wie eine neue Spielart der
Schönbrunner-Mederfchen Vermutung, es handele
pd) um die Innsbrucker Ottoburg. Äber auch
Dregers Verfuch mußte fcheitern. Es ift ein
Pbantapebau, errichtet mit allen Mitteln gelehrter
Forfchung, aber ohne Untergrund, wie ihn nur
nüchterne Beobachtung des Gegebenen legen
kann, die ficb auch nicht durch den geiftreichften
Gedanken verführen läßt, den pcheren Boden
des Catfächlichen zu verlaffen. Indem fid) Dreger
von dem jetzigen Bauwerk der Fjofburg unter
Benutzung älterer Baupläne und -Verträge zu
den Dürerfchen Schloßblättern zurückarbeitet,
unterliegt er der Gefahr, darin zu pnden, was
er erp hineingefehen hat. Id) gehe den um-
gekehrten tüeg, indem ich die Dürerblätter zum
Änsgangspunkt wähle. Daß aber Dregers GCIeg
ihm zum verhängnisvollen Irrweg wurde, davon
einige Beifpiele.
Unter Dregers Äugen werden die zwei durch
die anders geftalteten und verteilten Fenfter
deutlich als voneinander verfd)iedene, aber unter
einem Dad) vereinigten Gebäude, der Saalbau
und das Cüirtfchaftsgebäude (L. 453 1. u. 452 r.),
zu einem einzigen, in pd) einheitlichen Bau,
zum Saalbau der Fjofburg. Der durchgehende
Erker (kein Curm!) mit den feitlichen Creppen,
der vor dem ttlirtfchaftsgebäude ftetjt, wird zum
Creppenturm, der, wie es in dem Bauakt heißt, „in-
mitt des faals“ fteht. Der Giebelauffatj auf dem
CUirtfchaftsgebäude wird einem befonderen Bau,
dem „Paradeis“, zugefd)rieben, wobei dann die
Scheidewand durch zwei Fenfterpaare gehen
müßte. Das erkerreiche Gebäude wird zum
„Frauenzimmer“, von dem aber das ihm zuge-
hörigeÄrkadenfäulchen in der niederen Eingangs-
arkade von dem3eid)ner bei feinem hohenStand-
orte wegen der Ciefe des hinteren Fjofes nicht
hätte gefehen werden können. Das durch den
bläulichen Duft als fern gekennzeichnete fchmale
Dach hinter dem „Frauenzimmer“ foll dem Schah-
turm eigen fein, der aber unmittelbar diefem Ge-
bäude angebaut ift. Der an eine Kapelle er-
innernde reichgefchmiickte gotifche Giebel mit dem
Cbörlein, das unmittelbar hinter dem rechten 3wi-
fchenbau fichtbar ift (L. 453), wird zum „Riefen-
haus“, das auf der anderen Seite der Fjofgaffe,

und zwar mehr nach rechts, liegt. Der Curm auf
der Schmalfeite wird zum Corturm, der für Inns-
bruck zwar nicht bezeugt ift, aber für Dreger
„faft felbftverftändlich erfcheint, weil ein Cor
eben auch einen Curm erfordert“. Äber der
Fjauptweg tritt nicht aus dem Curmtor in den
Fjof, fondern kommt von der entgegengefeljten
Seite, von dem Ärkadeneinqang, her und läuft
am Curm vorüber, zu dem pd) nur eine fchmale
Spur fd)räg abzweigt. So kehrt fid) für Dreger
der Dürerfche ßof um und kommt in der Lage
des Curmes zur Ärkadenpforte eine gewiffe
äußere Ähnlichkeit mit dem Innsbrucker zuftande.
Äber die Maßverbältniffe der Fjofburg find jm
ganzen und im einzelnen (z. B. beim „Frauen-
zimmer“) zu verfchieden, vor allem viel zu groß,
als daß der Dürerfche Fjof auf diefen Grundriß
gefegt werden könnte. Än den Problemen, die
die Blätter für das Sehen und 3eicbnen Dürers
bieten, ift Dreger vorübergegangen. So ftellt
fid) denn auch heraus, daß die gegenüberliegen-
den Gebäude famt dem CUohnturm (L. 452 1. u.
453 r.) für Innsbruck, wie Dreger felbft fagt,
„nicht überliefert“ pnd;, „man peht aber nicht
ein, warum der Äbfchluß des FJofes nicht fo
gewefen fein foll“. Die Gleicbfetjung des CUohn-
turmes mit dem Eckturm in dem Dürerfchen
Stadtbild von Innsbruck (L. 451) muß gleich-
wohl einen Beweisgrund abgeben, der „die
lebten Bedenken zerftreuen“ foll. Äber die
Gleichftellung der beiden Cürme verbietet pd)
durch die Verfchiedenheit von baulichen Einzel-
heiten und durch die Übereinftimmung in der
Himmelsrichtung der Dachprfte, die bei dem
verfd)iedenen Standort des Zeichners verfchieden
fein müßte. Äud) ftiliftifd) gehören der Schloß-
hof und das Stadtbild nicht zufammen; jener
ift eine Jugendarbeit, diefes die Frucht einer rei-
feren 3e'L CUo man auch die Sonde ruhiger
Nachprüfung anfetjt, ftimmt es nicht. Kein CUun-
der, daß nun auch der Dregerfchen Beweisfüh-
rung, die CUiderftrebendes zufammenbringen will,
etwas Gewaltfames anhaftet.
Dregers Deutung ift unhaltbar. Röttingers
Rettungsverfucb ift mißglückt. Schon 1922 war im
Cicerone S. 567 auf die Bedeutung der Dreger-
fchen Ergebniffe für die Dürerforfchung auf-
merkfam gemacht worden, nachdem bereits 1921
— alfo vor dem Erfcheinen meiner Schrift —
Dreger felbft in feiner ÄbFjandlung S. 175, die
füdliche Schmalfeite des Cadolzburghofes nach
Photographie mit der Curmfeite des Dürerfchen
Sd)loßhofes, alfo mit der entgegengefetjten Seite,
vergleichend, meine Deutung für „ausgefchloffen“
erklärt hatte. Äuch ohne Röttingers 3ureden
würde ich feinem Landsmanne den Preis gönnen,
wenn ich mich von der Richtigkeit feiner Deu-
tung hätte überzeugen können. Ich wünfche mir
unvoreingenommene Lefer um der Sache willen,
der „ich dien“.

Otto Mitius.
895
 
Annotationen