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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 20
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Poeschel, Erwin: Hermann Huber
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0924

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geregt, die Äuflöfung der Eigenfarbe in das Geflimmer eines reich bewegten Gewirkes
gelungen war, da begann er mit neuer Energie, mit neuem Reichtum der Mittel zwar,
damit aber aud) mit neuen Verantwortungen und Pflichten fid) um das zu mühen, was
immer fein 3iel war: das Bild.
(Denn il)m in feiner früheren Seit die Organifation eines Bildes oft fo leidet gelang,
fo t>atte das Verdienft daran nicht nur der Elan der erften Frifd)e. Vielmehr waren
vor allem die Mittel begrenzter. Die erften Radierungen, die Bilder aus der Jerufalemer
und aud) in gewiffem Sinn die aus der algerifdjen 3eit nod) pnd linear gegeben; [o
fet)r, daß man bei gewiffen Blättern fogar an jonifcße Vafen zu denken verfucßt ift.
Die Bildlöfung hatte damals etwas Ornamentales. Die Vereinigung der einzelnen Ge-
walten zu einem Bildganzen gefcßießt durch eine rßgtßmifcße Verflechtung der Linien,
wobei in den algerifcßen Bildern ßauptfäcßlid) der Kontur, bei den Jerufalembildern
aud) die Binnenform des großlinig ftilifierten Faltenwurfes fprid)t. Die Kompoption
befcßeidet fid) demnach mit den zwei Bildelementen: Fläche und Linie. Das Körper-
hafte der Erfcßeinung wird unterdrückt. Dazu kommt noch, daß die Farbe in diefer
3eit bei ißm eine vor allem dekorativ beftimmte homogene Fläche ift, groß zwifcßen
die Konturen gelegt. Än den Bildern aus der tZJallifer 3eit dann wird pe in breiten
Fjieben hingezogen, fpäter endlich aber in feinfte Fjaarftrid)e aufgelöft. Qnd gerade in
diefem Äugenblick, wo durch eine Auflockerung der Fläche die Gefahr des Bildzerfalls
am ftärkften ift, erwacht feine höchfte Energie zu einer neuen Geftaltung. Es gilt ihm
nun, aus diefem ganz bildfamen Material nicht mehr nur Flächen zufammenzuzießen,
fondern Körper, Geftalten, felbftändig runde Exiftenzen in einem Bildganzen zu ver-
fammeln. Es handelt pd), ganz allgemein gefprocpen, um die Einordnung von Einzel-
individualitäten in ein Ganzes. Betrachtet man die frühen Kompofitionen, wie da etwa
fehr exprefpve Geften die Figuren knüpfen oder wie geßipentlid) die Geftalten zu
kompakten Maffen aneinandergerückt werden, fo wird man die Emppndung doch
nicht los, daß es vergebliche Mühe ift, diefe Menfcpen zufammenzubringen. Von
diefen jungen Männern, in einem viel zu kleinen Kahn zufammengeballt, fcheint jeder
um fo einfamer, je näher er an den andern gedrängt ift. Es ift auch gewiß kein 3u-
fall, daß in vielen FaPungen immer wieder das Motiv des Fremdlings auftaucßt, der
mit erftaunten Sinnen die dunkelhäutigen Gefährtinnen betrachtet. Es ift ein Reft von
Schwere, von Vorbehalt, von innerer Fremdheit, die folche Menfchen zu allzu naher
Verbindung untauglich macht. Das einzige, was pe vermögen, ift im gleichen Kreis
kameradfchaftlid) beifammen zu fein, aber jeder mit feiner Aufgabe und jeder mit
feinem eigenen Dafein und feinem eigenen Traum. Und daß nichts anderes gewollt
ift als dies darzuftellen, das macht die lebten GCIerke Fjubers fo befonders zwingend.
Äußerlich drückt pcl) diefes felbftändige Nebeneinander der Einzelwefen darin aus, daß
Fjuber nun die vertikal gerichteten Kompofitionen bevorzugt. In dem Fresko im
Treppenhaus der Schweizerifchen Nationalbank in 3üri(h ßnd es drei Frauengeftalten
mit emporgerichteten Fjänden und nur leicht geneigten Köpfen, aufrecht zu einer Gruppe
zufammengeftellt; in dem Gemälde „Frau mit Kindern auf UIeg“ wird durch den fchnur-
gerade zu dem hohen Bildhorizont laufenden Pfad die Vertikalrichtung noch befonders
betont.
Von der gleichen Idee des felbftändigen Nebeneinander geht auch der farbige Auf-
bau aus. Es ift nicht das einheitlich Tonige, was er fud)t, vielmehr trifft man befonders
häupg auf den Kontraft von kühl und warm, von blau und rot. Auch hier wird die
Fjarmonie erreicht nicht durch Unterordnung, fondern durch Übereinkunft, durch die
wohlerwogenen Beziehungen der Ulerte. Die Farben find fehr reich und dicht in fid).
Diefes Ineinander- und Übereinanderarbeiten der einzelnen feinen Pinfelftriche, diefes
3ufammengel)en gegenfeitig fid) hebender Einzelfarben gibt der Malfd)id)t inneres
Leben, die gedämpfte Stärke guten Gewebes. Aus diefem Gewirk wäd)ft rund und
voll die Figur in fehr einfachen, unpathetifchen Formen.

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