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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 20
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Poeschel, Erwin: Hermann Huber
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0929

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Meßr als bei vielen andern Könftlern würde man fiel) bei Hermann Huber nur an
der Peripherie [eines Lebens bewegen, wollte man bloß von feinen künftlerifcßen Mitteln
fpreeßen und meßt von [einer tüerkgefinnung und der befonderen Ärtung [eines Emp-
findens. Denn alles, Bildform, Malweife, Farbe empfängt davon das Gefefe. Diefes
aus kleinften Pinfelzügen unermüdliche 3ufammenflecßten des Bildes und der Form, in
den 3eicßnungen das Aufbauen oder vielmehr das Fjerauslöfen der Helligkeiten und
damit der Geftalt aus einem (tlirrfaal von gekreuzten Stricßlagen, aus einer Unzaßl von
gepunkteten, gekräufelten, geftricßelten Einzelheiten, diefe Cecßnik kommt ganz aus
diefem männlichen Verhältnis zur Arbeit, das am leichten Fließen kein Genüge findet,
[ondern den (üiderftand fueßt. Indes die runde fefte Form [einer Geftalten der klaren
[eßweizerifeßen Art entfprießt, die rußig dem Catfäcßlicßen fid) zuwendet. Äber das
Scßönfte ift docß die wortkarge Innigkeit [einer Kunft.
In [einen früheren Bildern waren es immer wieder Knaben an der Schwelle der
Männlichkeit, die er zum Gegenftand [einer Figuren machte. Sie hatten alle etwas
Überwältigtes, von erwaeßtem Gefüßl Stummes, etwas rührend Unerlöftes und [eßr
Lyrifcßes. Jeßt begegnen wir immer diefen beiden Lypen: dem blondhaarigen Jungen
und der Frauengeftalt, und es gibt im Bereich der jüngeren Kunft wenig, was [ich
diefen in ißrer ganz alemannifcßen Innigkeit vergleichen ließe. Äucß [ie find wortlos
im Gefüßl; aber nicht, weil fie von ihm überwältigt find, [ondern weil fie nicht an
etwas rühren mögen, was ißnen [o tief am Grunde liegt. Sein Frauentypus ift der
einer Stauffacßerin, [tark, mütterlich, verläffig und mit einem Empfinden von [eßr großer
{Tragfähigkeit. Er ßat ganz die erdßafte Art feßwäbifeßer Madonnen. Hier und in
dem bubenhaft herben, träumerifeßen Jungen fießt man am [tärkften, wie [eßr diefe
Kunft ganz unftädtifcß, ganz Natur ift. Seßr gefättigt — und langfam gewaeßfen wie
Bergholz. In der Empfindung ebenfo dicht wie die äußere Form und die Farbe, durch
den tüiderftand herber Scheu gefammelt. Qnd [ehr rein. Das [eßr Keufcße, was feine
frühen Knabenbildniffe hatten, ift immer geblieben, ift aber aus der meßr äußerlichen
Form der Gebärde zu einem das Ganze tragenden 3ug geworden. In der enthaltfamen
Art feiner Farbe ift es, in dem umbrifcß zarten Duft, der etwa über der Szene auf
dem Gartenweg liegt, in der [cheuen Verliebtheit, mit der er dem küßlen Afcßblond
des Haares immer wieder neue Reize hinzutut. (Denn er in dem Cafe-Interieur mitten am
üifcß neben die 3igaretten rauchende Dame die blonde junge Frau [eßt, nach der fid) die
Gäfte umwenden, fo ift es, als ob er in der Stadt an die leichte Frifche feiner Berge denke.
tüar Huber in der Jünglingszeit lyrifcß, fo ift jefet in ißm die alte feßweizerifeße
epifeße Kraft mit der leichten Neigung zur paftoralen Idylle. Es ift der tägliche Um-
kreis feines Lebens, den er fcßildert, der Familienkreis, die Blumen auf dem Cifcß, die
fruchtleuchtenden Erdbeeren in irdener Scßale, die Stube auf der Alp mit einfachem
ßeßtenen Hausrat, der Bacß mit den Steinen, der RLIald mit goldenen Liefen. Das
Epifeße feiner Art alfo liegt viel weniger in der Stoffwaßl als feinem inneren Ver-
hältnis zur Umwelt. Es ift diefe fachliche Pßantafie, wenn diefes Paradoxon erlaubt
ift, die zwar immer die Realität der Dinge achtet, fie jedoch in einer eigentümlichen
Schönheit und Beredtßeit neu erfcheinen läßt, önd wenn man nach dem Grund diefer
Erfcßeinung fueßt, fo ift es die feßeue Achtung vor jedem (tiefen, vor feiner eigenen
Artung und feiner eigenen Geltung. Daßer auch die Liebe zu der kleinen Form, zu
jedem einzelnen Blatt, jeder Blüte und jedem 3weig. Die Blumen feiner Sträuße haben
die fefte klare Form, die bis ins kleinfte durchgebildete Beftimmtßeit der Niederländer
des 17. Jahrhunderts, und in dem Gekräufel der Gewänder, den forgfältig gefeßießteten
Faltungen der Decken und Kleider ift nießt eine Spielerei mit gotifeßer Manier, [ondern
eine Hmgenommenßeit von dem eigenen Leben jeden Dinges, ünd in diefem Geift der
inneren Befeelung des einzelnen geßt jedes einzelne auch fcßließlicß auf zu einem
Ganzen, die zeießnerifeßen mit den malerifcßen Elementen, das Kleine mit dem Großen.
Denn auch im Kleinften ift bei ißm die Eßrfurcßt vor dem Ganzen der Natur und des Dafeins^
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