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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 21
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Simon, Karl: Ein neuer Uffenbach?
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#0971

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Von KARL SIMON
Mit einer Tafel

Ein neuer üffenbad)?
Im Befiß der Kunfthandlung Dr. Frits Goldfdjmidt und Dr. Victor öüallerftein, Berlin,
Scljöneberger öfer 36a, befindet fiel) ein Gemälde, das in mehr als einem Betracht
von Intereffe ift. Die beigefügte Abbildung macht eine eingehende Befchreibung
unnötig. COie pe zeigt, handelt es [ich um eine Äuferftehung. Links eine Anzahl
genauer ausgeführter Einzelfiguren, auch nach dem Mittelgründe dadurch gut fichtbar,
daß die zwei vorderften in liegender Stellung gegeben find. Rechis beherrfchend eine
einzige männliche Figur, gekleidet in Rötlich und Braungelb, die weifenden Arme aus-
einandergebreitet. Alles andere auf diefer Seite ift Füllung, ift Glied einer bis in den
Hintergrund [ich fortfehenden Reihe. In der Mitte Cotengebeine und langgezogene
Skelette. Links entfprechend eine weifende Frau. Oben in den tüolken links Gott-
vater, nur zur Hälfte in den ihn umgebenden ülolken fichtbar, die Weltkugel in der
Rechten. In drei Ecken des Bildes blafende öüindgötter. — Eine merkwürdige Dar-
ftellung von feft umriffener Eigenart.
3unächft das Chema. Eine einfache Äuferftehung kann es nicht fein; der Mann
rechts als Einziger voll bekleidet, durch einen fchwebenden Reifen in der Art eines
Heiligenfcheines als etwas Befonderes, etwas Heiliges gekennzeichnet, fpielt offenbar
eine befondere Rolle, die in einer gewöhnlichen Darftellung der Äuferftehung
ihre Stelle nicht findet. Nun erinnern wir uns: ein Prophet des alten Ceftaments ift
mit der Äuferftehung näher verknüpft: Ezechiel. Bei ihm wird im 37. Kapitel erzählt,
wie er im Geift vom Herrn auf ein weites Feld mit Cotengebeinen geführt wird, und
auf feine (üeisfagung hin kommen die Gebeine wieder zufammen, „ein jegliches
wieder zu feinem Gebein.“ Da aber noch kein Odem in ihnen ift, foll er weisfagen:
„Cüind, komm herzu und blafe diefe Getöteten an, daß fie wieder lebendig werden.
Da kam Odem in fie und fie wurden wieder lebendig und richteten pch auf ihre Füße.
Und ihrer war ein fet)r großes Heer.“ Damit ift die Darftellung völlig erklärt.
Die Frage nach dem Meifter des Bildes ftellt fich ein. 3eit: Spätrenaissance —
Frühbarock; niederländifd) — manieriftifch? deutfd)? Irren wir nicht, fo kann der Name
mit Beftimmtheit angegeben werden: Philipp üffenbad), jener Frankfurter Maler, der
mehr genannt als bekannt, der Schüler oder Enkelfchüler des einzigen überlieferten
Grünewaldfdjülers Grimmer, der Lehrer Elsheimers und J. v. Sandrats gewefen ift.
Die bisher bekannten tüerke feiner Hand find nicht zahlreich; von Arbeiten, die mit
unferem Bilde in Beziehung ftehen, feien genannt — außer dem früßeften bisher be-
kannten Cüerke einer Kreuzigung von 1588 (Holzhaufen-Sammlung im Städelfchen
Inftitut)— in erfter Linie feine bezeichnete und 1599 datierte „Himmelfahrt Chrifti“, ge-
malt für das Frankfurter Dominikanerklofter und gemeint wohl als eine Art Gegenftück
des Dürerfchen Heller-Altars, Eigertum des Hiftorifchen Mufeums, als deffen Leihgabe
im Städelfchen Kunftinftitut ausgeftellt. Die Rückfeite des Porträts von einem der
Stifter enthält eine Sterbefzene, auf der das Gerippe des Codes erfcheint — alfo ein
Anklang an den Gedankenkreis des Berliner Bildes.
In engfter inhaltlicher Beziehung zu dem Berliner Bilde fteht ein jüngftes Gericht,
gleichfalls aus dem Dominikanerklofter ftammend und als Leihgabe des Hiftorifchen
Mufeums im Städelfchen Kunftinftitut ausgeftellt, freilich nicht bezeichnet.
Aber auch eine Vifion Ezechiels gibt es von ihm, nicht bezeichnet, aber zweifellos
ihm zugehörend, im Hiftorifchen Mufeum. Auch hier beherrfchend die Figur des Eze-
chiel, aber nicht zur Seite ftehend, fondern auf ein Knie niedergelaffen, umweht von
feinem gewaltigen Mantel und nach oben blickend, wo aus dichten tüolken Strahlen
von den h^räifchen Buchftaben „Jahwe“ ausgehen — eine machtvolle Phypognomie,
während fonft die Köpfe, wie auch die Frauen des Berliner Bildes, etwas Akademifches
haben. Links von Ezechiel unter Cotengebeinen eine Gruppe ftehender Figuren, hinter

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