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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 22
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Perzyński, Friedrich: Nō und Nō-Masken
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#1057

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nad) hinten. Äls Erfatj für die aus ted)nifd)en Gründen derzeit nicht reproduzierbare
Koomote-Maske des Catfuyemon aus dem Beptj des Nö-Cänzers Kinnofuke Kongo
fei eine fpätere Arbeit, eine Koomote des Yunaga und die Omi onna-Maske des Ed)i
(Periode Eiwa 1375—1379) gezeigt.
3u den anzietjendften Erfcbeinungen unter den älteren Sehnigem gehört ßimi,
wat)rfd)einlid) wie Ko-ufhi, der den nad) ihm Koufhijö getauften Greifentyp fctjuf, ein
Künftler aus dem 14. Jahrhundert1, ßimi hat das Nö-Masken-Äusdrucksregifter um
ein paar \)zrbe Durklänge von ftarker Refonanz bereichert. Die vom Sd)ickfal „Er-
niedrigten und Beleidigten“ find es, die Dulder und Reuigen, deren Cypus er fefthält:
die einft fo gefeierte, im Älter aber bettelarme Dichterin Komad)i; den von ihr ver-
fd)mähten Liebhaber, der bei einer mit unendlicher Geduld abgelegten Liebesprobe
umkommt; die Fürftin, die vor Sehnfud)t nad) ihrem in der J^auptftadt fäumenden Ge-
mahl hinPe(t)t; Fifcher und Jäger, die buddhiftifche Gebote übertraten und nun in der
Bolle tieffte Pein erdulden. FJimis abgemagerte, geifterhaft bleiche und kummervolle
Gepdjter pnd von einer fd)neidenden Schärfe des Ausdrucks. Sein Yafe otoko2-Cypus
mit der hohen, knöchern wirkenden Stirn, den todestraurigen Äugen, der pyramiden-
förmig heraustretenden Jochbeinpartie berührt in der gotifd)en Strenge des Stils wie
ein modernes Leidensbild. Man möchte glauben, daß Lyonei Feininger eine fold)e Maske
fchnißen würde.
Die Pforten des immer geräumiger werdenden Kunfttempels find nun weit aufgetan,
und Generationen von Familien, in denen das Maskenfcbnitjen pd) als Beruf vererbt,
arbeiten bienenempg, unbekümmert um den Gang der t£Ieltgefchicl)te, ted)nifd)e Er-
rungenfchaften verfeinernd und den Motivenfd)atj ftändig erweiternd, Jahrhunderte hin-
durch im Dienft eines orthodoxen Schönheitskultus. Nicht weniger als 160 durd) vor-
handene Masken belegte Nö-Maskentypen habe id) bisher feftgeftellt, von den eben-
falls fehr zahlreichen Kyogen-Masken zu fd)weigen, unter denen oft genug ge-
ringere öCIerke, aber auch fold)e von fd)lagender Kraft und zündender Komik anzu-
treffen pnd.
Auf die FJauptgruppen oder gar einzelnen Perfönlid)keiten von fünf Jahrhunderten,
auf Ced)nifd)es und Stilkritifd)es hier einzugehen, hieße den Rahmen diefes Auffatjes
weit überfpannen. 3wei Sterne erfter Ordnung feien nur kurz erwähnt: 3ekan
(+ 1616) und Kawad)i (+ 1645). 3ekan hat wohl dann und wann manches öngleiche,
in der Umgebung einer wahren Sctjöpferftunde aber aud) vieles Köftlid)e gefchaffen,
fo daß japanifcße Kenner feine beften Arbeiten denen der alten Meifter an die Seite
ftellen. Eine Sßunkwan-Maske der Berliner Mufeen trägt den Brandftempel 3ekans
und ift auf der Rückfeite (deren Meißelfpuren japanifd)e Kritiker faft forgfältiger prüfen
als den Avers) mit einem langen d)inepfd)en Gedicht, einer literarifd)en FJuldigung der
Arbeit, geziert. Die Maske ftellt den auf die Ceufelsinfel an der Satfuma-Küfte ver-
bannten Priefter Shunkwan dar, der feine begnadigten Gefährten von dannen ziehen
und pd) qualvoller Einfamkeit ausgefetjt pept. Das fd)merzverzerrte Gepd)t fd)rumpft
unterhalb der ftark hervortretenden Jod)beinleifte völlig zufammen. Bartftoppeln be-
decken Kinn und die Partie über der klagend hochgezogenen Oberlippe. Die mehr-
fach eingebeulte Stirn mit den einpnkenden Schläfen hat intenpvftes Leben.
Der Name Kawad)i ift japanifchen Maskenkennern faft zu einem Synonym für
Cintadell)aftigkeit der Arbeit, für höcßfte ted)nifd)e Sicherheit geworden. Seine Ifhiöjö-
Maske (bei dem Nö-Cänzer ökyO Kongo), das Gefid)t eines fchönen Greifes mit feinem
Schema ausdrucksvoller Falten offenbart, in der freien und etwas verwäfferten Replik
der Berliner Mufeen vielleicht zu deutlich, welche Gefahr dem edlen Kunftzweig un-
mittelbar droht: die der Glätte, der Veräußerlichung, des Erftarrens überlieferter Formen.

1 Das Kamenfu fetjt Fjimi allerdings 100 Jahre früher an als Ko-ushi.
3 D. i. magerer Mann.

Der Cicerone, XV. Jai)rg., ßeft 22

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