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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 23
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Eimers, John: Statius von Düren und die Lüneburger Terrakotten der Renaissancezeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#1099

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Mecklenburg, wo unter dem kunftpnnigen Fjerzog Johann Albred)t eine Anzahl Schloß-
bauten in diefem Stil erfteßen, aucß nad) Lüneburg über. Den Ulellenfcßlag jener
Strömung fpüren wir in den Arbeiten der dort boden[tändigen Ulerkftatt, die nunmehr
dazu übergeht, aud) ißrerfeits die neuen Formen der Ulerkftatt des Statius von Düren
zu verwenden. Allein pe übernimmt nur die Formen, nicht aud) den Geift jener be-
deutfamen Renaiffancebewegung. Unter Beibehaltung der dort üblichen tektonifcßen
Bindung der Uauftabgliederung und Uleiterwendung der Glafuren werden die neuen
Formen neben den alten benutzt1. Bei dem Fjaufe an der Neuen Sülze aber dürfte
es keinem 3weifel unterliegen, daß der Cerrakottafcßmuck in bewußter Abwehr von
der bisherigen Kunftübung der Lüneburger Ulerkftatt unter dem unmittelbaren Einfluß
jener in Schleswig-Fjolftein einfeßenden Renaijfanceftrömung gefchaffen wurde, ßier
ift der Verfucß gemacht, eine Cerrakottaarchitektur, wie fie vorher fcßon am Schloß
Bothkamp zur Verwendung gelangte, nach Lüneburg zu verpflanzen; ein einmaliger
Verfud), der nicht wiederholt wurde, ßeimifd) ift diefe neue Bauweife in Lüneburg
nicht geworden.
Ein fehr wefentliches Moment aber, das geeignet ift, uns Klarheit über die Stellung
der beiden Ulerkftätten zueinander zu verfcßaffen, befteht darin, daß die Lüneburger
Cerrakotten, foweit fie an den Käufern als Medaillons in die Caufteinumraßmungen
eingefcßloffen find, Rundformat zeigen, während die Lübecker Cypen fämtlid) als
Vier eckskompofitionen gegeben find. Gehen wir von der Annahme aus, die Formen
in Lüneburg feien die älteren, fo müßten, da in Lübeck die Caufteinmedaillons nicht
verwendet wurden, dort andere Einfaffungen gewählt worden fein und die Lübecker
Ulerkftatt wäre dazu übergegangen, die runden Scheiben in viereckige Platten einzu-
fetjen. Diefe Möglichkeit wäre bei den hier wie dort vorkommenden Bruftbildern (Abb. 1)
ohne weiteres zuzugeben, obfcßon es bedenklich ftimmen muß, daß der römifcße Krieger
n der Lüneburger Ausformung nur eine Rofette trägt, wir aber fcßwerlid) einen Er-
klärungsgrund dafür finden werden, daß ißm in den Lübecker Ausformungen vorn
eine halbe Rofette hinzugefügt ift. Auf größte Schwierigkeiten ftoßen wir aber, wenn
wir die fpätere Umgeftaltung auf die quadratifche Form auch bei den ornamentalen
Platten, wie etwa bei den auf Delphinen reitenden Putten (Abb. 2)2 annehmen wollen.
Die Kompofition diefer Reliefs ift durchaus organifd) aus dem Viereck heraus entwickelt.
Die Delphine find gegeneinander gewendet und durch ein Querband zufammen an einen
Balufterfchaft gefeffelt, ein dekoratives Motiv, das in der Lübecker (Uerkftatt des
Statius von Düren außerordentlich oft angewendet worden ift. Auch die 3wickel-
füllungen in den Ecken des Quadrates geben fiel) als vollkommen natürliche Bildungen,
die keineswegs erft fpäter hinzugefügt fein können. So finden wir denn auch auf dem
vom Schlöffe Bothkamp ftammenden Platten diefe beiden Darftellungen nicht nur in
gleicher Größe wie die in Lübeck hergeftellten Ausformungen, fondern auch als qua-
dratifche Kompoßtion gegeben. Uler aber im Fjinblick auf die zum Kreis gefeßwungenen
Delphinleiber noch zweifeln möchte, daß die Viereckskompofition die urfprünglichen
gewefen find, der möge fiel) die Platten mit den fteigenden Löwen anfeßauen (Abb. 3),
bei denen die Darftellung in ihrer Gewichtsverteilung fo durchaus auf das Viereck ab-
geftellt ift, daß die Umformung auf das Rund fid) nicht vollziehen läßt, ohne daß der
mKopofition Gewalt angetan wird. In der Tat feßen wir auf der Lüneburger Ausformung,
1 (Hie die Verwendung der Glafuren in Lüneburg entwicklungsgefcßicßtlicß zu erklären ift, wie-
weit pe als Renaiffanceerfcßeinung zu gelten hat, ift eine Frage, die über den Rahmen diefer
Arbeit ßinausweift. Es fo'l bei diefer Gelegenheit aber doch auf die intereffanten aus Leipzig
ftammenden Bauterrakotten gotifeßer 3ßü ßingewiefen werden, die den von vorne gefeßenen
Cßriftuskopf unter Verwendung farbiger 3mnglafuren zur Darftellung bringen. (Vergl, Cüalter
Stengel, Studien zur Gefcßicßte der deutfeßen Renalffance-Fayencen. Nürnberg 1912.)
2 Durch ein Mißverftändnis in der Clicßieranftalt find in Äbb. 2 u. 3 an den originalen Lübecker
Viereckskompofitionen die Ecken abgefeßnitten. Die zur Darpeilung gebrachten Husfcßnitte ent-
fpreeßen etwa den Lüneburger Ausformungen.

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