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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 23
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Drey, Franz: Unbekannte Nymphenburger Modelle
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#1109

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Diefer feine Künftler, Italiener von Geburt, wußte auch in der tecßnifcßen Fjerftellung
des Porzellans guten Befcßeid, und nur fo war es möglich, Modelle ßerzuftellen, die für
diefes Material hervorragend geeignet waren. Die feine Grazie der Bewegung, die
Flüffigkeit der Gewandbehandlung, die 3ierlici)keit des Ausdrucks feiner Köpfe und
die Feinheit in der Ausführung der Gliedmaßen und des Beiwerks zeichnen ihn vor
den Boffierern [amtlicher deutfcher Porzellanmanufakturen aus. hierzu kommt noch
eine köftlidje Phantafie und feiner ßumor in der Erfindung feiner Modelle. Seien es
Putten oder Figuren aus der italienifchen Komödie, Chinefen oder andere Modefiguren
oder Gruppen, ja felbft Cierhatjen oder Dekorationsftücke, in allem wußte er feinen
Werken einen Liebreiz an Bewegung und Feinheit des Ausdrucks abzugewinnen, der
für feine Schöpfung charakteriftifch wird. Vergleicht man eine feiner Verkäuferfiguren,,
eine feiner Putten oder Cänzerinnen, befonders einen feiner Chinefen mit ähnlichen
Modellen anderer deu [eher Modelleure der 3eit, fo wird man leicht erkennen, wie
hoch die Kleinkunft Buftelli’s künftlerifd) über den keramifchen Plaftiken feiner 3ßit
fteht. Die bildhauerifche COirkung feiner Figuren und Gruppen hebt [ich derart über
das Gewohnte hinaus, daß man ße als Kleinplaftiken bezeichnen darf, die in keiner
Cüeife den Skulpturen der füddeutfehen Barockbildhauer nachftehen.
3weifellos der Fjand Buftellis angehörig ift die Gruppe des „Chinefen zu Pferd vom
Panter angefallen“, welche das bayerifche Nationalmufeum in München (Abb. 1 und 2)
vor zwei Jahren erworben hat, und zu dem jldr) ein Gegenftück „Cartare zu Pferd von
Löwen angegriffen“ (Abb. 3 und 4) in einer Münchner Privatfammlung befindet, mährend
die Gruppe des bayerifchen Nationalmufeums farbig bemalt ift, ift das Gegenftück weiß
geblieben, vermutlich wegen einiger Brandriffe und einer leichten Verziehung, die der
Sockel im Brand erfahren hat. Die Größenmaße ftimmen bei beiden Gruppen faft
überein (Länge des Sockels 16 bzw. 18 cm, Fjöhe der beiden Gruppen 22 cm). Vor
allem fallen die ausdrucksvoll modellierten Köpfe, die intenfive Bewegung und die
Pßantafie der Koftüme auf, die wir in zahlreichen anderen Figuren Buftellis wieder-
finden. Vor allem fehen wir in feinen Chinefen-Figuren die reizvolle Drehung des
Körpers wieder und die merkwürdigen Koftüme mit den weiten, unten zufammen-
gebundenen Fjofen, langen, fpitj zulaufenden Ärmeln und den orientalifchen, nach oben
[piß zulaufenden Schuhen. Die Kopfbedeckung der beiden Reiter ift merkwürdig, im
einen Fall ein grüner Blätterhut, im andern eine hohe, zylinderförmige Mütje eigen-
artiger Erfindung, munderbar bewegt find die Pferde, etwas unbeholfen dagegen der
Panther und der Löwe, mohl erinnern die Pferde an Modelle, die dem Nachfolger
Buftellis — Dominikus Auliczek d. Ä. — zugefchrieben werden. Auliczek hat jedoch
häufig Modelle feines Vorgängers in veränderter Form benütjt, auch wiffen wir, daß
Buftelli Reitergruppen gefeßaffen hat, wie die im „Verzeichnis der in Neudeck vor-
rätigen Porzellanwaren vom 8. Auguft 1755“ erwähnten «Fjufaren zu Pferd ä vier Du-
katen»1 2. Auch der Färbung der Maffe nach zu urteilen, gehören die Gruppen der
Buftelli’fchen Epoche an.
Nach dem Code Buftelli’s 1763 wurde der Böhme Dominikus Auliczek als Boffierer
in der Fabrik angeftellt. Seine gründliche künftlerifche Vorbildung verbunden mit einem
ungewöhnlichen Fleiß brachten ihm bald den Poften eines Vorftehers der Boffiererftube
ein, nach langen Intrigen wurde der ehrgeizige Mann zum Infpektor der Porzellan-
fabrik ernannt (1774). Nebenbei führte er als „Fjofftatuarius“ auch Skulpturen für
die kurfürftlichen Gärten aus. So wie er fich bei diefen gelegentlich an Vorbilder des
Fjofbildhauers Straub anlehnte, fo führte er auch zahlreiche Modelle feiner Porzellan-
plaftiken unter Benutzung Buftellifcher Vorlagen aus. 3a diefen abgeänderten Buftelli-
Modellen gehört auch die hier (Abb. 5) abgebildete Rundgruppe-, die eine Variation
von Buftellis Gruppe „Der geftörte Schläfer“ darftellt. Auf unferer Abbildung nicht
1 F)°fmann. Verfdrjollene Nymphenburger Figuren. Cicerone XIV. Jahrgang.
2 Ein zweites, ähnliches Exemplar bei Juftizrat Rütgers, München (f. Feulner, Bayerifches Rokoko).
1083.
 
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