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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 23
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Polaczek, Ernst: Bemerkungen zu Emil Heusers "Porzellan von Straßburg und Frankenthal im 18. Jahrhundert"
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#1121

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zellanmaffe im Brande ftärker fcßwindet, aber die Herkunft aus der gleichen Matrize ift nid)t zweifel-
haft. Alle diefe frühen Stücke, mögen fie nun in Straßburg oder in Frankenthal zur Hielt gekommen
fein, haben in der Farbe eine primitive Kraft und Derbheit, die der jüngeren Produktion gänzlich fehlt.
In Form und Farbe ift ihnen mit der Regencekunft, die in Straßburg fdrjon um 1740 triumphiert hatte,
nichts gemein. Aber auch mit Meißner Porzellan der Frühzeit halten fie künftlerifch, vom Ced)-
nifchen ganz abgefehen, keinen Vergleich aus. Ihre Vorfahren pnd vielleicht in Fjolland zu fuchen.
Ebenfo gewiß wie dies Snrä^SßbUßbßnfßl11 1° den Änfangsjaßren ift es aber, daß fchon fehr
bald eine entfdjeidende HIendung zum Leichten, Eleganten, Schmiegfamen eintritt. Der Schritt
vom Barock zum Rokoko wird getan. HIem gebührt das Verdienft? Dem älteren, fchon 1757
geftorbenen Sohne Paul Fjannongs, Karl oder deffen jüngerem Bruder Jofef? Hlir haben keinerlei
Fjinweife auf eine unmittelbare künftlerifche Betätigung diefer beiden Fjannongs1. Es bleiben als
entfcbeidende künftlerifche Kräfte die Modellmeifter übrig; deren Beftimmung und Begrenzung
wäre kunftgefchichtlid) viel wichtiger als die vielfach überfchätjte Markenforfdjung. Fjofmann hat
hier den HIeg gewiefen, ohne allerdings die erwünfdjten urkundlichen Belege anzuführen; auch
Fjeufer begnügt pd) mit allgemeinen Fjinweifen. Der erfte Modellmeifter war Johann Lanz, 1756
zuerft genannt, aber auch 1761 noch als Bildhauer tätig; der zweite waßrfcbeinlich Johann Fried-
rich Lück, nach Fjofmann 1757 bis 1764 in Frankenthal nachweisbar; hierzu tritt vielleicht noch
Karl Gottlieb Lück, der 1760 als „kunftreicßer Pouffierer“ genannt wird. Es find alfo in der
Fjannor.gperiode gleichzeitig drei oder, wenn man K. G. Lück zunächft nur eine untergeordnete
Tätigkeit beimißt, mindeftens zwei Modellmeißer nebeneinander tätig gewefen, Johann Lanz und
ein zweiter, von Fjofmann als J. F. Lüde bezeichneter Künftler2. Lanz’ Cätigkeit für Frankenthal
läßt pd) nun ziemlich leicht umgrenzen, foweit pe pch an feine übrigens auch nicht aktenmäßig
nachgewiefene Cätigkeit als Fayencemodelleur anfdpießt3. Er hat die obengenannten, fowohl in
Fayence- wie in Porzellanausformungen erhaltenen Modelle gefcßaffen. Aber was hat er —
bis 1761! — in Frankenthal Neues geleiftet? Gewiß pat er die in Straßburg begonnenen Serien
vervollftändigt, und Fjofmann dürfte in den 3uweifungen, die er auf den Deckblättern feiner Cafel-
bände gibt, im allgemeinen das Richtige treffen. Etwas abfolut 3wingendes zu fagen, ift wohl
unmöglich, da an der depnitiven Erfcheinung einer Porzellanßgur doch auch der „Pouffierer“ und
der Maler mitwirken. ttlie leicht konnte der Pouffierer einen Lanzfchen Dickkopf elegant machen 1
Hlie fehr konnte ein Stafperer durch Anwendung heller leichter Farben eine barock modellierte
Figur dem Rokoko nähern! Die „Coilette der Venus“, die Fjofmann und Fjeufer dem Lanz zu-
fchreiben, ruft jedenfalls einen ganz anderen Gefamteindruck hervor als die älteren Arbeiten des
genannten Modellmeißers. Es ift nicht nur die hoch und reich aufgebaute Rocail-Laube des
Münchner Exemplars, fondern vor allem die Gefcploßenßeit und Flüfpgkeit der Kompoption, die
das HIerk von den unbeholfen und pteif gepeilten Arbeiten des Lanz fehr zu feinem Vorteil unter-
fcheidet: die Bemalung mit hellen heiteren Farben hat dann vollends den Gefamteindruck rokoko-
mäßig verändert. Mir fcheint gerade diefe Gruppe mehr auf J. F. Lück hinzuweifen, in deffen
Götterferie die nächften Analogien zu pnden find. Diefer J. F. Lück ift als der Fjauptmodelleur
der 3eit Jofef Fjannongs anzufehen; von ihm rühren die meißen mit dem Löwen und dem Mono-
gramm J. A. H. bezeiepneten Stücke per. Neben ihm wäre nach Fjofmanns und Fjeufers Ver-
mutung noch der andere Lück als Modelleur tätig gewefen; 1760 wird er als „künßlicher Poufperer“
genannt, was man, die eigentliche Bedeutung des Hlortes fteigernd, mit Modellierer überfe^t hat;
1762—1766 war Linde Modellmeifter, und nach deffen Ausfeheiden wurde K. G. Lück fein Nachfolger.
Danach) wäre es denkbar, daß er neben den oben genannten Modellmeißern und, unter dem
Direktor Bergdoll, auch neben Linck verwendet worden iß. An irgend einer Stelle hätte nun von
Fjeufer gefagt werden müßen, welches nun die Ausgangspunkte für die Beurteilung und Begren-
zung von K. G. Lücks Cätigkeit pnd. Des Fjofbildpauers Linck Leißungen pnd unfepwer erkenn-
bar. öm Karl Gottlieb Lücks Cätigkeit feftzulegen, muß man ein fubtrahierendes Verfahren an-
wenden. Seine HIerke pnd unter den nicht von Linck modellierten und, da die Bezeichnung mit
Jahreszahlen erß 1770 einfe^t, unter den nicht mit Jahreszahlen bezeichneten Stücken der Direk-
tionszeit Bergdoll, weiter unter den mit Jahreszahlen bis 75 kenntlich gemachten Stücken der
1 Die ausführlich L Ä. FJannong 1761 pgnierte Figur einer Leierfpielerin im Münchner Nationalmufeum kann — nach
den Ausführungen Fünfers — als künftlerifche Schöpfung des Fabrikanten nicht aelten. Kläre der ruhmredige I. Ä.
FJannong Künftler gewefen, fo hätte er (Id) gewiß in einem feiner vielen Schriftjaße diefer Eigenfcfjaft gerühmt.
2 Johann Lanz wird 1756 in einem Frankenthaler Kirchenbuch genannt, 1759 wird ein Klilhelm Laut} erwähnt. Daraus
fd)eint dann ein Johann Klilhelm Lanz entftanden zu fein.
* Seit der Niederfd)rift diefer Befprechunq hat fjaug in feinem Klerke: Faiences et porcelaines de Strasbourg (1922)
S. 40, Johann (illlhelm Lanz für das Jahr 1753 in Strsßburg nacbqewiefen. Dadurch ift der künftlerifche 3ufammenhang
zwifd)en Straßburg und Frankenthal auf urkundliche Grundlage geftellt.

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