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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 23
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Neue Literatur zur Keramik
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#1129

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Neue Literatur zur Keramik

Fayence zur Ealbfayence find die bereits osma-
nifdjen Bauten Bruffas, befonders die 1423 vol-
lendete Jefchil - Mofchee und die Jefchil Cürbe
Mohammeds I. Drei Cechniken treten uns an
diefen Bauwerken entgegen: 1., Verwendung von
einfarbigen, opaken Emailglafuren auf rot ge-
brannten 3iegeln; 2., die Cechnik der fog. „toten
Ränder“ zur Trennung verfd)iedener farbiger
3innglafuren auf einer Fliefenplatte, aud)
Schutjrandtechnik genannt, in Perfien fdjon unter
den Hchämeniden in Blüte, zurückgedrängt unter
„der helleniftifd)-orientalifchen Mifd)kunp“ der
Saffaniden, verwandt der Cechnik „cuerdaseca“
der fpanifch-maurifcben Fiiefenkeramik; 3., Schutj-
randtechnik mit durd)fd)einenden farbigen Blei-
glafuren auf zinnhaltiger (?) Engobe (die echte
Engobe ift eine Mifchung lediglich von Quarz-
fand und Glaspulver). Von dem letzten dicfer tech~
nifchen Verfahren bis zur Cechnik der Fjalb-
fayence, d. h- zur Scharffeuerfarbenmalerei auf
weißer Engobe mit fchütjender, farblofer, durch-
pchtiger Überfangglafur war nur noch ein Schritt.
Man tat ihn, als man die Schutjrandtechnik auf-
gab, zu dem gefügigen Pinfel griff und damit
die Ornamente frei und locker auf die farben-
faugende Engobe auftrug. So trat endlich an
die Stelle einer zeitraubenden, aber mitMeifter-
fchaft geübten „Diminution“ im Schnittmofaik
und an die Stelle der pyrotechnifd) fo fchwie-
rigen Schutjrandtechnik das viel freiere Verfahren
einer vereinheitlichenden und doch außerordent-
lich wirkungsvollen Cechnik. Reftlofe Klarheit über
die zeitliche Hufeinanderfolge und ftreng techno-
logifche Klafppkation der doch immerhin wefent-
lichen Etappen der Entwicklung von der echten
Fayence zur Ealbfayence ift immer noch nicht
erzielt. Hm zuverläffigften find bis je|t noch die
Hngaben v. Falkes. Man lefe aud) einmal die
Hnalyfen von Scherben, Engoben und Glafuren
perfifcher Ealbfayencen in „Kerls Fjandbuch der
gefamten Conwareninduftrie“ nach!
Mit dem Vordringen der Osmanen fetjt fid)
die Cechnik der Ealbfayence endlich reftlos
durch- Im 1472 vollendeten Cfd)inili Kiosk in
Konftantinopel wird das letzte Paradeftück in
3iegel- und Schnittmofaik unter Verwendung
noch opaker 3innemails gefchaffen; man nimmt
aud) an, daß der Erbauer ein Perfer gewefen
ift. Die der Mitte des 16. Jahrhunderis ange-
hörende Mofchee Rüftem-Pafcha erftrahlt da-
gegen im Glanz ihrer herrlichen Fliefenwände
aus Ealbfayence wie ein Cüundergarten des
Paradiefes. Das leuchtende Bolusrot, das die
Cürken zuerft in die Keramik einführen, ift be-
reits herrfcbend. So erzielt man eine ganz neue
koloriftifche Dominante, der fid) die einft vor-
hergehenden blauen perpfchen Grundakkorde
diskret unterordnen. Huch der bisherige ifla-

mifche Ornamentenfchah (Hrabeske, perpfd)e
Palmette und perpfches Fiederblatt) wird be-
reichert um die Aufnahme von Blumen der ein-
heimifchen kleinapatifchen Flora. In durchaus
ßächenhafter Stiliperung werden Nelken, Eya-
zinthen, Culpen, Rofen über die Fliefenwände
verftreut. Man glaubt, „in blumigen, endlofen
Geplden zu ftehen“. Über die fein abgewogenen
Farbenkompoptionen und die zum Lichte drän-
gende Richtung der Ornamente werden von
ÜJulzinger treffliche Beobachtungen mitgeteilt.
Hud) auf den kulturge[d)id)tlichen Eintergrund
diefes Blumenkultus, dem wir eine fo erfrifchende
Bereicherung und Verjüngung des iflamifchen
Ornamentes verdanken, wird auf Grund urkund-
licher Überlieferungen, die auch an anderen
Stellen den Cext fo außerordentlich beleben,
eingegangen. —
Die Cechnik der Ealbfayence ift perpfcher Eer-
kunft. Eier läßt fie fid) an Gefäßen bis ins
12. Jahrhundert zurückverfolgen. Hber weder
in Perpen, noch in Syrien, einem dritten 3entrum
der Ealbfayence, hat man die lebten und wir-
kungsvollen Konfequenzen aus diefer hervor-
ragenden Cechnik gezogen. Erft die Osmanen
haben die Ealbfayence mit der Architektur zu
einer nie wieder erreichten künftlerifchen Ear-
monie verfchmolzen. Hber die Blütezeit der
osmanifchen Kunft war nur eine kurze. Mit dem
Einneigen zu dem wefensfremden europäifchen
Barock trat in der Architektur wie aud) in der
Fiiefenkeramik der Verfall ein, den fchon damals
die Osmanen felbft fchmerzlid) empfunden haben.
Die Gruppe der türkifchen Gefchirre aus Ealb-
fayence, die zu den höchpen Leiftungen des
Kunftgewerbes überhaupt gehören, berührt HIul-
zinger nur ganz kurz, da der Eauptzweck feiner
Veröffentlichung der Fiiefenkeramik galt. Die
ünhaltbarkeit der Bezeichnung „Rhodosfayence“
für die türkifchen Ealbfayencen braucht hier
nicht mehr befonders erörtert zu werden. Isnik
(Nicäa), Kutähia, Demotikas ufw. waren 3entren
der Fliefen- und Gefd)irrfabrikation in Ealb-
fayence.
Der Verlagsanftalt F. Bruckmann gebührt Dank
und Bewunderung, daß fie es gewagt hat, in
einer fo beifpiellos kritifchen 3eit die kunft-
wiffenfchaftliche Literatur um ein derartig hoch-
ftehendes in pch gefd)loffenes Monumentalwerk,
das ficher bald und mit Recht gefuetjt und ver-
griffen fein dürfte, bereichert zu haben. Die
beim Studium diefes Cüerkes pch noch regenden
tüünfche, die auf eine Ergänzung hinzielen,
follen einmal ausgejprochen werden, wenn wieder
mit der Möglichkeit ihrer Verwirklichung ge-
rechnet werden kann. Freuen wir uns vielmehr
jetjt ohne Einfchränkung der dargebotenen koft-
baren Gabe! C. 3eh-

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