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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 24
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Schwabacher, Sascha: Moderne Bilder im Städel-Neubau
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#1143

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Moderne Bilder im Städel-Neubau

Mit fünf Abbildungen auf drei Tafeln

Von SASCHA SCHWABACHER

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ber die großartige Erweiterung und Umordnung des Frankfurter Städelfcßen


Kunftinftitutes habe ich nach der Einweißung des Anbaues im „Cicerone“ be-

richtetet. Inzwifcßen find die Beftände des alten Mufeums durch die wunder-
baren Leihgaben altdeutfcßer und altniederländifcßer Meifter aus dem ßiftorifdßen Mu-
feum aufs glücklicßfte ergänzt und bereichert worden. Die Säle der alten Meifter
bieten in ißrer jetzigen Aufmachung, klaren Gliederung und Überficßtlicßkeit ganz
neue, bedeutungsvolle Eindrücke.
Es kann aber heute leider nicht der Lockung nachgegeben werden, die geiftigen 3u~
fammenßänge aufzufpüren, die diefe ülerke mit denjenigen unferer 3eit verbinden.
(Uir muffen uns darauf befcßränken, die Räume der jüngeren und jüngften Kunft, die
im Neubau untergebracht find, zu durchwandern.
Das helle, große Fjaus mit den (Uerken aus den lebten zwei Jahrhunderten war
nicht leicht zu ordnen. Bilder von nur lokaler oder nur kulturßiftorifcßer Bedeutung
und die übergroße 3aßl von Arbeiten aus der Gründungszeit des Städelfcßen Kunft-
inftitutes mußten, oßne ermüdend und ftörend zu wirken, aufgehängt werden. Diefe
Schwierigkeiten find feßr klug und taktvoll überwunden worden. Man hat auf eine
3ufammenfaffung des Verwandten ßingeftrebt, ohne die fonft übliche, pedantifcße Ein-
ordnung nach rein ßiftorifcßen Geficßtspunkten und gerade durch diefe Freißeitlicßkeit
ficßtbar gemacht, wie vielfältig fiel) die Linien der Entwicklung überfcßneiden und
durchkreuzen, wie oft die fpäteren Formanfcßauungen vorausgenommen, von der Kon-
vention der 3ßit dann überdeckt, von einem jüngeren Stil wieder gepflegt wurden,
und wie die ftärkften ÜJerke den 3wang der Schule fprengen und fiel) im Ewigen
begegnen.
Als Dominante der Bilderfäle im Neubau erfeßeint der lichtvolle Raum mit den Fran-
zofen, voran die Impreffioniften. In diefem Saal ftrömen nebeneinander „Die
Croquetpartie“ Manets, Renoirs zärtlich zauberhaftes „Früßftück“ und „Lefendes Mäd-
chen“, Degas befeßwingte, aus feßwarzen Farbtönen des Vordergrundes auffteigende
Licßtvifion der Cänzerinnen und das „Dejeuner“ Monets mit feiner wunderbar feinen
Conmalerei ißre flutenden Farbwellen aus. Courbets „ÜJoge“ drängt auf kleiner Lein-
wand die ganze Fülle und Kraft des bewegten Meeres zufammen. Die Bilder deutfeßer,
fogar Frankfurter Meifter find mit Küßnßeit und Erfolg unter die großen Franzofen
geßängt worden. Ein füllig, faftig ftrobendes Frauenporträt Viktor Müllers und ein
duftiges tUaldftück von Louis Eyfen könnten Flerke franzöfifeßer Künftler fein. Crübners
paftellfarbiges „Bildnis einer Dame“ feßeint feßwebend die Mitte zwifeßen Degas und
Renoir zu halten. Otto Scßolderers „Geiger am Fenfter“ wirkt wie der Auftakt zur
Pleinairmalerei. Es liegt eine weite Entwicklungsfpanne zwifeßen diefem Bild und dem
Porträt des „Dr. Gacßet“ von van Gogh, das neuerdings einen guten Plab in diefem
Saal gefunden hat. Das (Uerk nimmt den Reichtum an malerifcßen Mitteln feßon als
Vorausfebung feiner leidenfcßaftlicß fubjektiven Ausdruckskraft. In feinem farbig orna-
mentalen Gewoge, dem ftürmifeße Empfindung den Rßytßmus gibt, ift der Expreffio-
nismus bereits vollzogen. Kokofcßka verneint in feinem Bildnis des „Dr. Scßwarz-
wald“ das Refultat der feßönen Malerei, um die nervöfe Unruhe, die Raftlofigkeit feines
Kopfes, zu packen.
Geheimnisvolle 3ufammenßänge der künftlerifcßen Anfcßauung werden vor einem
Früßbild Jodlers im deutfeßen Saale wach, das in feiner prägnanten Formung an die
Malerbildßauer des Quattrocento erinnert und zugleich etwas von dem preziöfen Reiz
Picaffofcßer Fjaltung hat. In diefem Ulerk, wie in dem noeß impreffioniftifcß gemalten

Der Cicerone, XV. Jahrg., ßeft 24

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