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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 15.1923

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Heft 24
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Die Zeit und der Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.39945#1181

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Sammlungen

oft gearbeitet wird. Nachdem das Reftaurieren
längft aus dem verwegenen Stadium des Äus-
befferns, ja „Beffermachens“ i)erausgetreten ift,
um allmählich eine C£Ii IJenfc±)aft und Kunft
bloßer Erhaltung oder der Freilegung vom ün-
rat fpäterer, fd)lechterer 3eiten, fozufagen ein
mühevolles Äusgraben des Originals zu werden,
follte die kunftwiffenfchaftlidje Öffentlichkeit
größeren Anteil an diefen Vorgängen nehmen.
Einmal zur allgemeinen Kontrolle des Reßau-
rators durch des Fjiftorikers Kenntnis der Stil-
elemente (z. B. feftzuftellen, ob nicht etwa zu-
viel abgehoben wurde). 3weitens, um dem
Reftaurator bei glücklicher Enthüllung gebüh-
renden Dank abzutragen. Drittens, um an den
Fjochfdjulen in einzurichtenden Kurfen die Sub-
ftanzkunde, die ein erfahrener Reftaurator be-
ßfjt, nufebar zu machen fürs Studium werdender
Kunfthiftoriker, die oft dem Cechnifchen alter
wie neuer Malprozeffe gegenüber hilflos bleiben,
was fich bei Beurteilung von Erhaltungszu-
ftänden dann herauszuftellen pflegt.
Profeffor Kinkelin hat ßch in anderthalb
Jahren ftändiger Arbeit das Verdienft erworben,
einen der wichtigften fpäten Rubens der Pina-
kothek freizulegen, das Bildnis der fixenden
„Helene Fourment mit ihrem nackten
Söhnlein“ (etwa 1638). Noch bei Lebzeiten
des Rubens fetße das allgemeine Streben ein,
der gedrängten Fülle feines Komponierens mehr
Abklang nach den Rändern hin zu geben, wes-
halb man zu den bekannten Anftückungen fchritt.
Gerade die Pinakothek ift reich an Beispielen
hierfür. Erinnert fei nur an Volls und Olden-
bourgs 3erlegung des kleinen „Jüngften Ge-
richtes“ (Jahrbuch d. pr. K. 1915) und an meinen
Nachweis (Münchner Jahrbuch 1916/17), daß vom
„Höllenfturz“ unten etwa x/2 m, die eigentliche
Hölle von anderer Fjaad angeftückt ift. So
hatte auch die Fourment Anftückung, besonders
nach den Seiten und nach obenhin erfahren, die
Kinkelin nun abzufägen Mut hatte. Fjaupt-
leiftung war aber das Bloßlegen der gefamten
alten überdeckten Malerei. Nachdem Rubens
felber aus dem bloßen Knieftück, das er zuerft
gegeben, ein Ganzfigurenbild gemacht hatte,
war wohl noch im 17. Jahrhundert, nachdem
das Bild einer Verderbnis ausgefetjt gewefen,
ein „Ausbefferer“ darüber gekommen. Eine
zweite Übermalung im 18. Jahrhundert hatte
dann grobe Überdeckung, ja dreifte Umformung
des Gegenftändlichen gebracht. Klir beßfeen
eine große Kopie diefes 3uftandes, die man bei
einer Vorbeßchtigung mit dem Originale ver-
gleichen konnte. Da Dörnhöffer im Münchner
Jahrbuch mit Abbildungen ausführlich über die
Etappen der Rückverwandlung zu berichten
gedenkt, fei hier nur das Ergebnis — ein Ver-
dienft Kinkelins — zufammengefaßt: Des Kindes
Oberkörper iß nun wieder rubenßfd) in unge-
mildertem Kontrapoft gegeben, fein Locken-

anhang ift gekappt, ein grobes Rockmufter ge-
fchwunden, die Kopfbedeckungen verwandelt,
eine zweite, kleinteilig machende Säule, das
Fjervorftehen des Frauenfußes getilgt, die Land-
fchaft verändert, das Euch links auf dem Seffel
wieder in freier Bewegung, alles Inkarnat in
lichterem Schein. Das Ganze ift nach Farbe
und Form völlig verwandelt. Die mufßge be-
legte Stimme klingt wieder rein. Locker und
blühend in blonder, unendlich geßufter Heiter-
keit leuchtet wieder der originale Farbakkord
des Rubens. Roh-
Die neue Galerie des Provinzial-
Mufeums in Hannover
Hannover befit^t in feinem Provinzialmufeum
eine Sammlung, die beffer iß, als ihr Ruf bisher
war. Dies zeigte ßch bei der am 1. Juli ftatt-
gefundenen Ceileröffnung der neuen Galerie
diefes Mufeums.
Schon feit Jahren beftand die Abficht, die
reichen und wertvollen Sammlungen neu zu
ordnen und aufzuftellen, jedoch fcheiterten die
Pläne immer von neuem an den widrigen Beßtj-
verhältniffen innerhalb des Mufeums und dem
Mangel an Initiative. Nachdem nun Alex. Dorner
die Leitung derKunftabteilung übernommen hatte,
wurden alle Verhandlungen in diefer Richtung
mit Nachdruck glücklich zu Ende geführt, dem
Geldmangel wurde durch die Gewinnung opfer-
williger Spender abgeholfen und jetjt iß man
daran, die Sammlungen nach allen Seiten \)\n
auszubauen, zu ordnen und abzurunden.
Die reichhaltigen Gemäldefammlungen des Ge-
famthaufes Braunfchweig-Lüneburg, der Provinz
Hannover und des Vereins für öffentliche Kunft-
pßege, die in demMufeum vereinigt find, krankten
alle an demMangel, daß ihreBeftände zufammen-
genommen wohl ein gutes Bild der Entwicklung
der Malerei vomMittelalter bis ins 19.Jahrhundert
gaben, der Kunft unferer Lage aber hatte man
bisher noch kein Afyl gewährt. Es war die erfte
und bis jeljt verdienftvollfte Leiftung des neuen
Leiters, daß er es fertig brachte, die klaffende
Lücke auf das Befte zu fdjließen. Im Austaufd)
mit den ftädtifchen Mufeen wurde die Gemälde-
fammlung der Stadt Hannover ins Provinzial-
Mufeum gebracht, durch Neuerwerbungen und
Leihgaben vervollftändigt.
In den neueröffneten Sälen repräfentiert fich
die Malerei der letzten Jahrzehnte des 19. Jahr-
hunderts und die unferer Gage. Öler nur die
alten Säle des Provinzial-Mufeums kannte, wird
erftaunt fein über die Veränderung, die hier vor
ßch gegangen ift. Von dem Alten ift nichts mehr
übrig geblieben. Auf fatten, kräftigen Farben,
blau, gelb, rot und grün hängen die Bilder in
weiten Abftänden, jede übermäße Belaftung der
CQand vermeidend, in einer Reihe; entwicklungs-
gefchichtlicl) beginnend mit einem quadratifchen
Saale in tiefem Blau, der Grübner, Choma, Leibi

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