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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Juli bis Dezember)

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Nr. 177 - 202 (1. August 1903 - 31. August 1903)
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D»rch M Wß

'WM, ----- -—...—-- —--——----------— - -—-—-------—---—-—---

U»sch«t»t tLilich, SoimtagS «u»srnom«lt», Preir mit FamiürRblätter« monatlich S6 Pfg. in'» Hauk Zebracht, bei der Expedition und den Zweigstationen abgeholt 40 Pfg.

bezogeu vierteljährlich 1.3b Mk. ausschließlich Zustellgebühr.

>»»«it«»prei»: 20 Psg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Aaum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Gcschäfts« und Privatanzeigen ermäßigt. — Wr die Aufnahme
«» drstimmten Tagen wird keine Verantwortlichkeit ülrrnommen. — Ansch'ag der Jnieratc auf den Plarattafelu der Heidelbrrgsr Zettung und dcn städtischen Anschlagstellen. Fernsprecher

terliegen dem Zwange der Verhältnisse. Jst doch die
Gegenwart in Deutschland der Entwicklung von Indivi-
dualitäten ohnehin nicht günstig.

Man kennt, wie es scheint, oben die Stimmung in
unseren aktiven Offizierkorps recht schlecht, Lesonders dis
gedrückte, fatalistische, ergebene Stimmung nnserer Haupt-
leute, auf Ä-eren eifrigsr, freudiger, Hingebender Tätigkeit
sich Manneszucht und Ausbildung des Heeres in aller-
erster Linie gründen. Die ruhslose und rastlose Art un-
seres Dienstbetriebes ist nicht immer zugleich eine zielbe-
lvußte; ein sieberhaftes Arbeiten um die.materielle Exi-
stenz sollte nicht mit Dienstfreudigkeit gleichgestellt
werden. Es muß einmal geradezu herausgesagt werden:
nmn lebt hentzutage im Heere bon der Hand in den Mund,
man arbeitet von einer Besichtigung-zur nächsten, und
man arbeitet beinahe ausschließlich fur die Besich-
tigung. Zugleich aber werden der Wettbewerb und
der Ehrgeiz auf eine ungesunde Höhe geschraubt — auch
Preise und Auszeichnungen aller Art, die das Heer früher
in diesem Maße nicht kannte, das Heer, welches 66 und
70 geschlagen hat, wirken in gleichem Sinne —, da nicht
sowohl die absoluten als die relativen Leistungen über
die fernere Laufbahn entscheiden. Die Laufbahn des Un-
teroffiziers ist tatsächlich viel sicherer als die des Offiziers.

Das sind Verhältnisse, die den Offiziersmangel ver-
nrsachen: ihre Aenderung würde aus einer größercn
Sicherheit der Existenz von splbst hervorgehen: Hier liegt
allein 'der Grund alles Uebels.

Die HmldertjKhrfeier der Stadt Wismar.

W i s m a r (Mecklenburg), 18. Aug. Das am hen-
tigen Aachmittage am Vorabend der Hundertjahrfeier der
Vereinigung mit Mecklenburg-Schworin, ausgegebcne Rc-
gierungsblatt v e r ö f f e n t l i ch t den mit S ch wede n
abgeschlossenen S t a a t s v e r t r a g, durch den Schwe-
den alle Ansprüche auf das früher von ihm verpfändete
Wismar a u f g i b t.

Wisma r, 19. August. Anläßlich der Hunder t-
jahrfeier ist die Stadt festlich gefchmückt, besonders
der Vahnhof und der Marktplatz machen eineu imposan-
ten Eindruck. Das Fest wurde gesteru Abend durch eine
Jllumination 'der Stadt und einen Fackelzug eingeleitet,
der heutige Tag begaim init einer Reveille.

W i s m a r, 19. August. Zu dem heutigen F e st tage
traf bald nach 10 Uhr vormittags der Großherzog ,
ein, begleitet vom Prinzgemahl Heinrich dsr Niederlande
und den anderen Mitgliedern der großherzoglichen Fa-
milie. Auf dem Bahnhof vom zweiten Bürgermeister
Krüll bsgrüßt, schritten sie darauf die Front der Ehren-
kompanis ab. Alsdvnn ritten der Großherzog und die
Lbrigen Herzöge unter Glockengeläute durch das von den
Vereinen und den Schulen gebildete Spalier in feierlichem
Zuge durch die Stadt nach dem Rathause, wo der
erste Bürgermeister Jörges den Großherzog in einer
längeren Ansprache begrüßte. Redner gedachte darin der
Vergangenheit und- sprach den Dank der Stadt aus für

die endgültige Wiedervereinigung mit dem mecklenbur-
gischen Hause. Er schloß mit einem Hoch auf den Groß-
herzog und das großherzogl'iche Haus. , Der Großherzog
dankte in längerer Ansprache für das Gelöbnis der Treue
und sprach die Hoffnung aus, daß Wismar auch in Zu-
kunst emporblühen und das Kleinod seines Hauses sein
werde. Hierauf bewegte sich der feierliche Zug nach der
St. Georgkirche, wo ein G o t t e s d i e n st stattfaud.

V Wismnr, 19. Ailgnst. Beim Festmahl im Audienz-
saale des Rathauses hielt der 2. Bürgermeister Krull
eine Rsde, in der er besonders die Treue betonte, 'die die
Wismaraner in guten und bösen Tagen bewahrt hätten
und die sie auch weiterhin betätigen würden. Redner
sprach dem Großherzog den Dauk der Stadt aus für seine
Bestrebungen für die Wiedervereinigung von Stadt und
Amt Wismar mit Mecklenburg und schloß mit einem Hoch
auf den Großherzog und das mecklenburgische Fürsten-
haus. Der Großherzog dankte in seiner Erwiderung für
das ihm dargebrachte Gelöbnis der Lreue imd brachte
ein Telegramm des Königs von SchweLen zur Kenntnis„
in dem dieser ihm seinen Gruß entbiete und sage, hie
Treue Wismars auch in schwerer Zeit sei stn dankbarer
Erinnerung bei dem schwedischen Volke geblieben. Der
König bitte den Großherzog, den Wismaranern seineir
wärmsten Dank zu übermitteln und seine Wünsche für
das Weiterg-edeihen der Stadt. Der Großherzog trank
aus den Magistrat und- die Bürgerschaft Wismars. Um.

j 6 Uhr llegab sich der Großherzog zur Einweihung eines,

s Denksteins nach dem Festplatz.

^ V Wismar, 19. Angiist. Aus dem Festplatz hielt -Ss-
nator Witte die Weiherede für den vom -Großherzog ge-
stifteten Gedenkstein, der den Namen Schw-edenstsin er-
hielt nnd- ein Erinneriliigszeicheii an die 150jährige
Zugehörigteit der Stadt Wismar zu Schweden und an die
hentige Feier sein soll. Uni 8sh. Uhr ersolgte die Abreise
des Großherzogs und 'der Fürstli-chkeiten nach Schwerin..

T-euifches Neich.

— Die Notruse der Einzelstaaten nach einer „g r o ß-
zügigen F i n a n z r e f o r m" lassen sich immer von
Neuem und nachhaltiger vernehmen. Diesmal ertönt der
Ruf nach dieser Reform in verstärktem Grade Zusrst aus
Sachsen, wo man voraussieht, daß d-ie Mehrbeträge der
Spannung zwischen den Ueberweisungssteuern des Reiches
imd der Matrikiilarbeiträge Sachsens sich auf über 3 Mil-
lionen Ntark belaufen werden. Jn ähnlichem Werhältnisse
steht das Mehr der Matriknlarbeiträge auch der übrigen
Bundesstaaten, wodurch deren Finanzwirtschaft aus das
empfmdlichste berührt wird. Die HNangriffnahme der
Reichsfinanzreform, zu welcher schon mehrmals der gute
Wille —' wenigstens seitens der Reichsregrerung — vor-
handen war, läßt sich nicht mehr auf die lange Bank schie-
ben und es wird dem neuen Reichstag vorbehalten sein,
diese Aufgabe, welche durch das 'Verhalten des Zentrums
zu einem der schwlerigsten Finanzprobleme sich ge'staltet,.
zu löseu.

Woher stammt der Offiziermangel?

Tas „Berliner Tageblatt" bringt eiiien Aufsatz mit
^achfolgenden tressenden Ausführungen über die Frage,
"^oher der Osfiziersmangel stammt:

. „Heute ist der arme Offizier eine verlorene Existenz,
^iuie er verabschiedet wird, imd davor ist auch der Tüch-
"gste keinen Tag sicher", klagt eine küiiservative Zeitung
trifft damit d-en Nagel auf den Kopf. Zkur die hohen
'OHlitärbehörden, wenigstens die entscheidenden Stellen,
^rschließen sich den Zeichen der Zeit imd bleibeil auf den
?Üen Irrwegen. Sie vermeinen, daß es nur auf die Zu-
ll'iedenheit d'er im Dienst befindlichen Offiziere ankomme,
^hd glauben diese zn erhalten, indem sie dem einen Teil
sju rascheres Vormärtskommen dadurch ermöglichen, daß
den anderen größeren Teil erbarmui>igslos über Bord
u>erfen. So komnit es denn, daß im fünfzigsten
ehensjahre schon 60 P r o z e n t de r n o ch
^ b e n d e n verabschiedet sind, zum großen Teil
^Uie das Ruhegchalt d-es Stabsoffiziers zu erreichen.
I-as drapiert man alsdann mit dem wohlklingmden
chhmen „Verjüngimg des Offizierskorps", eine Ber-
sUrigung, die kein anderes der großen festländischeii Heere
ähnlichem Maße für erforderlich hält. Und dabci
Eonnten jene diesen Grundsatz ohne imsere Härten doch
^it ehcr vertreten, weil sie im Verhältnis zu 'der Zahl
Leutnants eine größere Zahl hö-hercr Stellen haben.
^uf die Stimmung der Verabschiedeten glaubt man ja
!'Uii bei ims keine Rücksicht nehmen zu dürfen; man hält
Unziifriedenheit für nngefährlich; niöglicherweise
Ülaubt inan auch mit den moralischen Zwangsmaßregeln,
^ man ihnen gegenüber in Bereitschaft hat, allzu kühne
ckeußorimgen unterdrücken zu können. Als ob das Heer
jucht auch geschädigt wiirde, wenn ein beträchtlicher Teil
^r -alten Offiziere seine Söhne cmderen Laufbahnen
^uführt und in seinem Kreise vor dem unsicheren Wege
veZ Qsfiziers andere Väter nach Kräften warnt. Die
^einung ist weit verbreitet, daß nur reiche oder iniiidestens
^ohlhabende Leute ihre Söhne den Offiziersberuf wählen
chsen dürften, ohne leichtfsrtig zu handeln; der arme
Aiisse sich wenigstens zugleich den Spruch als Leitmotiv
^ahlen: „Jch hab' meine Sache auf nichts gestellt."

^ Unü darin liegt cs denn auch, daß selbst den aktiven
H.stlzieren gegenüber der gewünschte Erfolg disser „Ver-
Ihngung" ausbleiben muß. 'Auch sie sehen täglich
^U 'd- st ü n d I i ch das D a NI o k I e s s ch w e r t der
Ae r a b s ch i e d u n g über ihrem Haupte schweben,
Rhlen sich in ihrer Stellung und Laufbahn unaufhörlich
^droht, auch sie müssen jeden Abend- das Stoßgebet gen
Hiiiiniel senden: „H e r r G o t t, gib n u r, daß
shorgen nichts p a s s i e r t." Damit acher inüssen
ue allen unseren schönen Grundsätzen zum Trotz, die die
^rziehung zur Werantwortlichkeit und Selbständigkeit
hredigen: müssen sie ängstli-ch, u n s i ch e r, nach
° benblickend, müssen sie u n f r e i e C h a r a k t e r e
^rden. Das Leben entschei'det darüber, und nicht die
^hre. Selbst die aöligstM und tüchtigsten Männer un-

Kleine Zeitnng.

— Mninz, 19. August. Der vor 6 Jahren wegen
^ustmordes in Darmstadt zum Tode verurteilte Deserteur
-^eygand, Lem es nach seiner Verhaftung gelungen
^ar, ans dem Tarmstädter Gefängnis zu entfliehen, ist
Ürstern in SNainz e r g r i s s e n nnd verhaftet
^orden.

— Schöneüeck a. E., 11. August. (E r I e b t n o ch . . .)
^er Verleger des hiesigcn „Tageblattes" hatte sich einige
^age zn seinem 'Vergnügen zur Städteausstellung nach
-i-resd-en begeben. Die Schönebecker, die sehr „weitsichtig"
^u sein scheinen, sagtcn den in 'Vergnügen schwelgenden
^erleger gleich tot. Nun liest nian im „Schönebecker
^ageblatt": „Schönebeck, den 9. August 1903. Dementi.
^on einem Ausfluge nach der Dresdener Städte-Ausstel-
mng munter zurückgekehrt, empfing ich hier von allen
^eiten die Nachricht von meinem Tode. Jch bin nun
^U der angenohmen Lage des „alten Wrangel" und „de-
^Uentiere mir selber", habe auch nichts dagegm, wenn
^as Volkswort sich an mir Lewährt, wonach Totgesagte
>wch recht lange leben, un'd- hosfe deshalb, so alt zu werden,
drie der alte Wrangel. Karl Hirschfelder."

— Niagnrn-Falt, 19. Aug. Bei einein Versnch die
Ttroinschnellen h i n a b z u s ch w i m m e n , ist, wie die
--Frankf. Ztg." meldet, der Schwimmkünstler Gleni-
ick er verungIückt. Glenister wurd-e von den Sturz-
diogen gegen die Felsen geschleüdert un'd blutbedeckt aus
öein Wasser gezogen. Er liegt jetzt im Hofpital im De-

lirium. An derselben Stelle im Niagara ist s.. Zt. der be-
rühmte Schivimmer Kapitän Webb ertrunken.

— Ein flüchtiger Hochstnplcr. Jn B a d en - Baden
hat, wie der Wiener Polizeidirektion berichtet wird, ein
etwa 26jähriger Mann, welcher sich „Baron Felsööry"
uannte, in den letzten Wochen bedeutende Betrügereien
verübt und- ist Ende der vorigen Woche von dort flüchtig
geworden. — Wie nun gemeldet wird, ist der ungarische
„Baron" in einem Münchener Restaurant ergriffen
worden. Et gab an, aus Raab gebürtig, Bildhauer von
Beruf und in Bonn wegen Betrugs schon mit eiuer
Gefängnisstrafe von zwei -Jahren bestraft zu sein. Jn
München mietete er, indem er sich für den 'Freund eines
bekannten ungarischen Magnaten ausgab, eine Wohnung
für 20 000 Mark und einen Pferdestall für 16 000 Mk.
Als Zahlung gab er einen auf 26 000 Mk. lautenden
Scheck auf die „Oesterreichisch-Ungarische Bank" in Ber-
kin, der sich aks gesälscht erwies. Tags darauf Verschwand
der Hochstapler unter Hinterlasstmg seiner Zech- und
Wohnungss-chuld. Ein noch später eingetroffener, mit
60 000 Mk. deklarierter Wertbrief, der den Aufgabe-
stempel München trug, rührt jedenfalls von dem „Baron"
selbst her.

— Um dic Pelikane vor dcr Ansrottimg zu schützen, hat

die amerlkanische Regierung jetzt die im Jndian-River
vor der Küste von Florid-a gelegene Pelikan-Insel gekauft,
die als hauptsächlichster Brutherd dieser Vogelart gilt.
Bisher hatten Raubjäger dort freie Hand, mm aber steht
die Inscl imter Nnfsicht eines Wildwächtcrs, der nieman-

dem ohne schriftliche Erlaubnis vom Ackerbau-Sekretär
zu landen gestattet. Dis ZahlHer Vögel ist bereits sehr
zusammengeschrumpft. Es nisten auf.der Insel zur Zeit
schätzungsweise 2800.

— Eime Statistik. dcr weißen Kohle. Die 'Wasserfälle,-
'die jetzt mehr und mehr zur Erzeugung von Arbeitskraft
benutzt werdeii, haben in der Technik den hübschen Spitz-
namen der „weißen Kohle" erhalten. Jhre Berwertung.
ist ver'hältnismätzig noch immer gering, wie eine kürzli-ch
veröffentlichte Statistik lehrt. Jn Deutschland und Oester-
reich zusamineiigenonimen werden - erst 180 000 Pferde-
stärken aus fließeiidem Wasser gewoimen, in dcr Schweiz
160 000, in Schweden 200 000 und in den Vereinigten
Staaten 400 000. Die gesamte zu öiesem Zweck nutzbare
Naturkraft wird d-agcgen in Schweden allein auf zwei
Millioiien Pferdestärken geschätzt, in Frankreich auf 10
Millionen, ebensoviel etwa für Deutschland, Oesterreich,,
Schweiz und Jtalien zusammen, während die Niagara-
fälle in den Vereinigten Staaten allein 10 Millionen
Pferdestärken zu liefern imstande wären.

— Knnsperchen heißen jetzt, wie wir kürzlich mitteilten„
die Cakes der Bielefelder Fadrik mit ihrem amtlichen,,
preisgekrönten deutschen Namen. Vielleicht findet mancher
auch diefen aus Tausenden auserkorenen Namen minder
geschmackvoll als die Ware selbst, aber diese Kritiker sinb
schließlich wohl bereit, ihm zuzüstimmen, wenn sie hören,
was alles für ungeheiierliche Bezeichnungen die Cakes
hätten bekommen können, wenn die Preisrichter bei an-
'd-erer Laune gewesen wären. Einer aus dem Preisgerichts--
 
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