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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Pecht, Friedrich: Anton von Werner und das Jahr 1870
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https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0255

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von Fr. j?echt

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malerischen Reiz. Zo wenig die Renaissance eine Geschichtsschreibnng in unserem Sinne kennt, so wenig gibt
sie auch eine solche Historienmalerei. Hier bleibt sie dnrchans aus der Oberfläche der Dinge; man denke nur
z. B. an den Alexander und Parmenion des Paul Beronese, die zwei Schneidern ähnlicher sehen alS Welt-
eroberern; ja wie leicht hat sich es selbst Rafael in seiner KonstantinSfchlacht mit diesem und Maxentius gemacht.
Und doch gibt er hier wie in sämtlichen Stanzen nur Römer, also seine Landsleute, die er gewis; besser ver
stand, als wir. Denn daß man wie wir den Mut haben könnte, Pharaonen schildern zu wollen, das
siel jenen Alten nberhaupt nicht ein. Eine genanere psychologische Entwicklung historischer Charaktere gibt selbst
nnler den Neueren erst Delaroche, dieser allerdings einigemale vortrefslich, wo er Franzosen schildert. Hier
aber hat Werner noch den
großen Vorteil vor ihm vor-
aus, daß er die handclnden
Personen alle persönlich, teil-
weise sogar genau gekannt hat.
Man wird sich also, wie den
Menzel'schen Bildern, so anch
diesem gegennber doch zuzw
geben entschließen mnssen, daß
die moderne Kunst hier eben
doch ein Gebiet erobert hat,
in welchem die alte noch recht
wenig leistere, so wunderbar
sie auch einzelne historische Por-
trütfiguren gab. —
Wie Moltke aus dem eben
beschriebenen Bild ein Meister-
stück ersten Ranges bleibt, das
alle anderen Fignren deSselben
verblassen läßt, so ist es Bis-
marck aus dem zweiten, wo er,
am Morgen des 2. Sept. 1870
zum ,Laiser Napoleon reitend,
von diesem, der sich bereits er-
geben, mitten auf der Land-
straße zwischen Donchery und
Sedan erwarret wird. —Anch
hier siehr man an den abge-
rissenen Ästen und geknickten
Bänmen, an den hernmliegen-
den Armaturstücken, daß wir
uns anf einem Schlachtselde
besinden. -— Daß daS ein Heros
isr, der sür die ihn in der Ferne
wartenden Franzosen die Ne-
mesis in Person darstellt, das
braucht inan einem da ebensv
wenig zu sagen, als bei Mvltke.
Der eiserne Kanzler ist nie Aus A. v. werners Skizzenbuch
besser geschildert worden in
seinem ganzen physisch wie geistig gleich überwältigenden Wesen! Und doch sieht man ihn nur vom verlornen
Profil! Aber welche nnerschütterliche Festigkeit, welcher nnzähmbare Mut sprechen aus diesem Kops, aus dieser
Körperhaltung, dem ganzen hünenhaften Wesen! Wenn man einen modernen Helden sehen will, so braucht
man hier wenigstens gewiß keinen Erklärer, um zu wissen, wer es sei. Der Kaiser Napoleon wie die wiedernm
vortresflich gegebenen sranzösischen Ofsiziere seiner Begleitung sind gerade gut genug, um Bismarcks Überlegen-
heit recht sühlbar zn machen, bei dessen Anblick man unwillkürlich an Dürers berühmtes Blatt vom Ritter,
Tod und Teufel denkt, da er diesen ebenso unbekümmert entgegenreiter.
Seit Menzel ist unstreitig kein Künstler mehr dagewesen, der wie Werner den Mur und die Fähig-
keit gehabt hätte, Dinge nnd Menschen von ungehenrer Wichtigkeit mit solch unbedingter Wahrheit und zugleich
solcliem Versiändnis ihrer Bedentnng zn schildern. Man ichwörr sosort daraus, daß die Szene gerade so aus-
 
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