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Die Kunst-Halle — 10.1905

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Nummer 1 (1. Oktober 1904)
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Rapsilber, Maximilian: Der Kultus des Kindes und die Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.66262#0009

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Berlin, 1. Oktober 1904.

44.40 . Jahrgang

Zeitschrift für Kunst und Kunstgewerbe.

Organ für die Intereſſen aller Bildenden Künſtler.

Herausgeber: prof. Dr. Georg Galland, Charlottenburg.
Telephon Amt Charlottenburg, No. 1083.

Erscheint am 1. und 15. des Monats. Abonnement = m di
. ; L pro Quartal 2 mk. = 2 Kr. 40 Hr. (bei direkt
Zusendung 2,30 mk. = 2 Kr. 80 hr.) bei allen Buchhandlungen und bostämtern. ee
Do. 4456.) Einzelnummer 40 Pf. = 50 hr.

Insertionspreis für die dreſgespaltene Bonpareillezeile 20 bf. = 25 hr.

Verlag von J. Harrwitz Dächfolger, 6. m. b. h., Berlin SW. as, Friedrichſtraße 16.

Inhalt: Der Kultus des Kindes und die Kunſt. Don M. Rapſilber. —
Sum Aunſtſchutz⸗Geſetz. Don Paul Hennig. — Wien: Die Sommer⸗-Ausſtellung
des „Nagenbundes“. Von Paul Wilhelm. — Ausſtellung des „Deutſchen
Hünſtlerbundes“ in München (II). Von Georg Jacob Wolf. — Große Berliner
Kunſtausſtellung 1004 (VI). Von M. Rapfilber. — Unſere Abbildung:
Strandſtudie aus Gſtende. Nach einem Aquarell von Hermann Prell.

Notizentheil.

Der Kultus des Kindes und die Kunst.

16 Lie neueſte Blüthe der Kultur iſt der Kultus des Kindes. Wie es
/ eigentlich kam, weiß wohl Niemand genau nachzuweiſen, aber
plwötzlich geſchah es, daß das Kind auf dem Piedeſtal der An-
betung erhöht daſtand. Man rüttelte an den Pforten, die bislang das
ſonnig ſtille Kinderparadies vor der großen Welt abſchloſſen, man brach
in den Garten der Jugend ein, mit einen Ruf wie Feuerlärm: Rettet
das Kind! Die plötzliche Kindesbegeiſterung hat etwas ſehr Beängſtigen-
des, weil gar zu viele an dem Problem herumzerren. Die Vielzuvielen,
die nie etwas Rechtes zu thun haben, die nun aber die Eifrigſten ſind,
die arme Kinderſeele mit Hebeln und mit Sangen zu unerhörten und
großen Dingen zu drillen. Es iſt eben Mode geworden, daß die Aller-
weltsverbeſſerer zur ſogenannten Rettung und Beglückung des Kindes
mitzuwirken, mitzureden und beſonders mitzuſchreien ſich gedrungen fühlen.
Das geht, ſolange eine Mode reizt und den Tic der Neuheit hat, beim
nächſten Schlagwort wird das Kind mit dem Bade ausgeſchüttet
und das ſchöne Jugendparadies liegt verwüſtet da. Ja wohl, es hat faſt
den Anſchein, als ob das der Schlußeffekt der lodernden Begeiſterung
werden ſolle. Naum drei Jahre währt die Bewegung der Kunſterziehung
und ſchon glauben Pädagogen, Eltern und Künſtler wie vor einer Mode-
peſt warnen und ein neues Schlagwort prägen zu müſſen: Schützet das
Kind! In der That, ein unberechenbares Unheil dürfte ſich anſpinnen,
wenn die Bewegung übertrieben und überſtürzt, wenn der gute Kern
 
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