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Die Kunst-Halle — 10.1905

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Nummer 10 (15. Februar 1905)
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Münchner Kunst 1870-1880
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Berliner Kunstschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.66262#0178

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Hleinbürgerlichkeit und in engherzigem Lokalpatriotismus be-
fangen. —

Es fehlt freilich mancher in dieſer Kollektion, den man
nur ſchmerzlich vermißt. Da iſt beſonders Viktor Müller, der
glänzende Koloriſt, den man gern ſehen möchte und doch nicht
ſieht, da iſt ferner der Kreis jener, die ſich um Hans Thoma
zu Anfang der ꝛoer Jahre ſammelten: Scholderer, Karl Haider,
Eyſen, Sattler und Steinhauſen gar nicht vertreten, auch Thoma
ſelber, der doch für das Münchner Aunſtleben jener Seit eine
intereſſante und befruchtende Perſönlichkeit war, fehlt, auch
Hans von Marées und ebenſo Stäbli und Piglhein, welch
letzterer freilich erſt zu Ende dieſes Seitraums hervortrat,
aber deſſen Werke als Ueberleitung zur modernen Münchner
Malerei von einſchneidender Bedeutung ſind. Nun wir wollen
unſere Wünſche nicht allzu hoch ſpannen; iſt doch auch das,
was wir hier ſehen, von Reiz und Intereſſe. Diele, deren
Name es nicht zur Gallerieunſterblichkeit gebracht hat, finden


uns dieſer ſpäten Bekanntſchaft, die uns ein Stück bisher ver-
borgener Schönheit vermittelt, ganz beſonders.

Ich kann hier nicht jedes einzelne Bild beſprechen. Ich
kann nur in großen Umriſſen zeichnen, wie ſich auf Grund
dieſer Ausſtellung die Münchner Malerei des Jahrzehntes
1870 — 1880 ungefähr darſtellt. In Porträt und Genre,
das das Bäuerliche bevorzugt, iſt Wilhelm Leibl der Führer,
ihm folgen viele, deren Name und Werk heute halb verſchollen
iſt: Theodor Alt, Rudolf Hirth du Frenes, Eduard Kurzbauer,
Duveneck, Gabriel Schachinger (beſonders in dem Zelbſt-
porträt), wohl auch Joſef Weiſer in ſeinen Porträts, Ernſt
Zimmermann in ſeiner Tiſchgeſellſchaft (wenn ich nicht irre,
Mitglieder der Allotria) und zuletzt Harburger, der in einer
heute von ihm längſt vergeſſenen Technik eine ungemein ſach-
lich gemalte weitläufige Bauernſtube aus Staffluch am Brenner
mit ihren verſchiedenen Inſaſſen vorführt. Neben Leibl tritt
beſonders die Lierſchule hervor. Adolf Lier, dieſer feine, hell-
äugige Landſchafter, war ein entſchiedener Neuerer. Das Rott-
mann'ſche Atelierlicht verſchwindet aus ſeinen Landſchaften,
er zieht hinaus in Gottes weite Natur, er malt, was ihm in
den Weg kommt, voll heller Freude, Licht und Luft auf ſeiner
Leinwand einzufangen. Auch Eduard und Bobert Schleich,
Joſef Wenglein, Adolf Eberle und Joſef Wopfner, der auch
dortmals ſchon mit Vorliebe zum Chiemſee pilgerte, aber noch
nicht mit ſpitzem Pinſel künſtelte, arbeiten im Geiſte Lier's.
Endlich thut ſich, wohl unter dem Einfluß des alten, delikaten
Friedrich Boltz, eine Schaar wackerer Thiermaler zuſammen,
unter denen der jüngſtverſtorbene Schwabe Anton Braith und
ſein Freund und Landsmann Chriſtian Mali hervorragen.
Ein letzter Ausläufer dieſer Richtung iſt Heinrich Zügel, der
damals ſchon beſondere Neigung zu impreſſioniſtiſcher Farben-
wirkung gehabt zu haben ſcheint. Auch die Reſte der alten
hiſtoriſchen Schule, die Epigonen der Piloty, Cornelius und
Haulbach, findet man ſparſam eingeſtreut: Wilhelm v. Linden-
ſchmitt und Otto von Faber du Faure hebe ich beſonders her-
vor, ſie leiten aus der etwas gewaltſam heroiſchen Biſtorien-
malerei zu einer geſünderen, natürlicheren Richtung über.
Nun nenne ich zuletzt noch alle jene, die mehr oder minder
ihre eigenen Wege gingen oder zum Cheil noch gehen: da iſt
von Lenbach ein Greiſenkopf fein und ſcharf geprägt; er
ſtammt noch aus der Seit, da der Meiſter noch kein ſiegender
Meiſter war. Auch aus Defregger's Frühzeit ſieht man inter-
eſſante Arbeiten, man würde ſie in ihrer herben Kraft, in
ihrem bäuerlich ungebrochenen Trotz eher für Leibls halten,
den alten Defregger von heute verrathen ſie nicht. Auch das
ſitzende Mädchen Zugo Kotſchenreiter's möchte man jedem
anderen eher zuſchreiben. Nicolaus Gyſis, heute auch ſchon
geſtorben, zeigt einen Reigen, ein luſtiges Stück ſonnenhellen
Griechenthums, Munkascy, der ſpäter ganz andere Wege
wandelte, hat den ſchlicht und treuherzig gemalten Kopf eines
Mädchens da. Ein echter Spitzweg, ſo wie wir ihn lieben, iſt
die hier gezeigte „Schaarwache“. Auch Trübner, der beſonders
mit zwei Studienköpfen brillirt, geht hier noch andere Wege,
die mir ſympathiſcher ſind als ſeine heutigen: er haut noch
nicht mit der brutalen Wucht, die ich mir beim Bildhauer,
aber nicht beim Maler gefallen laſſe, ſeine Geſtalten aus der
Leinwand heraus, ſondern malt noch mit breitem, farben-
frohen Pinſel ſeine Bilder friſch und ſchlicht und ohne kraft-
meieriſche Mache herunter.

Ich will mit Leibl ſchließen, den ich öfters in dieſem Be-
richt nannte. Die ſieben Arbeiten ſeiner Hand ſind keine be-
ſonders präſentativen Werke, theils ſind es nur Studien, theils
Früharbeiten kleineren Formats. Aber alle gemalt mit der
treuherzigen, biederen und ehrlichen Objektivität, die uns
dieſen Meiſter ſo ſympathiſch macht. Beſonders liebenswerth
iſt ein Bildchen „Leibl im Ureiſe ſeiner Freunde“. Draußen
am Starnbergerſee ſitzen ſie in einem Wirthsgarten nnd freuen
ſich der herrlichen Natur, die ſich rings um ſie breitet. Blau
liegt der See vor ihnen, aus der Ferne ſchaut die Zugſpitze
her, und die Sonne ſcheint. Es iſt ein Stück Künſtlerleben in
dieſem Bild. So wie die Drei, die hier beiſammenſitzen, denke
ich mir auch alle die anderen, die zu dieſer Ausſtellung bei-
getragen: wurzelnd in der Natur, ſich ihrer Schönheit er-
end und aus ihr ſich die tiefſten und ſchönſten Anregungen

olend.

Georg Jacob Wolf.

Zerliner Kunstschau.

Berliner Künſtler ſein heimgegangenes Mitglied,

den Profeſſor Karl Breitbach, durch eine um-
faſſende Nachlaßausſtellung. Der Nachlaß eines Künſtlers
von Ruf ſetzt ſich meiſtens aus Studien, Entwürfen,
letzten Werken und ſolchen Bildern zuſammen, die der
Meiſter lieber Erinnerungen wegen nur ungern von
ſich läßt. Seine Hauptwerke ſind natürlich längſt in
alle Welt zerſtreut, durch viele Hände gegangen und
ſelbſt für den Künſtler nur noch zum kleinen Theil auf-
findbar. Im letzten Jahrzehnt figurirte Breitbach durch-
weg mit Charakterköpfen aus den Alpenländern, mit
Landſchaften und Genreſtücken aus den Regionen der
alten und konſervativen Kulturen und mit meiſterhaften
Aquarellen in lichten kühlen Tönungen und feiner
Seichnung. Dies Alles findet ſich auf der Ausſtellung
im Künſtlerhauſe wieder, dann aber noch Aelteres, das
ſich uns warm ans Herz legt und beweiſt, daß die Kunft
vor dreißig Jahren in Berlin bei Weitem nicht auf
der tiefen Stufe ſtand, wie die Nörgler und modernen
Parteigänger uns ſo lange haben glauben machen
wollen. Breitbach, ein geborener Berliner, erfreute ſich
keineswegs einer roſigen Lebenslage, als er an der
hieſigen Akademie ſeine Studien betrieb, aber die
Schwierigkeiten ſtählen den Charakter, befeuern den
Fleiß und erziehen gerade zum Idealismus. Als Land-
ſchafter ſuchte er dann, dem Suge der Seit folgend, in
Paris den höheren Schliff, aber das Alles genügte ihm
noch nicht, die Genremalerei ſteckte ihm im Blut und
da ſchloß er ſich in ſpäteren Jahren den Knaus⸗Schülern
an und das brachte ihm die erſten großen Erfolge. Vor
dreißig Jahren war es, als er auf ſein Bild der baden-
den Knaben, das in Seichnung, in dem goldwarmen
Kolorit und in dem feinen Humor ganz handgreiflich
von Meiſter Knaus beeinflußt iſt, die kleine goldene
Medaille erzielte. Nun war er in der Bahn, nun ſchuf
er die köſtlichen Kirmesbilder und ſeine hochanſehnlichen
Bildniſſe, das famoſe RKinderporträt in der Garten-
ſchaukel aus dem Jahre 187, die vortrefflich lebens-
wahren Repräſentationsbildniſſe des damaligen General-
intendanten von Hülſen und ſeiner Gemahlin und
manches Andere, dem ein dauernder Werth innewohnt.
In den Kirchen und Klöſtern, in den Wäldern und
Bergen, unter den Kleinſtädtern und Bauern, in Nord
und Süd, am Rhein und in Schleſien träumte und

Ce ſchönen Brauche folgend, ehrt der Verein
 
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