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Die Kunst-Halle — 10.1905

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Nummer 1 (1. Oktober 1904)
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Rapsilber, Maximilian: Der Kultus des Kindes und die Kunst
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Hennig, Paul: Zum Kunstschutz-Gesetz
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https://doi.org/10.11588/diglit.66262#0011

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langen Arbeitens und Prüfens bedarf, um eine dem
Kinde kongeniale Kunſt ins Leben zu rufen. Ein Genie
von Gottes Gnaden wie Ludwig Richter oder ſo ein
glücklicher Treffer wie der Verfaſſer des Struwwel-
peters iſt unter den Neuen und Modernen noch nicht
aufgetaucht. Damit wird's auch noch gute Weile haben.
Für's Erſte ſehen wir ſo und ſo viele Verleger, Fabri-
kanten, Spekulanten mit der Hetzpeitſche hinter den
Künſtlern ſtehen, für's Erſte ſuchen die guten Leute ihr
Schäfchen ins Trockne zu bringen, ſolange die Mode-
wuth graſſirt, und das Kind erſcheint ihnen als Ver-
ſuchsſchäfchen ſo lange recht, bis ſie ein neues und
lohnenderes finden. Unterdeſſen wird in den Schulen
experimentirt. Hie und da werden Schulzimmer künſt-
leriſch dekoriert und nun will man ſehen, wie ſich die
Kinder als urſprüngliche Menſchen mit dem Unſchulds-
adel des Gemüths zur Kunſt ſtellen. Ach, da war man
ſehr enttäuſcht. Unſere Klugredner und Kunſterzieher
würden nun gewiß ein langes Geſicht machen, wenn
ſie wahrnähmen, daß der Einzug der großen Kunſt
in die Gemeindeſchule nicht als ſenſationelles Ereigniß
aufgenommen wurde. Ich habe einen beſtimmten
Verſuchsfall vor Augen. Die überwiegende Mehrzahl
der Kinder glotzte die ſchönen Bilder ſtumpfſinnig an
und reagirte nicht im Geringſten auf die werbende Schön-
heit. Ein kleiner Theil wurde rein äußerlich zur Neu-
gierde, zur Befriedigung des Wiſſenstriebs gereizt und
war dann auch ſchnell fertig mit dem dargebotenen
Wunder. Ein Nind aber unter hundert oder hunderten
wurde nachdenklich und empfand einen geheimen Sauber
und ſchaute und ſchaute immer wieder empor und die
Geſtalten und die Farben gingen mit ihm bis in den
Traum der Nacht hinein. Für dieſen Einen aber giebt
der Staat getroſt die Millionen aus und für dieſen
Einen ſchaffen die großen Meiſter aus ihres Herzens
tiefem Schatz, aber dieſer Eine wird gewiß immer eine
ſchlechte Senſur im Seichnen mit nach Hauſe bringen.
M. Rapſilber.

Zum Runstschutz- Gesetz.

Von Paul Hennig, Charlottenburg.

er Entwurf eines neuen Geſetzes zum Schutze der bilden-

den Künſte, welchen der „Deutſche Reichsanzeiger“ vom

27. April veröffentlicht, iſt ſo abweichend von der bis-
herigen Geſetzgebung, daß es geboten erſcheint, ſich eingehend
damit zu beſchäftigen. Möge es heute einem Verleger und
Graphiker geſtattet ſein, ſeine Anſichten zu äußern.

Die bedeutungsvollſte Neuerung des Geſetzes beſteht in
dem erweiterten Bereich des Entwurfs. Bisher haben wir
bekanntlich ein Geſetz zum Schutze der hohen Hunſt: der Malerei
und Bildhauerei. Dasſelbe ſchützt den Urheber ohne Weiteres,
alſo ohne irgend welche Vorausſetzungen der Eintragung in
eine amtliche Liſte und ohne Anſpruch auf eine Gebühren-


zahlung gegen jede ohne ſeine Einwilligung erfolgende Nach-
bildung während ſeiner Lebenszeit und ſeine Erben bis dreißig
Jahre nach ſeinem Tode. Wir beſitzen ferner ein Geſetz zum
Schutze der Muſter und Modelle, dazu beſtimmt, dem Urheber
kunſtgewerblicher Schöpfungen einen Schutz gegen unbefugte
Nachbildung für längſtens fünfzehn Jahre zu gewähren, unter
der Vorausſetzung der Hinterlegung eines Muſters oder Modells
oder einer Abbildung desſelben und der Sahlung einer Ge-
ſammtgebühr von 52 M. für jedes Muſter. Wir beſitzen end-
lich ein Geſetz zum Schutze der Photographien, welches dem
Urheber unter gewiſſen Vorausſetzungen der Bezeichnung ſeiner
Kopien mit Jahreszahl und Firma auf fünf Jahre das alleinige
Vervielfältigungsrecht gewährleiſtet.

Dieſe drei Geſetze ſollen außer Wirkſamkeit treten und an
deren Stelle ein einziges Geſetz maßgebend werden. Das iſt
ein großes Unternehmen. Das Gemälde alſo eines Künſtlers
von Gottes Gnaden, die Blumenvaſe eines Kunſtgewerblers
und die Momentaufnahme eines ſtümpernden Dilettanten der
Photographie ſollen im Weſentlichen denſelben Schutz vor dem
Geſetze genießen, und zwar einen ohne Weiteres, bedingungs-
los eintretenden Schutz.

Allerdings drängt die Entwicklung des Kunſtgewerbes der
Neuzeit in Deutſchland dazu, anderen Nationen nachzufolgen
in der Gewährung eines billigeren, an Stelle des jetzigen, viel-
fach unerreichbaren Schutzes. Unſer Kunſtgewerbe befindet ſich,
wie wir wiſſen, im internationalen Wettbewerbe, z. B. Frank-
reich gegenüber, in einer ungünſtigen Lage. Dort ſind kunſt-
gewerbliche Erzeugniſſe ohne Weiteres geſchützt, auf Grund der
beſtehenden Verträge genießen ſie auch in Deutſchland denſelben
Schutz. Unſere Kunſtgewerbler aber und Induſtriellen ſind
zur Gebührenzahlung gezwungen. Es iſt daher nicht zu ver-
wundern, wenn letztere oft franzöſiſche Muſter bevorzugen.
Hier erſcheint alſo ein Einlenken unſerer Geſetzgebung geboten,
wollen wir anders unſer in der Entwicklung ſo kräftig vor-
geſchrittenes Kunſtgewerbe nicht ſchädigen.

Auch die Photographie hat ſich in den letzten Jahrzehnten
zu bedeutend höheren Leiſtungen emporgeſchwungen, ſo daß
die Unterſcheidungsgrenze zwiſchen Kunſt und Technik häufig
kaum noch zu erkennen iſt.

Ob es aber gerathen iſt, hohe Kunſt, angewandte Uunſt
und Photographie geſetzlich im Weſentlichen auf dieſelbe Baſis
des Schutzes zu ſtellen, erſcheint doch fraglich. Sum Mindeſten
dürfte es geboten ſein, in der angewandten Kunſt eine Feſt-
ſtellung der Priorität zu ermöglichen. Schon jetzt herrſcht auf
dieſem Gebiete eine ſtarke Produktion, ſie wird ſich aber ge-
waltig ſteigern, ſobald die Gebührenzahlung und die Ein-
tragung fortfallen. Wie will man dann feſtſtellen, wer der erſte
Urheber ward Die Vachbildner werden ſtets beſtrebt ſein,
ſchnell auf den Markt zu kommen, häufig freilich mit flüchtigen
Ausführungen in billigem Material, und der Urheber, welcher
mit einem Kunſtinduſtriellen arbeitet, der nur Vorzügliche-
bieten will, wird nachhinken. Als ſpäter Anbietender wird er
ſogar in den Verdacht der Nachbildung gerathen und in den
meiſten Fällen pekuniäre Verluſte erleiden. Wie ſoll ſich der
Induſtrielle dann ſeinen Geſchäftsfreunden gegenüber als erſter
Urheber ausweiſend Im Rechtsſtreite wird es ihm allerdings
wohl in der Regel gelingen, die nöthigen Beweiſe zu erbringen,
es würden aber gar häufig Prozeſſe entſtehen, deren Ausgang
für den Urheber ſich nicht immer günſtig geſtalten dürfte.
Leute, die im Trüben fiſchen, ſind meiſt gewandt und ſchnell,
ihnen würde es häufig gelingen, ein Hinterthürchen zu finden,
durch das ſie entſchlüpfen könnten. Die Erzeugung gering-
 
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