dem Augenblick, wo ſich die ganze Aufmerkſamkeit des
Mannes auf ſeine Thätigkeit konzentrirt und ſich das
Bild als ein geradezu typiſches unſerer Vorſtellung
plaſtiſch einprägt. Auch dieſe Figur iſt in Bronze ge-
dacht, was ſich ſchon durch die Schärfe und Eraktheit
der Linienführung, durch die Beſtimmtheit der Mo-
dellirung ohne beſondere Betonung verſtändlich aus-
ſpricht. Die Regel iſt gegenwärtig ein übermäßiges
Hervorheben techniſcher Runſtgriffe in der Behandlung
des Materials, ein gewiſſer handwerklicher Hug in der
Plaſtik, wie er ja im Kunſtgewerbe mit Recht gepflegt
wird. Das Meißeln in Stein, die Siſelirung der Bronze,
das Schnitzen in verſchiedenen Holzarten, alle dieſe
vielen Möglichkeiten des Ausdruckes ſind Wege zur
Kunſt, Mittel zum Sweck, aber höher als alle techniſche
Geſchicklichkeit, alles Können ſteht doch das Vermögen,
mit einer gewiſſen Unmittelbarkeit in der Form gefühlte
und geſchaute Natur plaſtiſch zum Ausdruck zu bringen.
Die Nunſt allein macht noch keinen Künſtler.
£udwig Pietsch.
Zu ſeinem 80. Geburtstage am 25. Dezember 1904.
Von Dr. Adolph Kohut.
©
D. Kunſtkritiker der „Voſſiſchen Seitung“ waren
von jeher einflußreiche Perſönlichkeiten, einerſeits
durch ihre eigene Bedeutung und andererſeits
durch die geachtete Stellung, die dieſes Organ der
bürgerlichen Demokratie einnimmt oder doch ein-
genommen hat. Ihr Urtheil war daher vielfach ein
maßgebendes, wie das von Ludwig Pietſch, deſſen
Votum namentlich über Malerei und Plaſtik Jahrzehnte
hindurch von Bedeutung war. In der That verdient
dieſer geiſtreiche, wohlwollende und ſtets nach beſtem
Wiſſen und Gewiſſen urtheilende Referent, der ſoeben
ſein 80. Lebensjahr vollendete und an ſeiner geiſtigen
Friſche und bewundernswürdigen Elaſtizität nur wenig
eingebüßt hat, an dem ehrenvollen und ſeltenen
Jubiläumstage die lebhafte Anerkennung aller Kunft-
kreiſe. }
Der am 25. Dezember 1825 in Danzig geborene
Kritiker war urſprünglich, Jahrzehnte hindurch, Seichner
und Maler; 184 bezog er die Berliner Kunſtakademie,
trat zwei Jahre darauf in das Atelier des Porträt-
malers Otto ein und erwarb ſich bald als Illuſtrations-—
zeichner Beachtung. Er hat ſeinen geiſtigen und künſt-
leriſchen Entwicklungsgang in mehreren Schriften, z. S
in der Autobiographie: „Wie ich Schriftſteller geworden
bin“ (München 1892—94, 2 Bände) und „Aus jungen
und alten Tagen“ (Berlin 1004), ſowie in der Jubi-
läums⸗Nummer der Doſſiſchen Seitung vom 29. Oktober
dieſes Jahres geſchildert, ſo daß ich die geneigten Leſer
dieſer Seitſchrift, die etwas mehr von dem in vielfacher
Hinſicht intereſſanten Lebens- und Werdegang des Meiſters
erfahren wollen, auf dieſe ſeine Publikationen verweiſe.
Hier ſei nur erwähnt, daß er ſich im reiferen Alter mehr
der literariſchen Thätigkeit zuwandte, und daß er ſeit
gerade vierzig Jahren dem Verbande jener Seitung
angehört, worüber er ſich alſo äußert: „Sie hat mir
Raum und Gelegenheit zur Entwicklung und vollen
freien Bethätigung der ſehr beſcheidenen journaliſtiſch-
101
zu ſehen.“
Die Porträtbilder, die Ludwig Pietſch zu An-
fang der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts
gemalt hat, ſowie die Seichnungen, die er ſpeziell für
die „Leipziger Illuſtrirte Seitung“ verfertigte, laſſen
keinen Sweifel, daß er berufen war, als ausübender
Künſtler Ausgezeichnetes zu leiſten, und noch jetzt kann
Ludwig pietſch eine gewiſſe Bitterkeit, trotz des glänzen-
Erfolges ſeiner nunmehr fünfzigjährigen Schriftſteller-
laufbahn, nicht unterdrücken, daß er dieſer ſeiner erſten
künſtleriſchen Liebesneigung untreu wurde, und dennoch
muß man dem Geſchick danken, daß es ſo gekommen,
denn jedenfalls iſt er als Kunſtreferent viel bedeutender,
viel wichtiger und viel verdienter, als wenn er ſich
ausſchließlich dem Porträtfach gewidmet hätte.
Ich will an dieſer Stelle den Jubilar nicht in ſeiner
Eigenſchaft als Feuilletoniſt, als Plauderer, als Reiſe-
ſchriftſteller ſchildern. Dieſer vielſeitige und bewegliche
Geiſt hat bekanntlich an der Geſtaltung des neuen
deutſchen Feuilletons großen Anteil gehabt, den ſchönſten
Lorbeer errang er jedoch in ſeiner Eigenſchaft als
Kunſtkritiker. Die Kunſtberichte, die er ſeit faſt
einem Menſchenalter geliefert, halfen ein ganz neues
Genre begründen, das, wie geiſtreich bemerkt wurde,
vom Maler das Voloriſtiſche und vom Reporter das
gewollt Exakte nimmt und deſſen Ideal vielleicht eine
die natürlichen Farben zeigende Momentphotographie
war. Er iſt ferner unerreicht in der Kunſt, die ganze
Erſcheinung einer ſchönen und intereſſanten Frau, von
der Farbe ihrer Augen, über Schultern und Büſte bi
in die feinſten Toilettenkünſte hinein mit wenigen kühnen
Strichen darzulegen. Daher iſt er denn auch der Cieb-
ling der Frauen, namentlich derjenigen, deren Bilder
auf den Vunſtausſtellungen ausgeſtellt ſind, die auf
Subſkriptions⸗ und ſonſtigen Bällen glänzen, und die
überhaupt die Oeffentlichkeit mehr oder weniger be-
ſchäftigen.
All' die Kunſt- und Welt-⸗Ausſtellungen, die in den
letzten vier Jahrzehnten in Europa ſtattfanden, hat er
nicht allein beſucht und ſtudirt, ſondern auch durch ſeine
glänzende und gründliche Feder beſchrieben und
kritiſch beleuchtet. Seine äſthetiſch⸗kritiſchen Anſichten
legte er in vielen Werken nieder, von denen ich nur
die folgenden nenne: „Wallfahrt nach Olympia, 1846“,
Berlin 1870, „Aus Welt und Kunſt“ (2 Bände, Jena
1807) und „Die deutſche Malerei auf der Münchner
Jubiläums-Ausſtellung“ 1888. Ueberall giebt er un-
umwunden, eindringlich und mit überraſchendem Scharf-
blick ſein Urtheil ab, ohne jedoch je in die Fehler rück-
ſichtsloſer Kritiker zu verfallen, denn eine gewiſſe Würde,
eine gewiſſe Anmuth verleiht ſelbſt ſeinen ſtrengen 1
Als
Mannes auf ſeine Thätigkeit konzentrirt und ſich das
Bild als ein geradezu typiſches unſerer Vorſtellung
plaſtiſch einprägt. Auch dieſe Figur iſt in Bronze ge-
dacht, was ſich ſchon durch die Schärfe und Eraktheit
der Linienführung, durch die Beſtimmtheit der Mo-
dellirung ohne beſondere Betonung verſtändlich aus-
ſpricht. Die Regel iſt gegenwärtig ein übermäßiges
Hervorheben techniſcher Runſtgriffe in der Behandlung
des Materials, ein gewiſſer handwerklicher Hug in der
Plaſtik, wie er ja im Kunſtgewerbe mit Recht gepflegt
wird. Das Meißeln in Stein, die Siſelirung der Bronze,
das Schnitzen in verſchiedenen Holzarten, alle dieſe
vielen Möglichkeiten des Ausdruckes ſind Wege zur
Kunſt, Mittel zum Sweck, aber höher als alle techniſche
Geſchicklichkeit, alles Können ſteht doch das Vermögen,
mit einer gewiſſen Unmittelbarkeit in der Form gefühlte
und geſchaute Natur plaſtiſch zum Ausdruck zu bringen.
Die Nunſt allein macht noch keinen Künſtler.
£udwig Pietsch.
Zu ſeinem 80. Geburtstage am 25. Dezember 1904.
Von Dr. Adolph Kohut.
©
D. Kunſtkritiker der „Voſſiſchen Seitung“ waren
von jeher einflußreiche Perſönlichkeiten, einerſeits
durch ihre eigene Bedeutung und andererſeits
durch die geachtete Stellung, die dieſes Organ der
bürgerlichen Demokratie einnimmt oder doch ein-
genommen hat. Ihr Urtheil war daher vielfach ein
maßgebendes, wie das von Ludwig Pietſch, deſſen
Votum namentlich über Malerei und Plaſtik Jahrzehnte
hindurch von Bedeutung war. In der That verdient
dieſer geiſtreiche, wohlwollende und ſtets nach beſtem
Wiſſen und Gewiſſen urtheilende Referent, der ſoeben
ſein 80. Lebensjahr vollendete und an ſeiner geiſtigen
Friſche und bewundernswürdigen Elaſtizität nur wenig
eingebüßt hat, an dem ehrenvollen und ſeltenen
Jubiläumstage die lebhafte Anerkennung aller Kunft-
kreiſe. }
Der am 25. Dezember 1825 in Danzig geborene
Kritiker war urſprünglich, Jahrzehnte hindurch, Seichner
und Maler; 184 bezog er die Berliner Kunſtakademie,
trat zwei Jahre darauf in das Atelier des Porträt-
malers Otto ein und erwarb ſich bald als Illuſtrations-—
zeichner Beachtung. Er hat ſeinen geiſtigen und künſt-
leriſchen Entwicklungsgang in mehreren Schriften, z. S
in der Autobiographie: „Wie ich Schriftſteller geworden
bin“ (München 1892—94, 2 Bände) und „Aus jungen
und alten Tagen“ (Berlin 1004), ſowie in der Jubi-
läums⸗Nummer der Doſſiſchen Seitung vom 29. Oktober
dieſes Jahres geſchildert, ſo daß ich die geneigten Leſer
dieſer Seitſchrift, die etwas mehr von dem in vielfacher
Hinſicht intereſſanten Lebens- und Werdegang des Meiſters
erfahren wollen, auf dieſe ſeine Publikationen verweiſe.
Hier ſei nur erwähnt, daß er ſich im reiferen Alter mehr
der literariſchen Thätigkeit zuwandte, und daß er ſeit
gerade vierzig Jahren dem Verbande jener Seitung
angehört, worüber er ſich alſo äußert: „Sie hat mir
Raum und Gelegenheit zur Entwicklung und vollen
freien Bethätigung der ſehr beſcheidenen journaliſtiſch-
101
zu ſehen.“
Die Porträtbilder, die Ludwig Pietſch zu An-
fang der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts
gemalt hat, ſowie die Seichnungen, die er ſpeziell für
die „Leipziger Illuſtrirte Seitung“ verfertigte, laſſen
keinen Sweifel, daß er berufen war, als ausübender
Künſtler Ausgezeichnetes zu leiſten, und noch jetzt kann
Ludwig pietſch eine gewiſſe Bitterkeit, trotz des glänzen-
Erfolges ſeiner nunmehr fünfzigjährigen Schriftſteller-
laufbahn, nicht unterdrücken, daß er dieſer ſeiner erſten
künſtleriſchen Liebesneigung untreu wurde, und dennoch
muß man dem Geſchick danken, daß es ſo gekommen,
denn jedenfalls iſt er als Kunſtreferent viel bedeutender,
viel wichtiger und viel verdienter, als wenn er ſich
ausſchließlich dem Porträtfach gewidmet hätte.
Ich will an dieſer Stelle den Jubilar nicht in ſeiner
Eigenſchaft als Feuilletoniſt, als Plauderer, als Reiſe-
ſchriftſteller ſchildern. Dieſer vielſeitige und bewegliche
Geiſt hat bekanntlich an der Geſtaltung des neuen
deutſchen Feuilletons großen Anteil gehabt, den ſchönſten
Lorbeer errang er jedoch in ſeiner Eigenſchaft als
Kunſtkritiker. Die Kunſtberichte, die er ſeit faſt
einem Menſchenalter geliefert, halfen ein ganz neues
Genre begründen, das, wie geiſtreich bemerkt wurde,
vom Maler das Voloriſtiſche und vom Reporter das
gewollt Exakte nimmt und deſſen Ideal vielleicht eine
die natürlichen Farben zeigende Momentphotographie
war. Er iſt ferner unerreicht in der Kunſt, die ganze
Erſcheinung einer ſchönen und intereſſanten Frau, von
der Farbe ihrer Augen, über Schultern und Büſte bi
in die feinſten Toilettenkünſte hinein mit wenigen kühnen
Strichen darzulegen. Daher iſt er denn auch der Cieb-
ling der Frauen, namentlich derjenigen, deren Bilder
auf den Vunſtausſtellungen ausgeſtellt ſind, die auf
Subſkriptions⸗ und ſonſtigen Bällen glänzen, und die
überhaupt die Oeffentlichkeit mehr oder weniger be-
ſchäftigen.
All' die Kunſt- und Welt-⸗Ausſtellungen, die in den
letzten vier Jahrzehnten in Europa ſtattfanden, hat er
nicht allein beſucht und ſtudirt, ſondern auch durch ſeine
glänzende und gründliche Feder beſchrieben und
kritiſch beleuchtet. Seine äſthetiſch⸗kritiſchen Anſichten
legte er in vielen Werken nieder, von denen ich nur
die folgenden nenne: „Wallfahrt nach Olympia, 1846“,
Berlin 1870, „Aus Welt und Kunſt“ (2 Bände, Jena
1807) und „Die deutſche Malerei auf der Münchner
Jubiläums-Ausſtellung“ 1888. Ueberall giebt er un-
umwunden, eindringlich und mit überraſchendem Scharf-
blick ſein Urtheil ab, ohne jedoch je in die Fehler rück-
ſichtsloſer Kritiker zu verfallen, denn eine gewiſſe Würde,
eine gewiſſe Anmuth verleiht ſelbſt ſeinen ſtrengen 1
Als