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Die Kunst-Halle — 10.1905

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Nummer 3 (1. November 1904)
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Berliner Kunstschau
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Galland, Georg: Eine Kunstgeschichte des XIX. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.66262#0052

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Nr. 5

die Herrlichkeit im Traum ſchaue. G. Nicolet malte
eine Dame in Hellroth am CTheetiſch, eine Erſcheinung
von unnachahmlicher Grazie. Von der Virtuoſität der
neueſten Franzoſen zeugt ferner eine Anſicht von
Dointoiſe von J. Gabriel, der in den hellen Spuren
Raffaellis wandelt. Und dann ſind noch mehr Franzoſen
da und die lieben Engländer wie Auſten Brown,
Grosvenor Thomas, S. A. Lang, Alfred Smith und
Niederländer, ſo viel nur das Herz begehrt, darunter
Franz Courtens mit einer ſonnendurchglühten Landſchaft
erſten Ranges, Henri Staquet mit einem Interieur von
ſpitzfindiger Sigenart, ten Cate mit einer winterlichen
Abendſtimmung von bezwingender Schönheit. Und
immer mehr Namen und Meiſter wollen herbeidrängen . .

Von der neuen Ausſtellung im Salon A. Wert-
heim kann man beim beſten Willen nicht viel Aufhebens
machen. Siebt man die Spreu, ſo bleiben wenigſtens
drei Erſcheinungen von ausgeſprochener Sigenart. Erſt-
lich aber nicht erſtens der Hamburger A. Siebeliſt, ein
Autodidakt, auf deſſen Landſchaften ein trübſeliges Em-
pfinden ſpinnt, zweitens Aug. von Brandis, der ſich in
Danzig angeſiedelt, um dort allerlei alterthümliche
Winkel und Lauben und Bauerninterieurs zu malen
und dabei zwiſchen Hell und Dunkel traumſelig hinzu-
dämmern. Mit ſtärkerer Fauſt aber packt der Berliner
Werner Sehme ſeine Aufgaben an. Sehme hat ſich eine
längere Reihe von Jahren faſt ausſchließlich als Zeichner
bethätigt, bis neuerdings wieder der urſprüngliche Maler
in ihm erwachte und ſich darauf beſann, daß er einſt
zu den auserwählten Cöfftz-Schülern in München gehört
habe. Münchner Reminiscenzen mögen wohl bei dem
ſtark charakteriſirten und paſtos vorgetragenen Herren-
bildniß mitgeſprochen haben.

das Buch auf den Schooß herabſinken läßt, die durch
die Seele ſchwebenden Gedanken vom Angeſicht ab-
zuleſen. Im Uebrigen zeigt Sehme niederſchleſiſche
Candſchaften und Genreſtücke, Bilder von überzeugender
Cebenswahrheit und ſtark hinhauender Mache. Ueber den
grünen Hafer webt die Kraft des beginnenden Sommers
und über dem liegenden Hafer erboſt ſich der bäuerliche
Stolz, dann ſinkt der Abend ſtreng und düſter über die
üppigen Gefilde, am Fenſter ſitzt eine Frau und träumt
in die grüne Gartenwildniß hinaus und der alte Bauer,
der mit ſeiner Frau auf dem Neimweg begriffen, iſt
ein Charakter- und Prachtmenſch in ſeiner derbgeſchnitzten
Art. Seichner und Maler in einer Perſon zu ſein,
darauf darf Sehme ſich etwas zu Gute halten.

M. R.

eine Kunstgeschichte des III. Jahrhunderts.

Mit 2 Abbildungen. (


arbeiteten, allgemein bekannten und geſchätzten
Kunſtgeſchichte von Wilhelm Cübke gewartet, die nun-
mehr in zwölfter Auflage in 5 Bänden fertig vorliegt.
Der letzte Band allein hat, da Lübke die Kunſt des
10. Jahrhunderts nur als kurzes Schlußkapitel be-
handelte, eine ganz neue Geſtaltung angenommen; ihr
Autor iſt Dr. Fr. Haag ck⸗Erlangen. Meine Befürchtung,
die ich für die Einheitlichkeit eines ſolchen Werkes mit
Bezug namentlich auf deſſen äſthetiſchen Standpunkt
gehegt, hat ſich im Allgemeinen glücklicherweiſe als


überflüſſig erwieſen. Der Verfaſſer hat ſich zunächſt
zwecks Gliederung des umfangreichen Geſammtſtoffes
die Art und Ueberſichtlichkeit der Disponirung Lübke's
und Semrau's zu eigen gemacht. Die Sprache iſt auch
bei ihm klar und edel, dem ſachlichen Ausdruck entſpricht
ein maßvolles Urtheil, das ſympathiſch berührt, und
vermieden ſind, wie es ſich bei einem volksthümlichen
Handbuch eigentlich von ſelbſt verſteht, kritiſche Schärfen
und übertriebene ſubjektive Anſichten. Das gilt vor
allem bei der Schilderung der älteren Epochen, und man
muß es billigen, daß an Künſtler wie Carſtens und
Cornelius, um nur dieſe zwei zu nennen, die unter
der modernen Kritik am meiſten gelitten, lediglich der
Maßſtab ihrer Seit angelegt wird. Ebenſo hat ſich der
Autor mit Erfolg bemüht, das reiche und ſchöne Illu-
ſtrationsmaterial, von dem wir hier zwei Proben vor-
führen, für den Text und die lehrhafte Tendenz des
Buches zu verwerthen.

Aber es darf auch andererſeits nicht verſchwiegen
werden, daß ſich gewiſſe Schwächen dieſer ſonſt fleißigen
Arbeit beſonders auffällig machen. Sie reſultiren aus
einer etwas weitgehenden Anlehnung an die bisherigen
Kunſtgeſchichten, beſonders die von Muther, einer An-
lehnung, die ſich ſtellenweiſe ſogar bis auf die Auswahl
der Fußnoten des Textes erſtreckt. Daß darunter die
ſelbſtſtändige Auffaſſung gegenüber Künſtlern und Kunft-
werken manchmal empfindlich leidet, braucht nicht ver:
ſichert zu werden. Bei Lexikographen iſt es ja eine be-
kannte alte Erfahrung, daß Einer immer die Fehler des
Andern verſtändnißlos wiederholt. Wenn man indeß
auch bei einem Werke wie dem vorliegenden ſich manche
Rangirung, Begeiſterung, Vernachläſſigung u. ſ. w. von
Künſtlern nur aus den Anlehnungen des Autors zu
erklären vermag, dann hat man wohl ein Recht, etwas
mißgeſtimmt zu ſein. Ferner unterſtreicht Haack nach
meiner Meinung manchmal zu ſehr den lauten Tages-
erfolg, während wirkliches Verdienſt, vielleicht weil es
minder geräuſchvoll auftritt, bisweilen überſehen wird.
So wird Chr. Behrens, der geniale Breslauer Plaſtiker,
übergangen, während ſein Schüler Lederer als erſtrangige
Größe figurirt. Das völlig mißrathene R. Maiſon'ſche
Reiterbild Naiſer Friedrich's in Berlin wird ſchon vor
ſeiner Vollendung gelobt. Bracht, der Lehrer von Leiſtikow,
folgt, ganz kurz, hinter ſeinem Schüler, von dem es
u. A. heißt, er habe ſich „den früher ſo viel und ſo ſehr
mit Unrecht verläſterten (2) Grunewald zum Hauptobjekt
ſeiner Studien gewählt“. Richtiger würde es vielmehr
lauten, daß die begeiſterte Liebe des Berliners für
ſeinen Grunewald den künſtleriſchen Ausdruck erſt
durch die Brachtſchule, voran durch Leiſtikow, er-
halten hat. Die Kritiken eines Münchener Rezenſenten,
der 3. B. gegen Lenbach „überſcharf“ vorging,
werden als „doch immer höchſt beachtenswerth“
geprieſen, während die Berichte anderer Blätter nicht
erwähnt werden. Dementſprechend findet — und auch
das beweiſt wohl die Geſinnung des Autors — neben
der „Jugend“, der „Simpliziſſimus“ als epochale künſt-
leriſche Erſcheinung eine längere Würdigung. Von
einem Meiſter wie Hermann Prell, deſſen monumentale
Beſtrebungen und Werke an eine große Vergangenheit
kühn anknüpfen, weiß Dr. H. nur, daß er in Dresden
lebt, was wohl nicht ſo erheblich iſt.

Dieſe wenigen Beiſpiele mögen für viele ähnliche
genügen. Sie erweiſen eine Abhängigkeit von der
grade herrſchenden Uunſtgeſchichtsſchreibung, die ich
für Lübke's Werk nicht gewünſcht habe. Natürlich fehlt
auch bei Erwähnung des alten Hamburger Meiſters
Ph. OG. Runge die Bemerkung nicht, daß Alfred
Lichtwark ihn entdeckt habe. Hätte Naack nicht einfach
 
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