Nr. 14
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duſtrieſtaat iſt, ſo bekommt ſeine Kunſt jene moderne,
ich möchte ſagen „induſtrielle“ Farbe, darum wird ſie
der ſymboliſche Ausdruck moderner Arbeit. Mit dem
Ninweis auf das Wurzelſtändige in Meunier's Kunſt
und Werk iſt auch jene Anſicht abgethan, daß der
Künſtler ſich in den Dienſt einer beſtimmten politiſchen
Partei geſtellt habe. Das bequeme und wohl auch be-
zeichnende, aber ſehr vorſichtig zu gebrauchende Schlag-
wort von der „ſozialiſtiſchen Epoche der Kunſt“ könnte
ja wohl zu ſolchen Bermuthungen Anlaß geben. Aber
es trifft gerade bei Meunier nicht zu. Wohl nimmt er
mit ganzem Herzen Antheil an dem Schickſal ſeiner
Bergleute, aber er wird darum nicht zum Ankläger gegen
andere ſoziale Schichten, und er hat mit ſeiner Dar-
ſtellung der Arbeit und des Arbeiters ſchließlich keinen
anderen Sweck als Menzel bei ſeinem „Siſenwalzwerk“.
Meunier's letztes Siel iſt ein künſtleriſches, kein politiſches,
denn auch er hatte wohl richtig erkannt, daß Nunſt
und Tendenz nichts miteinander zu thun haben.
Von den Werken des Künftlers darf man die
folgenden als die gelungenſten bezeichnen: „Die Tränke“
(ein Bronzewerk), die Reliefs „Ausfahrt der Bergleute“,
„Die Mine“, „Bergmann vor Ort“ und beſonders den
markanten „Nopf eines Puddlers“, den man als die
populärſte Arbeit Meunier's anſehen kann. Außer dem
künſtleriſchen Werth muß man beſonders die kulturelle
Bedeutung aller dieſer Werke einſehen, ſpäteren Ge-
ſchlechtern werden ſie nicht allein davon berichten, wie
ſich um die Wende des 19. und 20. Jahrhunderts die
moderne Arbeit und der moderne Arbeiter in der
bildenden Kunſt widerſpiegelten, ſondern ſie werden
auch ein anſchauliches Bild von dieſer modernen Arbeit
ſelber geben.
In Deutſchland beſitzt die reichſte Sammlung von
Werken Meunier's das Dresdner Albertinum, dort iſt
auch der erwähnte, vielfach als Signet und Plakette
verwendete „Kopf eines Puddlers“ zu finden.
Die Menzel-Ausskellung in der
Nationalgalerie.
lich zu Stande gebrachte Ausſtellung nach
Menzel's Tode iſt zu einem mächtigen Ereigniß
im Berliner Nunſtleben geworden, wohl zu dem un-
leugbar größten ſeit langen Jahren. Sollte es wirk-
lich Menſchen, gebildete Deutſche geben, welche nur
aus dem Umſtande, daß dem unvergeßlichen Meiſter
höfiſche Auszeichnungen und kaiſerliche Ehrungen wie
keinem Sweiten zu Theil geworden ſind, den Schluß
wagen, Menzel ſei weniger ſeiner ſieghaften Kunſt als
vielmehr ſeiner „patriotiſchen“ Stoffe wegen ſo hoch
über alle zeitgenöſſiſchen Maler erhoben worden — ſollte es
derartige Beurtheiler noch immer geben, dann möchte man
ſich die Genugthuung wünſchen, daß dieſe Leute —
falls ſie nicht freiwillig wollen — zwangsweiſe in die
Räume der Nationalgallerie geführt werden, damit
ihnen dort Gelegenheit geboten werde, ihre Vorurtheile
gegenüber Menzel ein für alle Male abzulegen. Denn
ſein Andenken verdient im deutſchen Volke fleckenlos
bewahrt zu bleiben, gerade weil er den Beweis lieferte,
daß ein Künſtler trotz ſogenannter vaterländiſcher Stoffe
D. von der Leitung unſerer Nationalgallerie glück-
ein wahrhaft großer, unnachahmlicher, ein alle ſeine
Nebenbuhler an Kraft, Würde und Geiſt überragender
Schöpfer des „Kunſtſchönen“ ſein kann. Sein Genie,
ſeine Emſigkeit, ſein eiſerner Wille befähigten ihn ſtets
das zu leiſten, was er einem verdroſſenen Kunſtjünger
einſt dringend empfahl: aus jedem noch ſo gering-
fügigen Motiv etwas echt Künſtleriſches zu geſtalten,
nicht dem Stoffe die Gewalt über den künſtleriſchen
Auch von ihm wird man betonen dürfen, wenn man
die ſchwer überſehbare Fülle dieſer Dokumente ſeines
unvergleichlichen Schaffens betrachtet und bewundert,
wenn man erkannt hat, wie alle noch ſo gewöhnlichen
Wahrheiten ſeiner Stoffwelt durch den Stempel ſeines
vornehmen Geiſtes, ſeiner unabläſſigen Arbeitsbegierde
geadelt erſcheinen, was Goethe's berühmtes Wort über
Schiller herrlich geſagt hat, daß hinter ihm im weſen-
loſen Scheine liegt, was uns Alle bändigt: das Ge-
meine.
Beide oberen Stockwerke der Vationalgallerie
wurden für dieſe 5699 Nummern umfaſſende Rieſen-
ausſtellung umgeſtaltet. Der mittlere Corneliusſaal,
der eine grauleinene Verkleidung und niedrig ange-
ordnetes Gberlicht erhielt, enthält die Oelgemälde des
Meiſters, die durch die Wucht ihrer Sahl, Umfang
mehrerer Stücke und koloriſtiſche Qualitäten die Legende
von der Inferiorität der maleriſchen Fähigkeit des
Menzel'ſchen Pinſels gründlich zerſtört. So zu malen,
wie er, haben ganz gewiß nur wenige ſeiner Alters-
genoſſen vermocht und von namhaften Graphikern
überhaupt keiner. Freilich malte er bei ſeiner Freude
am farbigen Detail anders wie jene, die das Detail
dem Geſammtton unterordnen. Dennoch entſtanden
ſchon in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts
einige Bilder, z. B. zwei Simmerinterieurs und eine
helltönige Landſchaft mit Weiden, bei welchem auch
im Katalog mit Nachdruck vermerkt iſt, daß hier ſogar
moderne koloriſtiſche Probleme behandelt wurden, die
erſt für die folgende Generation künſtleriſch in Frage
gekommen ſind. Im Haupkſaal konzentrirt ſich das
Intereſſe zunächſt auf die großen berühmten Stücke:
Das Königsberger Krönungsbild mit faſt zahlloſen
Porträtfiguren, die Begegnungen Friedrich's des Großen
mit Kaiſer Joſeph II., Blücher's mit Wellington, die
Tafelrunde in Sansſouci, das Flötenkonzert, die Huldi-
gung der Schleſiſchen Stände, Friedrich der Große auf
Reiſen, das Siſenwalzwerk, der zeichnende Chodowiecki,
das noch unvollendete „Bon soir, messieurs“ und das
halbvollendete Schmerzensbild Menzel's aus ſeinem
Nachlaß, die Anſprache Friedrich's des Großen an ſeine
Generale vor der Schlacht bei Leuthen, wo in einer
der Lücken gerade die Figur des Königs fehlt und ver-
ſchiedene Köpfe der ſo wundervoll frei ſund prächtig
bewegten Generale zerkratzt erſcheinen. Daran reihen
ſich zum Entzücken des Beſchauers die allbekannten
kleinen Gemälde des Meiſters aus Verona, Paris u. ſ. w.,
der belebte Tuileriengarten, die Piazza d' Erbe in
Verona, die Abreiſe König Wilhelm's zur Armee, das
Ballſouper, der Palaisgarten des Prinzen Albrecht und
wie dieſe koſtbaren Leinwände, die hier ein vornehm
künſtleriſches Snſemble von unvergleichlicher Wirkung
bilden, ſonſt noch betitelt ſein mögen. Den Abſchluß
dieſer Gruppe bilden Landſchaften und intereſſante
männliche und weibliche Porträts von erleſener Cha-
rakteriſtik und Delikateſſe.
Die Folge der gemalten Arbeiten des Künſtlers
iſt in der That nahezu lückenlos, und es wird kaum
wieder Gelegenheit geboten werden, dieſen von ihren
glücklichen Sigenthümern ängſtlich gehüteten Beſitz ver-
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duſtrieſtaat iſt, ſo bekommt ſeine Kunſt jene moderne,
ich möchte ſagen „induſtrielle“ Farbe, darum wird ſie
der ſymboliſche Ausdruck moderner Arbeit. Mit dem
Ninweis auf das Wurzelſtändige in Meunier's Kunſt
und Werk iſt auch jene Anſicht abgethan, daß der
Künſtler ſich in den Dienſt einer beſtimmten politiſchen
Partei geſtellt habe. Das bequeme und wohl auch be-
zeichnende, aber ſehr vorſichtig zu gebrauchende Schlag-
wort von der „ſozialiſtiſchen Epoche der Kunſt“ könnte
ja wohl zu ſolchen Bermuthungen Anlaß geben. Aber
es trifft gerade bei Meunier nicht zu. Wohl nimmt er
mit ganzem Herzen Antheil an dem Schickſal ſeiner
Bergleute, aber er wird darum nicht zum Ankläger gegen
andere ſoziale Schichten, und er hat mit ſeiner Dar-
ſtellung der Arbeit und des Arbeiters ſchließlich keinen
anderen Sweck als Menzel bei ſeinem „Siſenwalzwerk“.
Meunier's letztes Siel iſt ein künſtleriſches, kein politiſches,
denn auch er hatte wohl richtig erkannt, daß Nunſt
und Tendenz nichts miteinander zu thun haben.
Von den Werken des Künftlers darf man die
folgenden als die gelungenſten bezeichnen: „Die Tränke“
(ein Bronzewerk), die Reliefs „Ausfahrt der Bergleute“,
„Die Mine“, „Bergmann vor Ort“ und beſonders den
markanten „Nopf eines Puddlers“, den man als die
populärſte Arbeit Meunier's anſehen kann. Außer dem
künſtleriſchen Werth muß man beſonders die kulturelle
Bedeutung aller dieſer Werke einſehen, ſpäteren Ge-
ſchlechtern werden ſie nicht allein davon berichten, wie
ſich um die Wende des 19. und 20. Jahrhunderts die
moderne Arbeit und der moderne Arbeiter in der
bildenden Kunſt widerſpiegelten, ſondern ſie werden
auch ein anſchauliches Bild von dieſer modernen Arbeit
ſelber geben.
In Deutſchland beſitzt die reichſte Sammlung von
Werken Meunier's das Dresdner Albertinum, dort iſt
auch der erwähnte, vielfach als Signet und Plakette
verwendete „Kopf eines Puddlers“ zu finden.
Die Menzel-Ausskellung in der
Nationalgalerie.
lich zu Stande gebrachte Ausſtellung nach
Menzel's Tode iſt zu einem mächtigen Ereigniß
im Berliner Nunſtleben geworden, wohl zu dem un-
leugbar größten ſeit langen Jahren. Sollte es wirk-
lich Menſchen, gebildete Deutſche geben, welche nur
aus dem Umſtande, daß dem unvergeßlichen Meiſter
höfiſche Auszeichnungen und kaiſerliche Ehrungen wie
keinem Sweiten zu Theil geworden ſind, den Schluß
wagen, Menzel ſei weniger ſeiner ſieghaften Kunſt als
vielmehr ſeiner „patriotiſchen“ Stoffe wegen ſo hoch
über alle zeitgenöſſiſchen Maler erhoben worden — ſollte es
derartige Beurtheiler noch immer geben, dann möchte man
ſich die Genugthuung wünſchen, daß dieſe Leute —
falls ſie nicht freiwillig wollen — zwangsweiſe in die
Räume der Nationalgallerie geführt werden, damit
ihnen dort Gelegenheit geboten werde, ihre Vorurtheile
gegenüber Menzel ein für alle Male abzulegen. Denn
ſein Andenken verdient im deutſchen Volke fleckenlos
bewahrt zu bleiben, gerade weil er den Beweis lieferte,
daß ein Künſtler trotz ſogenannter vaterländiſcher Stoffe
D. von der Leitung unſerer Nationalgallerie glück-
ein wahrhaft großer, unnachahmlicher, ein alle ſeine
Nebenbuhler an Kraft, Würde und Geiſt überragender
Schöpfer des „Kunſtſchönen“ ſein kann. Sein Genie,
ſeine Emſigkeit, ſein eiſerner Wille befähigten ihn ſtets
das zu leiſten, was er einem verdroſſenen Kunſtjünger
einſt dringend empfahl: aus jedem noch ſo gering-
fügigen Motiv etwas echt Künſtleriſches zu geſtalten,
nicht dem Stoffe die Gewalt über den künſtleriſchen
Auch von ihm wird man betonen dürfen, wenn man
die ſchwer überſehbare Fülle dieſer Dokumente ſeines
unvergleichlichen Schaffens betrachtet und bewundert,
wenn man erkannt hat, wie alle noch ſo gewöhnlichen
Wahrheiten ſeiner Stoffwelt durch den Stempel ſeines
vornehmen Geiſtes, ſeiner unabläſſigen Arbeitsbegierde
geadelt erſcheinen, was Goethe's berühmtes Wort über
Schiller herrlich geſagt hat, daß hinter ihm im weſen-
loſen Scheine liegt, was uns Alle bändigt: das Ge-
meine.
Beide oberen Stockwerke der Vationalgallerie
wurden für dieſe 5699 Nummern umfaſſende Rieſen-
ausſtellung umgeſtaltet. Der mittlere Corneliusſaal,
der eine grauleinene Verkleidung und niedrig ange-
ordnetes Gberlicht erhielt, enthält die Oelgemälde des
Meiſters, die durch die Wucht ihrer Sahl, Umfang
mehrerer Stücke und koloriſtiſche Qualitäten die Legende
von der Inferiorität der maleriſchen Fähigkeit des
Menzel'ſchen Pinſels gründlich zerſtört. So zu malen,
wie er, haben ganz gewiß nur wenige ſeiner Alters-
genoſſen vermocht und von namhaften Graphikern
überhaupt keiner. Freilich malte er bei ſeiner Freude
am farbigen Detail anders wie jene, die das Detail
dem Geſammtton unterordnen. Dennoch entſtanden
ſchon in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts
einige Bilder, z. B. zwei Simmerinterieurs und eine
helltönige Landſchaft mit Weiden, bei welchem auch
im Katalog mit Nachdruck vermerkt iſt, daß hier ſogar
moderne koloriſtiſche Probleme behandelt wurden, die
erſt für die folgende Generation künſtleriſch in Frage
gekommen ſind. Im Haupkſaal konzentrirt ſich das
Intereſſe zunächſt auf die großen berühmten Stücke:
Das Königsberger Krönungsbild mit faſt zahlloſen
Porträtfiguren, die Begegnungen Friedrich's des Großen
mit Kaiſer Joſeph II., Blücher's mit Wellington, die
Tafelrunde in Sansſouci, das Flötenkonzert, die Huldi-
gung der Schleſiſchen Stände, Friedrich der Große auf
Reiſen, das Siſenwalzwerk, der zeichnende Chodowiecki,
das noch unvollendete „Bon soir, messieurs“ und das
halbvollendete Schmerzensbild Menzel's aus ſeinem
Nachlaß, die Anſprache Friedrich's des Großen an ſeine
Generale vor der Schlacht bei Leuthen, wo in einer
der Lücken gerade die Figur des Königs fehlt und ver-
ſchiedene Köpfe der ſo wundervoll frei ſund prächtig
bewegten Generale zerkratzt erſcheinen. Daran reihen
ſich zum Entzücken des Beſchauers die allbekannten
kleinen Gemälde des Meiſters aus Verona, Paris u. ſ. w.,
der belebte Tuileriengarten, die Piazza d' Erbe in
Verona, die Abreiſe König Wilhelm's zur Armee, das
Ballſouper, der Palaisgarten des Prinzen Albrecht und
wie dieſe koſtbaren Leinwände, die hier ein vornehm
künſtleriſches Snſemble von unvergleichlicher Wirkung
bilden, ſonſt noch betitelt ſein mögen. Den Abſchluß
dieſer Gruppe bilden Landſchaften und intereſſante
männliche und weibliche Porträts von erleſener Cha-
rakteriſtik und Delikateſſe.
Die Folge der gemalten Arbeiten des Künſtlers
iſt in der That nahezu lückenlos, und es wird kaum
wieder Gelegenheit geboten werden, dieſen von ihren
glücklichen Sigenthümern ängſtlich gehüteten Beſitz ver-