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Nr. 18
Leipꝛiger Nunskbericht.
ie Gemälde— Kollektion, welche zur Seit der Ober-
7 ö lichtſaal des Kunſtvereins birgt, läßt beſonders
2 die Münchner Kunſt in charakteriſtiſchen Stücken
hervortreten. Es ſind nicht Schöpfungen aus der
neueſten Bewegung in der Malerei, dafür aber ſolche, die
jener Periode der Neuzeit angehören, die der Münchner
Kunſt das ihr eigenthümliche Gepräge gegeben hat.
Da iſt nicht bloß Defregger mit mehreren Tyroler
Studienköpfen, einer liebenswürdig geſchilderten Genre-
ſzene „Der Plauſch“ und mit einem größeren Werke
„Der Wallfahrer“, ferner Lenbach, Gabriel Max,
Ernſt Him mermann und andere vertreten, ſondern
es ſind auch einige Bilder von Malern zu finden, deren
Namen zwar in weiteren Kreiſen weniger bekannt ge-
worden ſind, deren Schaffen jedoch von ſeltenem künſt-
leriſchen Feingefühl zeugt. Es ſind dies der Landsmann
Böcklin's, Adolf Stäbli, und der Freund Leibl's,
Johannes Sperl. In ſeiner Heimat ſchon längere
Seit hindurch bekannt, iſt Stäbli in Deutſchland eigent-
lich nur im kleineren Münchner Freundeskreis nach Ver-
dienſt gewürdigt worden. Seine groß geſehenen und
kühn geſtalteten Landſchaften, die noch dazu mit ſo
temperamentvoller Breitzügigkeit hingeſtrichen ſind und
ſo gar nichts von ſubtiler Aus führung an ſich tragen,
beſitzen freilich durchaus nichts Beſtechliches. Tief
und ernſt in Stimmung und Charakter, liegt wenig
Sonnenſchein über ſeine Vaturſchilderungen gebreitet,
da er mit Vorliebe gewitterſchwere Stimmungen, allen-
falls wie das eine hier befindliche Bild, ſtille Abende
mit verlöſchendem Sonnenglanz malte. Stäbli ſoll ſehr
ſchnell gearbeitet haben, und was ihm nicht auf den
erſten Wurf gelang, iſt ſelten bei längerer Feilung unter
ſeiner Band beſſer geworden. Auch der italieniſchen
Landſchaft in Abendſtimmung mit den düſteren Ulmen-
und Sypreſſengruppen von der felſigen Anhöhe ſieht
man es an, daß ihr maleriſcher Eindruck raſch auf die
Leinwand gebannt ſein muß, aber trotzdem haftet an
dieſem Bilde auch nicht ein Schein der Unfertigkeit.
Für dieſe Größe der Auffaſſung iſt eben die Breite der
Darſtellung gerade recht. Alles erſcheint denn auch in
der ganzen Art der Geſtaltung durchaus ſelbſtverſtänd-
lich und vollendet, und nichts iſt darin, das unfertig
erſchiene. Von geradezu klaſſiſcher Einfachheit iſt auch
eine zweite italieniſche Landſchaft in Tagesſtimmung;
wenn ſie auch nicht ſo temperamentvoll gemalt und ſo
bedeutend in der Auffaſſung iſt, als die erſterwähnte.
Die Naturauffaſſung Sperl's äußert ſich durchaus ſchlicht,
aber ſo wahr und voller Kraft, daß man an dieſem
ganz im Lokalton gemalten „Jäger“ im Freien unge-
trübte Freude haben muß. Sperl bildet zu Stäbli mit
ſeiner Malweiſe den direkten Gegenſatz, ohne jedoch
mit ſeiner intimen Feinmalerei kleinlich zu wirken. Auch
der längſt nicht mehr lebende Carl Spitzweg gehört
zu denen, deſſen KRunſt erſt nach dem Tode zur
Schätzung gelangte. Man kann es ſchlechterdings ſchwer
begreiflich finden, daß es eine Seit gab, in der dieſer
jetzt ſo geſchätzte, feinſinnige Nünſtler faſt keine Be-
achtung fand.
Bei Del Vecchio intereſſiren die Skulpturen de-
Fürſten Troubetzkoy, die, ſo breit und kühn auch
manches an ihnen dargeſtellt zu ſein erſcheint, auf die
Dauer doch nicht wirklich zu befriedigen vermögen, da
ihnen unverkennbar zu viel äußerliche Mache anhaftet.
Gewiß hat CTroubetzkoy ein ſcharfes Auge für das
Charakteriſtiſche und es fehlt ihm nicht an temperament-
vollem Geſtaltungsvermögen, aber er verſchmäht es
andererſeits nicht, oftmals zu ſtarken Uebertreibungen
ſeine Zuflucht zu nehmen, um ſchließlich bei der Poſe
zu enden. Dies tritt beſonders auffallend bei der Segantini-
Büſte zu Tage, deren ſelbſtgefälliger Zug durchaus nicht dem
ſchlichten, in ſich gekehrten Weſen dieſes Künſtlers ent-
ſpricht, der weltflüchtig, nur im engſten Verkehr mit 55
Natur lebte. Weitaus glücklicher in der Auffaſſung iſt
die Tolſtoi⸗Büſte. Am treffendſten und ſympathiſchſten
tritt ſeine Eigenart in den Statuetten, namentlich in
denen, die graziöſe Frauenfiguren wiedergeben, und in
den lebendig e Thiergeſtalten hervor.
Im Kunſtſalon Mittentzwei-Windſch befindet
ſich eine Kollektion Candſchaftsbilder 1 8 8 Künſtler,
unter welchen A. K. Brown, G. Coventry, Kay
und Henderſon vertreten ſind, die nach wie vor ihre
elegiſchen Farbenklänge anſtimmen. Von einer Weiter-
entwicklung iſt leider bei keinem dieſer an ſich exzellenten
Maler etwas zu ſpüren. Sie bleiben auf dem erreichten
Standpunkt ſtehen und geſtalten ihre gewonnenen
künſtleriſchen Erfahrungen zu einem Erfolg verheißenden
Rezept aus. Durch friſche Natürlichkeit zeichnen ſich
die italieniſchen Landſchaftsbilder von H. Baumeiſter-
Karlsruhe aus, der eine Anzahl maleriſch erfaßter und
wirkſam dargeſtellter Motive aus der 15 Borgheſe,
dem Forum Romanum 2c. feſtgehalten hat. ,
Srnſt Niesling.
Eugen U Urban.
Mit Illuſtration.
J nter den jüngeren Berliner Bildnißmalern hat in letzter
N22 Seit Eugen Urban — ein geborener Leipziger —
es zu Wege gebracht, den Erfolg an ſeine Schritte zu
heften. Ueber ſeinen Entwicklungsgang ſei kurz geſagt, daß
er an der Leipziger Akademie unter Direktor Nieper die
Grundlagen des Seichnens erlernte, um danach in Weimar
von Frithjof Smith ſich in der Maltechnik unterweiſen zu
laſſen. Sobald er in der Beherrſchung des Cechniſchen ſicher
war, hat er ſich auf eigene Füße geſtellt, und iſt in friſchem
jugendlichen Wagemuth an die verſchiedenſten Aufgaben der
Malerei herangetreten. Sein geſunder Wirklichkeitsſinn hat
ihn dabei ſtets, von ganz geringen Ausnahmen abgeſehen, ſo
glücklich geleitet, daß er auch immer das ſeinen individuellen
Eigenſchaften Entſprechende für ſeine Darſtellungen zu finden
wußte. So ſind denn neben Landſchaften in Verbindung mit
Figuren, auch Interieurs und Genrebilder aus ſeiner ſchaffens-
frohen Hand hervorgegangen. Aber als ſeine vornehmſte
Aufgabe hat er es doch ſtets angeſehen, den Meuſchen in
ſeinen Charaktereigenſ 1 215 zu ſchildern. Seine ſcharfe Be-
obachtungsgabe, ſeine tiefgründige Menſchenkenntniß läßt Urban
zum Porträtmaler beſonders berufen erſcheinen. Denn ohne
den Beſitz eingehender menſchenkenntniß kann ich mir einen
guten Porträtiſten ſchlechterdings nicht denken. Beſitzt er dieſe
nicht, ſo wird er wohl im Stande ſein, ein Fufallsbild zu
geben, wie wir ſie in der Mehrzahl der photographiſchen
Wiedergaben zu finden gewohnt ſind, aber die Schilderung
von dem Weſen einer Perſönlichkeit wird ausbleiben. Wohl
wird das Bild die naturgetreuen Züge des Dargeſtellten ent-
halten können, jedoch von der Denk- und Empfindungsweiſe
desſelben, mit einem Werth von ſeinem inneren Menſchen,
werden wir wenig oder nichts verſpüren. — Anders bei Urban.
Nr. 18
Leipꝛiger Nunskbericht.
ie Gemälde— Kollektion, welche zur Seit der Ober-
7 ö lichtſaal des Kunſtvereins birgt, läßt beſonders
2 die Münchner Kunſt in charakteriſtiſchen Stücken
hervortreten. Es ſind nicht Schöpfungen aus der
neueſten Bewegung in der Malerei, dafür aber ſolche, die
jener Periode der Neuzeit angehören, die der Münchner
Kunſt das ihr eigenthümliche Gepräge gegeben hat.
Da iſt nicht bloß Defregger mit mehreren Tyroler
Studienköpfen, einer liebenswürdig geſchilderten Genre-
ſzene „Der Plauſch“ und mit einem größeren Werke
„Der Wallfahrer“, ferner Lenbach, Gabriel Max,
Ernſt Him mermann und andere vertreten, ſondern
es ſind auch einige Bilder von Malern zu finden, deren
Namen zwar in weiteren Kreiſen weniger bekannt ge-
worden ſind, deren Schaffen jedoch von ſeltenem künſt-
leriſchen Feingefühl zeugt. Es ſind dies der Landsmann
Böcklin's, Adolf Stäbli, und der Freund Leibl's,
Johannes Sperl. In ſeiner Heimat ſchon längere
Seit hindurch bekannt, iſt Stäbli in Deutſchland eigent-
lich nur im kleineren Münchner Freundeskreis nach Ver-
dienſt gewürdigt worden. Seine groß geſehenen und
kühn geſtalteten Landſchaften, die noch dazu mit ſo
temperamentvoller Breitzügigkeit hingeſtrichen ſind und
ſo gar nichts von ſubtiler Aus führung an ſich tragen,
beſitzen freilich durchaus nichts Beſtechliches. Tief
und ernſt in Stimmung und Charakter, liegt wenig
Sonnenſchein über ſeine Vaturſchilderungen gebreitet,
da er mit Vorliebe gewitterſchwere Stimmungen, allen-
falls wie das eine hier befindliche Bild, ſtille Abende
mit verlöſchendem Sonnenglanz malte. Stäbli ſoll ſehr
ſchnell gearbeitet haben, und was ihm nicht auf den
erſten Wurf gelang, iſt ſelten bei längerer Feilung unter
ſeiner Band beſſer geworden. Auch der italieniſchen
Landſchaft in Abendſtimmung mit den düſteren Ulmen-
und Sypreſſengruppen von der felſigen Anhöhe ſieht
man es an, daß ihr maleriſcher Eindruck raſch auf die
Leinwand gebannt ſein muß, aber trotzdem haftet an
dieſem Bilde auch nicht ein Schein der Unfertigkeit.
Für dieſe Größe der Auffaſſung iſt eben die Breite der
Darſtellung gerade recht. Alles erſcheint denn auch in
der ganzen Art der Geſtaltung durchaus ſelbſtverſtänd-
lich und vollendet, und nichts iſt darin, das unfertig
erſchiene. Von geradezu klaſſiſcher Einfachheit iſt auch
eine zweite italieniſche Landſchaft in Tagesſtimmung;
wenn ſie auch nicht ſo temperamentvoll gemalt und ſo
bedeutend in der Auffaſſung iſt, als die erſterwähnte.
Die Naturauffaſſung Sperl's äußert ſich durchaus ſchlicht,
aber ſo wahr und voller Kraft, daß man an dieſem
ganz im Lokalton gemalten „Jäger“ im Freien unge-
trübte Freude haben muß. Sperl bildet zu Stäbli mit
ſeiner Malweiſe den direkten Gegenſatz, ohne jedoch
mit ſeiner intimen Feinmalerei kleinlich zu wirken. Auch
der längſt nicht mehr lebende Carl Spitzweg gehört
zu denen, deſſen KRunſt erſt nach dem Tode zur
Schätzung gelangte. Man kann es ſchlechterdings ſchwer
begreiflich finden, daß es eine Seit gab, in der dieſer
jetzt ſo geſchätzte, feinſinnige Nünſtler faſt keine Be-
achtung fand.
Bei Del Vecchio intereſſiren die Skulpturen de-
Fürſten Troubetzkoy, die, ſo breit und kühn auch
manches an ihnen dargeſtellt zu ſein erſcheint, auf die
Dauer doch nicht wirklich zu befriedigen vermögen, da
ihnen unverkennbar zu viel äußerliche Mache anhaftet.
Gewiß hat CTroubetzkoy ein ſcharfes Auge für das
Charakteriſtiſche und es fehlt ihm nicht an temperament-
vollem Geſtaltungsvermögen, aber er verſchmäht es
andererſeits nicht, oftmals zu ſtarken Uebertreibungen
ſeine Zuflucht zu nehmen, um ſchließlich bei der Poſe
zu enden. Dies tritt beſonders auffallend bei der Segantini-
Büſte zu Tage, deren ſelbſtgefälliger Zug durchaus nicht dem
ſchlichten, in ſich gekehrten Weſen dieſes Künſtlers ent-
ſpricht, der weltflüchtig, nur im engſten Verkehr mit 55
Natur lebte. Weitaus glücklicher in der Auffaſſung iſt
die Tolſtoi⸗Büſte. Am treffendſten und ſympathiſchſten
tritt ſeine Eigenart in den Statuetten, namentlich in
denen, die graziöſe Frauenfiguren wiedergeben, und in
den lebendig e Thiergeſtalten hervor.
Im Kunſtſalon Mittentzwei-Windſch befindet
ſich eine Kollektion Candſchaftsbilder 1 8 8 Künſtler,
unter welchen A. K. Brown, G. Coventry, Kay
und Henderſon vertreten ſind, die nach wie vor ihre
elegiſchen Farbenklänge anſtimmen. Von einer Weiter-
entwicklung iſt leider bei keinem dieſer an ſich exzellenten
Maler etwas zu ſpüren. Sie bleiben auf dem erreichten
Standpunkt ſtehen und geſtalten ihre gewonnenen
künſtleriſchen Erfahrungen zu einem Erfolg verheißenden
Rezept aus. Durch friſche Natürlichkeit zeichnen ſich
die italieniſchen Landſchaftsbilder von H. Baumeiſter-
Karlsruhe aus, der eine Anzahl maleriſch erfaßter und
wirkſam dargeſtellter Motive aus der 15 Borgheſe,
dem Forum Romanum 2c. feſtgehalten hat. ,
Srnſt Niesling.
Eugen U Urban.
Mit Illuſtration.
J nter den jüngeren Berliner Bildnißmalern hat in letzter
N22 Seit Eugen Urban — ein geborener Leipziger —
es zu Wege gebracht, den Erfolg an ſeine Schritte zu
heften. Ueber ſeinen Entwicklungsgang ſei kurz geſagt, daß
er an der Leipziger Akademie unter Direktor Nieper die
Grundlagen des Seichnens erlernte, um danach in Weimar
von Frithjof Smith ſich in der Maltechnik unterweiſen zu
laſſen. Sobald er in der Beherrſchung des Cechniſchen ſicher
war, hat er ſich auf eigene Füße geſtellt, und iſt in friſchem
jugendlichen Wagemuth an die verſchiedenſten Aufgaben der
Malerei herangetreten. Sein geſunder Wirklichkeitsſinn hat
ihn dabei ſtets, von ganz geringen Ausnahmen abgeſehen, ſo
glücklich geleitet, daß er auch immer das ſeinen individuellen
Eigenſchaften Entſprechende für ſeine Darſtellungen zu finden
wußte. So ſind denn neben Landſchaften in Verbindung mit
Figuren, auch Interieurs und Genrebilder aus ſeiner ſchaffens-
frohen Hand hervorgegangen. Aber als ſeine vornehmſte
Aufgabe hat er es doch ſtets angeſehen, den Meuſchen in
ſeinen Charaktereigenſ 1 215 zu ſchildern. Seine ſcharfe Be-
obachtungsgabe, ſeine tiefgründige Menſchenkenntniß läßt Urban
zum Porträtmaler beſonders berufen erſcheinen. Denn ohne
den Beſitz eingehender menſchenkenntniß kann ich mir einen
guten Porträtiſten ſchlechterdings nicht denken. Beſitzt er dieſe
nicht, ſo wird er wohl im Stande ſein, ein Fufallsbild zu
geben, wie wir ſie in der Mehrzahl der photographiſchen
Wiedergaben zu finden gewohnt ſind, aber die Schilderung
von dem Weſen einer Perſönlichkeit wird ausbleiben. Wohl
wird das Bild die naturgetreuen Züge des Dargeſtellten ent-
halten können, jedoch von der Denk- und Empfindungsweiſe
desſelben, mit einem Werth von ſeinem inneren Menſchen,
werden wir wenig oder nichts verſpüren. — Anders bei Urban.