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Die Kunst-Halle — 10.1905

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Nummer 2 (15. Oktober 1904)
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Frankfurt a. M.: Kunstbrief
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Berliner Kunstschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.66262#0032

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N 2

die Sache oft leicht macht. Amandus Faure zählt
ebenfalls in der Reihe der Neueren und Anton Colli
gebärdet ſich in ſeinen fünf Bildern ſehr eigenwillig.
Er ſtellt jugendliche Geſtalten, meiſt nur in Kopf- oder
Halbakt vor eine verſchwommene Landſchaft und mo-
delliert die trüben, zähen Farbenmaſſen zu einem Flach-
relief heraus, daß die Bilder faſt ein Mittelding zwiſchen
Malerei und Plaſtik darſtellen. Auguſt Kühles malt
mittelalterliche Burghöfe und weiß den archäiſtiſchen
Seitcharakter bis zu einer gewiſſen Grenze anſchaulich
zu treffen. Max Kuſchel's Arbeiten gehen unleugbar
auf Böcklin's Palette zurück; eine gewiſſe Leichtigkeit
der Darſtellung nimmt für ſich ein und prädeſtinirt
den Künſtler für Stoffe, die weder herbe Vergeiſtigung
noch pſychologiſche Verinnerlichung beanſpruchen. Be-
weis: Das bibliſch⸗humoriſtiſche Sujet der „badenden
Suſanne.“ Von Thoma ſind einige Landſchaften, darunter
eine „Sugſpitze mit Sibſee“ ſehr fein in der Auf-
faſſung; zwei Porträts von „Onkel und Tante“, die
der Sweiundzwanzigjährige im Jahre 1861 malte, ſind
lediglich als Jugendwerke zu betrachten. Die Lenbach-
Ausſtellung endlich iſt eine der hervorragendſten Serien,
die Hermes ſeit langem arrangirt hat. Ein volles hal-
bes Hundert Werke ſind hier zu ſehen und es würde
den Raum dieſes Aufſatzes überſchreiten, wollten wir
in eine nähere Beſchreibung einzelner Werke eingehen.
Was auch ließe ſich über Lenbach Neues ſagend Seine
Einſeitigkeit war ſeine Größe! ..

Bei Schneider⸗-Andreas brachte Trübner wieder
einen Rückblick auf ſein „oeuvre“. Ein Chriſtus von
1874, ein paar Thierſtücke, die eine graue Dogge
darſtellen, das ſind ſo ein paar Stichproben aus
der Trübnerſerie, die auch heute noch dem Publikum
manche Nuß zu knacken giebt. Weniger groß-
zügig ſind die Werke der nun folgenden Künftler:
Paul Andorff's Architekturen zielen auf intime Wir-
kungen ab und ſpiegeln eine altreichsſtädtiſche Welt im
Kleinen wieder. Fritz Grätz bringt Szenerien aus
Rothenburg, dem maleriſchen Landſtädtchen an der
Tauber.

Bei Goldſchmidt zeigte germann Rühdiſüli
ſeine kleinen Phantaſielandſchaften, die in der Wolken-
behandlung eine etwas ſelbſtgefällige Virtuoſität ent-
wickeln und hierin Böcklin's Studium verraten, aber
im Vebrigen einen kräftigen Zug zur Selbſtändigkeit
dokumentieren. Aeltere, aber gute Kunſt vermitteln
uns drei „alte Herren“: Der achtzigjährige Anton
Burger: „Inneres eines Kronberger Geſchäfts“, die
Landſchaft Peter Burnitz und das Michelſtädter
Architekturſtück des jüngſt verſtorbenen Peter Becker.


widmet, die der Kunſtverein zur Seit arrangirt hat.
Man hat Becker nicht mit Unrecht den neuen Merian
genannt; die Rekonſtruktion alter maleriſcher Städte-
bilder war ſeine Spezialität und Frankfurt zumal hat
in ihm einen unübertrefflichen Schilderer erhalten.
Nicht das moderne, das elegante Frankfurt, nein, das
reichsſtädtiſche, das „alte“ Frankfurt, etwa um die Seit,
da der junge Goethe im „blowen Kittel“ aus ſeinem
kleinen Stubenfenſter am Hirſchgraben in die Gärten
der Nachbarshäuſer nach jungen Mädchengeſichtern Um-
ſchau hielt. Becker malte nur, oder wenigſtens faſt
ausſchließlich Aquarelle. Seine Manier war eine
höchſt originelle: Erſt entwarf er das Bild in genauer
Seichnung, dann legte er ſeine feinen und zarten Töne
an und mit Pariſer Kreide überzeichnete er in höchſt
detaillierter Weiſe das ganze Bild, das ſich ſonach als
eine Art Mittelglied zwiſchen Aquarell und Seichnung
darſtellte,

Auch Heinrich Haſſelhorſt, der vor Wochen
hochbetagt ſtarb, iſt mit einer Nachlaßausſtellung ver-
treten. Er war kein Eigener wie Peter Becker, aber
Fleiß und ein tüchtiges und wackeres Streben war auch
ihm eigen; die Griſaillen aus früheren Jahrzehnten
zeigen ſein Talent am beſten. Bugo Elkan iſt der
dritte im Bunde dieſer dahingegangenen Frankfurter
Maler. Ein noch junger Porträtiſt, hat ihn ein tra-


entzogen. Wer ſeine farbenfrohen Bildniſſe betrachtet,
glaubt nicht, daß dieſem Armen die Todespein im
Hospital die Waffe in die Hand gedrückt..

Mitten im ſchaffensfrohen Daſein, getragen von
der Gunſt des fürſtlichen Gönners, ſteht der Darm-
ſtädter Künſtler, der im Kunſtverein zwei Interieurs
zur Ausſtellung brachte. Olbrich iſt in der Wieder-
gabe immer neuer und neueſter Dekorationsmotive un-
ermüdlich, daß er mit manchen vorbeiſchießt, ficht ihn
nicht an. CThatſächlich hat er die moderne Interieur-
kunſt mit Neuem bereichert. Seine eckigen Ornamente,
ſeine ſteifen Möbel geben ſeinen hier gezeigten
Interieurs das Gepräge. Leicht, fein, graziös und
liebenswürdig, wogt und lebt ein Zug Wienerthum
durch dieſe Schöpfungen. Bodenſtändige, urſprüngliche
„Darmſtädter Nunſt“ aber iſt das nicht; der Abſtand
mit dem, was aus alter Darmſtädter Seit künſtleriſchen
Charakter beſitzt, iſt doch etwas allzugroß.

N

Zerliner Kunstschau.

ſtehen im Seichen der großen Meiſter. Im

Z Künftlerhaufe iſt es Eduard von Gebhardt

und im Salon Schulte Arnold Böcklin und Franz von
Lenbach, welche die Ehrenſäle füllen. Dazu geſellt ſich
die Shrung eines Siebzigjährigen. Am 25. September
dieſes Jahres hatte Louis Douzette in aller Stille
die bibliſche Altersgrenze überſchritten. Man wird hie
und da erſtaunt aufſchauen und nicht glauben wollen,
daß Douzette ſchon zu den Jubelgreiſen gehöre, denn
ſeine Kunſt ſteht noch in Saft und Kraft, wie bei einem
Fünfzigjährigen. Das kommt daher, daß Douzette ſich
unter ſchweren Kämpfen vom niedrigen Handwerk zur
Kunſt emporgearbeitet und verhältnißmäßig ſpät zum
Landſchaftsmaler gediehen iſt. Den Seitverluſt ſcheint
er nun durch Langlebigkeit ausgleichen zu wollen. Im
Künſtlerhauſe hat man einer Sammlung ſeiner Werke
einen Saal gewidmet. Der Anblick iſt recht erfreuend.
Eine in ſich gefeſtete und gereifte Charaktererſcheinung,
ein treues und ſtetiges Arbeiten und Streben und ein
ſo heimatſeliges Naturgefühl, das von Herzen kommt,
wird immer auch zu Herzen gehen. Aus der Sonder-
ausſtellung wird erſichtlich, daß Douzette ein weit-
gereiſter Landſchafter und nicht blos Mondſcheinmaler
iſt. Seine erſten Erfolge zu Ende der ſechziger Jahre
waren Mondſcheinbilder und dieſe bedünkten ſo erſtaun-
lich ſchön und meiſterhaft, daß alle Welt von Douzette
immer nur mondbeglänzte Nachtſtücke haben wollte. Der
Künſtler ſah ſich auf ſeinen Erfolg geradezu feſtgenagelt
und es bedurfte einer heroiſchen Kraftanſtrengung, ſich
auch am helllichten Tage zur Geltung zu bringen.
Gewiß ſind die Nachtbilder die Krone ſeines Lebens-
werks, ſie variiren von der Mitternachtsſonnengluth in

D. Herbſtausſtellungen in den Berliner Kunſtſalons
 
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