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Die Kunst-Halle — 10.1905

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Nummer 4 (15. November 1904)
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Gagliardi, Ernesto: Aus Italien
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Das Mesgad-Museum im Haag, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.66262#0066

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52 Die

an der Ruheſtätte des Künftlers ein angemeſſenes Grab-
mal zu errichten, das ihm auf hundert Golddukaten zu
ſtehen kam. Darüber ließ Poliziano, der große Numaniſt
und Buſenfreund des Magnifico, die bekannte lateiniſche
Grabinſchrift einmeißeln, in welcher er ihm, wie ſchon
früher für andere große Meiſter geſchehen, nachrühmt,
die Natur übertroffen zu haben. Sur allgemeinen Be-
ſtürzung wurde nun bei der Verlegung des Grabmals
feſtgeſtellt, daß dieſe pompöſe Inſchrift nur eine Myſti-
fikation iſt, denn von der ſterblichen Hülle desjenigen,
den ſie verherrlicht, war in dem Grabe nichts zu ſehen.
Wahrſcheinlich beließ man, als Urban VIII. von Bernini
einen Teil des Domes — auch Aſſunta genannt — um-
bauen ließ, wobei eine erſte Verlegung des Künftler-
grabes nothwendig war, die Leiche an der urſprünglichen
Stelle, im Chor unter der Orgel. Dort befindet ſich
zwar eine ſteinerne Platte, die auf ein Grab ſchließen
läßt, die darauf eingegrabenen Buchſtaben laſſen jedoch
den Namen des Künſtlers nicht erkennen. Trotzdem hat
man beſchloſſen, bei Vornahme der zur Befeſtigung der
Kirche erforderlichen Arbeiten nichts unverſucht zu laſſen,
um das Räthſel zu Nutz und Frommen der Kunft-
befliſſenen zu löſen.

Auch anderswo gab es Enttäuſchungen. Die Mit-
theilung des Herrn De Defin, er habe im Louvre das
einzige Selbſtporträt Michelangelo's aufgeſtöbert, iſt
von zahlreichen Kunſtblättern in allen Welttheilen auf-
genommen worden. Sum größten Leidweſen des Herrn
De Väöſin ſtimmt jedoch die Sache nicht ganz. Herr
De Veſin hat behauptet, es handele ſich um das Selbſt-
porträt Michelangelo's, das lange Seit im Beſitz der
Strozzi in Florenz war. Dem gegenüber veröffentlichte
Corrado Ricci, der gegenwärtige Leiter der Ufftzi, in
den italieniſchen Seitungen eine Abſchrift des Briefes,
durch welchen der Herzog Strozzi am 11. Juli lee
das vielumworbene Bildniß an die letzgenannte Kunſt-
ſammlung überwies, wo es ſich noch in ſicherer Obhut
befindet. So kommt Paris um dieſe große Kunſtzierde,
kann ſich jedoch mit dem Gedanken tröſten, daß es
autzer Florenz kaum einen zweiten Ort in der Welt
giebt, der ſich rühmen kann, ein Selbſtbildniß des
„Schöpfers“ der Cappella Siſtina zu beſitzen. Michelangelo
hat zwar in den Statuen, die er gemeißelt hat, die
Süge von Julius II. und Lorenzo und Giuliano de
Medici der Nachwelt überliefert, ſeine Perſon hielt jedoch
der Meiſter für viel zu gering, um ſie der Verewigung
für würdig zu erachten. Condivi und Vaſari, die doch
mit den Angelegenheiten Michelangelo's vertrauter als
Herr De Véſin waren, wußten nichts von einem zweiten
Selbſtporträt zu berichten.

Dagegen ſoll nach der Anſicht von Carducci und
Iſidoro del Lungo, den darin maßgebendſten Perſönlich-
keiten in Italien, ein kleines Bildniß von Dante, das
Livi am Rand eines Pergamentkodex aus dem 12. Jahr-
hundert gefunden hat, den leibhaftigen Dante darſtellen,
wie er vor der Muſe knieend, mit dem Lorbeerkranz
gekrönt wird. Es handelt ſich um einen jener Codices,
die man „Memoriali“ nannte, weil die Notare darin
einen Auszug der von ihnen aufgenommenen Urkunden
zu verzeichnen pflegten. Das betreffende Exemplar ge-
hörte dem Notar Uguccione Bambaglioli, deſſen Familie
einen der allererſten Kommentatoren der Divina Comme-
dig, den bekannten Grazioli, ſtellte. Die Annahme
gewinnt an Wahrſcheinlichkeit, nicht nur durch die
Autorität des Herrn Livi, des gegenwärtigen Leiters
des Bologneſer Staatsarchivs, ſondern weil Giovanni
del Dirgilio, ein eifriger Verkünder des Ruhmes
Alighieri's, ihn wirklich aufforderte, ſich in Bologna
mit dem ſymboliſchen Lorbeerzweig krönen zu laſſen,

eine Aufforderung, die Dante mit dem Hinweis auf
die zahlreichen Feinde ablehnte, die er, der unverſöhnliche
Ghibelline, in Bologna hatte. Vielleicht hoffte er auch
im Stillen, dereinſt in Florenz dieſe erſehnte Auszeichnung
zu empfangen.“ ]

In der jüngſten Seit ſind von den Lippen mancher
beſorgter Volksvertreter in der italieniſchen Kammer
betrübende Mittheilungen über den kläglichen Suſtand
faſt ſämmtlicher antiker Bauten monumentaler Bedeutung,
wie über den fortſchreitenden Verfall der alten Fresken,
die die Wände ſo vieler von ihnen ſchmücken, gefallen.
Die Kuppel der Madonna dei Miracoli bei Saronno,
eine Art Sixtiniſche Kapelle des Nordens, nur daß die
Malereien ſtatt von Michelangelo von Bernardino Luini
und Gaudenzio Ferrari herrühren, droht einzuſtürzen.
Das „Abendmahl“ von Leonardo da Vinci in Mailand
kann man, obſchon in den letzten Tagen ein verzweifelter
Verſuch zu deſſen Erhaltung beſchloſſen wurde, als ganz
verloren anſehen. Der neue Miniſter für die Schönen
Künſte, Berr Orlando, der ſich die äußerſte Aufrichtig-
keit zur Richtſchnur gemacht zu haben ſcheint, hat die
Bitte um Gewährung eines außerordentlichen Stats zur
Erhaltung einer großen Anzahl gefährdeter Kunſt-
ſchöpfungen kurz und bündig mit der Erklärung abgelehnt,
außer dem vorgeſehenen Fonds ſei kein Heller zu dieſem
löblichen Sweck vorhanden. Beſagter Fonds beträgt
4899871 Lire jährlich, es wird jedoch zu anderen
Swecken ſoviel davon abgezogen, daß für die Erhaltung
und die Reparaturen von Gebäuden, Gemälden 2C.,
einige Tauſend an der Sahl, nicht ganz 200 000 Lire
jährlich zurückbleiben. So iſt es gekommen, daß die
italieniſche Kammer über die Mittheilung des Herrn
Orlando, er könne nichts thun, um den altersgeweihten,
ruhmumwobenen Palazzo Farneſe in den Beſitz Italiens
zu bringen, einfach zur Tagesordnung übergehen konnte,
während die franzöſiſche Kammer 5 700 000 Francs zu
deſſen Erwerb, als ſtändigen Sitz des franzöſiſchen Bot-
ſchafters in Rom, einſtimmig bewilligt hat.

E. Gagliardi.

Das NMesdag-useum im Naag.

. I er berühmte holländiſche Maler H. W. Mesdag im Haag
hat die von ihm ſeit einigen Dezennien mit feinem
* Kunftfinn und reichen Mitteln geſammelten Kunſtſchätze
lobeſamer Weiſe dem holländiſchen Staate geſchenkt. Die
Schätze ſind in einem vor ca. 15 Jahren für dieſen Zweck er-
richteten Gebäude untergebracht. Die Räume haben an und
für ſich gutes Licht, nur für die großen Bilder ſind die
Diſtanzen zu klein. Die 256 Bilder von 82 Meiſtern in
monotonen Goldrahmen ſind glücklicher Weiſe auf gelb ge-
haltenen Wänden aufgehängt, ſo daß die Wand gewiſſermaßen
als Rahmen mitwirkt. Beſonders gut ſind die franzöſiſchen
Meiſter ſeit 1850 und die modernen Holländer vertreten,
während andere Länder erheblich nachſtehen. Vorab ſeien
Goya, Munkacsy, Monticelli und A. Mancini, letzterer an-
ſcheinend ein Protegémeiſter Mesdag's, genannt. }
Die Reihe der franzöſiſchen Meiſter beginne ich mit einer
„Studie dreier Pferdekruppen“ von Gericault, einer „Kohle-
zeichnung“ und einem kleinen Gelbild von Delacroix. Diaz iſt
mit acht Bildern vertreten, darunter eine feine „kleine Land-
ſchaft“, eine „Hochgebirgslandſchaft“; einer „Nymphe im Walde“
 
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