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Die Kunst-Halle — 10.1905

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Nummer 15 (1. Mai 1905)
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Thomas, Bertha: Von Londoner Kunst
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Dworaczek, Wilhelm: Von Wiener Kunst: Frühjahrsausstellung der Sezession
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https://doi.org/10.11588/diglit.66262#0266

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230


Nr. 5

das ſelten durchführbar iſt. Lavery, der Vice-Prä-
ſident, ſandte zwei Bildniſſe vortrefflicher Qualität, voll-
kommen würdig ſeines bewährten Namens. Die Palme
auf dieſem Gebiet gebührt indeſſen Blanche's „Mädchen
im Sommer“, das offenbar Porträt, jedoch mit einer
ſich frei und natürlich gebenden Originalität gemalt
iſt, die es zu einem Werke ſchöpferiſcher Kraft ſtempelt
— woran es eben leider den meiſten Darbietungen
dieſer Ausſtellung gebricht.

Weit zweckentſprechender war die Ausſtellung fran-
zöſiſcher Impreſſioniſten in der Grafton-Gallerie. Groß
genug und von einheitlichem Charakter, war ſie wohl
geeignet, einen charakteriſtiſchen Ueberblick einer Be-
wegung zu geben, die jetzt der Geſchichte angehört.
Da waren Werke von Manet, Monet, Piſſarro,
Sisley, Renois, Boden, Degas ; u deren
Schule auf die engliſche Kunſt entſchieden nicht ohne
Einfluß war, jedoch ohne eine ſenſationelle oder gar
revolutionäre Wirkung auszuüben. Und das mag daher
kommen, daß bis zu einem gewiſſen Grade ſchon von
Turner und Conſtable die gleiche Tendenz ausging
und ſo weit eben acceptirt wurde. Aber die Vernach-
läſſigung oder gar gefliſſentliche Ablehnung der Schön-
heit als Sweck, wozu die Führer des Impreſſionismus
ſich bekennen, iſt und bleibt dem Engländer antipathiſch,
und ſeine Bewunderung ihrer ſo außerordentlich ge-
ſchickten Leiſtungen iſt obwohl laut, doch kalt.

Die zur Seit in der New Gallery ſtattfindende
Whiſtler-Ausſtellung iſt allgemein als eine durchaus an-
gemeſſene Veranſtaltung mit Freuden begrüßt worden,
und dieſes vielſeitigen Küaſtlers Laufbahn in ſeinen
Werken vorzuführen, iſt kein geringes Unternehmen.
Die Sammlung umfaßt 70 - 80 Gelgemälde, von
„La Mere Gerard“ an, ſeinem erſten zur Ausſtellung
gelangten Werk, das er ſeinem Freunde Algernon
Swinburne ſchenkte, bis zu dem ungenannten „Kopf
eines Mädchen“, das als ſein zuletzt gemaltes Bild be-
zeichnet wird. An Radierungen ſind 147 vom König
hergeliehene und autzerdem etwa 400 andere vor-
handen; ferner zahlreiche Seichnungen und Ctiho-
graphien. Obwohl das in Schaaren herbeiſtrömende
Publikum wohl mehr, wie wir fürchten, von der
künſtleriſchen Mode des Tages beeinflußt, als in
richtiger Würdigung der hervorragenden Qualitäten
Whiſtler's ſich einfindet, da letztere viel zu fein für die
Maſſen ſind, ſo iſt dennoch mit dieſer Ausſtellung ſeine
vornehme und bedeutende Stellung in der großen
Oeffentlichkeit befeſtigt. Es iſt dies auch kein Wunder.
Werke, wie das Porträt „Meine Mutter“ (durch Güte
des Präſidenten Loubet aus dem Luxembourg ge-
liehen), das Bildniß Carlyle's; das der Miß Alexander;
das unter dem Namen „das Pelzjacket“ bekannte; die
„Symphonie in Weiß“ und „Am Klavier“ ſind ſämmt-


ihrer eigenen, anſtatt in der gemiſchten Geſellſchaft der
Muſeen und Ausſtellungen ſich zeigten. Unter den
Porträts ſind noch zu nennen die von Saraſate, von
Henry Iroing als Philipp II. von Spanien in
Tennyſon's Drama „Queen Mary“; von Teodore
Duret; von Miß Agnes Alexander, wie auch ein aus-
gezeichnetes Selbſtbildniß des Künſtlers. Sie alle ver-
dienen faſt bedingungsloſes Lob, würden aber ihrer
ruhigen Wirkung halber leicht durch auffallendere Bilder
in den Schatten geſtellt werden. Das „Weiße Mädchen“
finden manche freilich noch in der Behandlung ontrirt,
doch ein anziehenderes Bild hat Whiſtler nie gemalt,
und wir möchten es nicht in dieſer Ausſtellung miſſen.
Es iſt unmöglich, von der Mannigfaltigkeit und Reich-
haltigkeit derſelben in einer ſummariſchen Beſprechung

einen Begriff zu geben. Su den weniger bekannten
Gemälden Whiſtler's gehören die beiden aus dem
Boſtoner Muſeum geliehenen „Der Schmied von Lyme
Regis“, welcher Studienkopf eines Nandwerkers eine
merkwürdige Vereinigung von Kraft und maßvoller
Ruhe zeigt, und „Die kleine Roſe von Lyme Regis“,
ein kleines Mädchen mit braunem Haar, in ſchwarzem
Kleid und rother Schürze darſtellend; beide in halber
Figur gemalt. Auffallend ſchön ſind zwei Seeſtücke
„Die blaue Woge“ und „Die Vüſte der Bretagne“,
die er auf einer mit ſeinem Freund Courbet unter-
nommenen Küſtentour gemalt hat. Die „Nocturnes“
und andere Skizzen, die für das Auge gewöhnlicher
Beſchauer etwas Verblüffendes haben, werden jetzt von
der Kritik mit Lob überſchüttet, als wolle man die
vormals auf ſie gehäuften Schmähungen wett machen
Entſchieden liegt aber gerade hier, wie ſo manches
Mal bei ihm, der Verdacht nahe, daß er es zuweilen
nicht mit der Kunſt oder ſich ſelbſt oder dem Publikum
ernſt nahm — ein ſchwerer Vorwurf für Jeden, auch
wenn er ein Genie iſt. Alles in Allem hat ſich in:
deſſen dieſe Ausſtellung, die uns eine der eigenartigſten
und intereſſanteſten Künſtlerlaufbahnen als ein ge-
ſchloſſenes Ganzes vorführt, ebenſo erfolgreich, wie be-
deutſam erwieſen. Nie wird man mehr über dieſen
Künſtler nach den perverſen Theorien urtheilen dürfen,
zu denen er ſich allerdings bekannt hat, die er jedoch
unbewußt verleugnete, auch nicht nach ſeiner gelegent-
lichen Manierirtheit, die von ſeinem wahren Weſen
und Können durchaus zu trennen iſt. Angeſichts der
Lebensarbeit zweier in ihren Grundſätzen ſo entgegen-
geſetzter Maler, wie Watts und Whiſtler, muß man
ſich wahrlich die Worte George Sand's zurückrufen,
die ſie hinſichtlich des Kampfes zwiſchen „Realismus“
und „Idealismus“ in der Litteratur ſprach:

„Der Sieg wird immer nur das Privilegium
Weniger ſein, die ihren eigenen Weg gehen, während
die Meinungsſtreitigkeiten der Schulen kommen und
gehen, wie die wechſelnden Moden.“

Von Wiener Kunst.

Frühjahrsausſtellung der Sezeſſion.

niſten aufhören provokatoriſch zu wirken, gewinnen
ſie an Schlichtheit und innerm Gehalt, und dies
macht ihre Ausſtellungen zwar minder intereſſant und
aufregend, aber erſprießlicher für den lediglich ge-
nießenden Beſucher. Wir beginnen dieſes Mal mit
einem Ausländer, Walter Leiſtikow, der reichlich ver-
treten iſt und deſſen ſtiliſirte Candſchaften, die ſtets auf
die panneauxartige Wirkung großer Farbflächen hin-
zielen, immer mehr das Befremdende verlieren, das ſie
bei vereinzelter Begegnung früher ſtets hervorriefen.
Auch die übrigen Landſchafter der Sezeſſion haben ſich
mit meiſt vortrefflichen Werken eingefunden, bei denen
die Naturbeobachtung obenan ſteht, ob man ſich auch
noch mit mancher der angewendeten Techniken nicht
völlig zu befreunden vermag. So wirkt Alois Häniſch
bei aller unmittelbaren Friſche der Stimmung doch noch
ziemlich roh hingeſtrichen, und bringt durch die faſt
geſuchte Breite ſeiner Pinſelführung, die gut beobachteten
Naturſtimmungen um jede feinere Wirkung. Vortrefflich

I' dem Maße, in welchem die Werke der Sezeſſio-
 
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