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Nr. 10
ſchilderung ſteht unleugbar A. Achenbach, dem die
Ausſtellung zugleich im Hinblick auf ſeinen 90. Geburts-
tag, der am 29. September ſtattfinden wird, mit 16 Ge-
mälden einen Ehrenplatz einräumt. Achenbach, deſſen
Realismus ebenfalls in der altholländiſchen Richtung
wurzelt, iſt mit ſeinem eminenten Können der virtuoſeſte
Schilderer der Natur, nach holländiſchem Begriff, der
Schildern und Malen bekanntlich identifizirt ... Wie
reich und mannigfaltig aber die künſtleriſchen Em-
pfindungen gerade dieſer Epoche (1850 — 1875), die man
als eine Art Ruhmeszeit lediglich für die franzöſiſche
Landſchaftskunſt bisher bezeichnete, auch bei uns ge-
weſen ſind, erkennt man, wenn man die damals ent-
ſtandenen Werke der in dieſer ſchönen Sammlung ver-
tretenen Meiſter bewegten und gehobenen Herzens
durchgeht; ſie läßt uns nur einige Proben von der
Nand Ad. Menzel's aus bekannten Gründen vermiſſen.
Aber wir ſehen neben den beiden Achenbach's den Be-
gründer der Dachauer Schollenkunſt Ed. Schleich, den
intim wirkenden Karl Spitzweg, den großzügigen
Auguſt Leu, Hans Gude, Ad. Lier und namentlich
A. Böcklin, in welchem das ideale Element gipfelt.
In zweiter Reihe ſtehen ferner bekannte Namen, wie
Karl Graeb, der Berliner Architekturmaler, Ch.
Noguet, der Berliner Koloriſt, der ſo ſehr an den
alten Berghem erinnert, Graf St. Kalckreuth, der
berühmte Alpenmaler, W. Gentz, der Grientſchilderer,
M. B. Sſchke, Peter Burniz aner ag AC,
V. Ruths⸗ Hamburg, der famoſe ehrliche Bennewitz
von Loefen d. A., Maximilian Schmidt-Königs-
berg, denen ſich dann unbekannte Namen, wie J. G.
Steffan, Aug. Weber, Ludwig Beier, Karl
Ebert, G. A. Friedrich, R. Burnier, deſſen mit
Vieh ſtaffirte mondbeglänzte Candſchaften von Troyvon
beeinflußt erſcheinen, u. A. anreihen.
Selbſt das Schlußviertel des Jahrhunderts entbehrt
nicht mancher Räthſel für uns, wenn auch naturgemäß
die Mehrzahl der Erſcheinungen keine eigentlichen
Veberraſchungen vermitteln. Jedenfalls fehlt es auch
dieſer Epoche nicht an Proben einer tüchtigen Land-
ſchaftskunſt, und eine gerechte Kritik muß zugeſtehen,
daß jenes bisherige Urtheil: die vorletzte Generation
habe auf dem vorliegenden Gebiete ſo gut wie nichts
Künſtleriſches und Bleibendes geſchaffen, zu hart ſei
und ins Reich der Legende gehöre. Wir dürfen wohl
auf die Anführung der bekannten Meiſter, die heute
noch unter uns leben, von denen nur Proben ihres
früheren Schaffens gegeben ſind, verzichten, zu Gunſten
von drei Landſchaftern, denen das Leben leider den
Erfolg ſchuldig geblieben iſt: Louis Eyſen, der in
Frankfurt und Paris ſich eine intime Darſtellungsweiſe
aneignete, Rudolph Schuſter, der mit einer un-
gemein delikat gemalten Winterlandſchaft vom Rieſen-
gebirge frappirt, und endlich der Weimaraner Karl
Buchholz. Welches Talent in Letzterem ſchlummerte,
läßt wohl die kleine köſtliche Leinwand des J19 jährigen
Jünglings, der damals vom Dorfe und der Stuben-
malerei herkam, ein „Frühling in Shringsdorf“, er-
rathen. Welche kühnen Roffnungen mögen in die
prächtigen Blüthen dieſer zierlichen Baumgruppen
hineingemalt worden ſein. Wie lieblich muthet dieſer
Jugendtraum an und wie grauſam war das Er-
wachen des Vierzigjährigen, der bis zum Lebens-
ende an die undankbare Scholle unfreiwillig ge-
bannt war. Wir aber haben Urſache, den Leitern
dieſer Ausſtellung für die hier gewonnene Er-
kenntniß eines ſchweren Unrechts, das die Vergangen-
heit wiſſentlich oder unwiſſentlich an ſo manchen
Künſtlern des verfloſſenen Jahrhunderts beging, auf-
richtig Dank und Anerkennung zu widmen. G. G.
Eine Thier-Anatomie für Künstler.
Mit Illuſtration.
N die anatomiſchen Studien des Menſchen
ihre Bedeutung für den Künſtler längſt erhärtet
haben, war die Anerkennung der Chier-
Anatomie in den Kreiſen der Thierdarſteller nur eine
Frage der Seit. Grade in dieſen Kreiſen hat man
von jeher ein großes Gewicht auf korrekte Wiedergabe
des vorgeführten Gbjekts gelegt und es an unermüd-
lichen Beobachtungen des Thieres, ſeiner Gewohnheiten
und ſeines Körpers, nicht fehlen laſſen. Als eine
weitere Stufe zur Erhöhung der einſchlägigen Kennt-
niſſe und Erfahrungen mußte jedem ſtrebſamen Maler
und Plaſtiker des vorliegenden Spezialfaches die Er-
gründung der CThier⸗Anatomie vorſchweben. Ihm
kommt daher ein bereits ſeit vier Jahren erſcheinendes
Handbuch der Anatomie der Thiere für Künſtler,
herausgegeben von Prof. W. Ellenberger und Prof.
Baum in Verbindung mit dem Thiermaler Hermann
Dittrich, der die ungemein klar detaillirten Tafeln des
Werkes zeichnete, ſehr entgegen.
Der erſte Band der Publikation befaßt ſich mit
der Anatomie des Pferdes und des Rindes. Auf
24 und 16 Tafeln wird hier Alles in genaueſten Dar-
ſtellungen vorgeführt, was dem ſchaffenden Künftler
zur Kenntniß jener Thierkörper, ihrer Theile, ihre
inneren Aufbaues, ihrer Bewegungsorgane u. ſ. w. un-
bedingt erforderlich iſt. Nach langem Seitraum er-
ſcheint nun die Fortſetzung: Lieferung I des dem
Cöwen gewidmeten III. Bandes,) dem wohl der
zweite Band erſt folgen wird. Mit der Anatomie
dieſes königlichen Thieres ſind die Herausgeber zweifel-
los den Wünſchen vieler bildenden Künſtler entgegen-
gekommen. Da der Cöwe relativ ſehr oft Gegenſtand
der Schilderung nicht nur in der Thiermalerei, ſondern
ganz beſonders in der monumentalen und dekorativen
Plaſtik iſt, ſo füllt das vorliegende Werk in der That
eine früher beſtehende Lücke in verdienſtvollſter Weiſe
aus. Sumal nur wenige KRünſtler perſönlich in der
Cage ſind, am lebenden und todten Modell eingehende
anatomiſche Studien zu machen. }
Nach den vorliegenden wiſſenſchaftlichen und dar-
ſtelleriſchen Reſultaten glauben wir den Autoren gern,
wenn ſie angeben, daß ſie beſonders die ſchwierigen
Aufgaben des III. Bandes mit peinlicher Sorgfalt zu
löſen geſucht haben. Sie haben zu dieſem Swecke nicht
nur das verfügbare Material des Dresdner zoologiſchen
Gartens benutzt, ſondern auch ſelbſt mehrere Löwen
gekauft, um dieſe im lebenden wie im todten Suſtande
auf das Genaueſte zu unterſuchen. So haben ſie u. A.
eine lebende Löwin zehn Monate lang im Anatomiſchen
Inſtitut der Dresdner Thierärztlichen Nochſchule ge-
halten und in dieſer Seit nicht allein das Thier, ſeine
Bewegungen, die Plaſtik ſeiner Körperoberfläche, den
Kontraktionszuſtand der einzelnen durch die Haut ſich
modellirenden Muskeln u. ſ. w. genau ſtudirt, ſondern
auch durch zahlreiche photographiſche Aufnahmen be-
ſonders wichtige Bewegungsformen des Chieres feſt-
gehalten. Dann wurde das Thier für ihre Swecke
getödtet, das Lageverhältniß der einzelnen Skelett-
theile wurde durch Röntgenphotographien auf das
Genaueſte erforſcht. Dieſe mühſeligen, ſchwierigen
*) Handbuch ꝛc. Bd. III: Der Löwe (3 Liefgn. & 9 bezw.
7 M.), 21 Tafeln. Bd. I (pferd und Rind) 40 Cafeln,
5 Efgn. à 9 bezw. M. Textband mit 4 Taf. u. 81 Ill.
10 bezw. 12 M. Dieterich'ſcher Verlag (Th. Weicher),
Leipzig.
Nr. 10
ſchilderung ſteht unleugbar A. Achenbach, dem die
Ausſtellung zugleich im Hinblick auf ſeinen 90. Geburts-
tag, der am 29. September ſtattfinden wird, mit 16 Ge-
mälden einen Ehrenplatz einräumt. Achenbach, deſſen
Realismus ebenfalls in der altholländiſchen Richtung
wurzelt, iſt mit ſeinem eminenten Können der virtuoſeſte
Schilderer der Natur, nach holländiſchem Begriff, der
Schildern und Malen bekanntlich identifizirt ... Wie
reich und mannigfaltig aber die künſtleriſchen Em-
pfindungen gerade dieſer Epoche (1850 — 1875), die man
als eine Art Ruhmeszeit lediglich für die franzöſiſche
Landſchaftskunſt bisher bezeichnete, auch bei uns ge-
weſen ſind, erkennt man, wenn man die damals ent-
ſtandenen Werke der in dieſer ſchönen Sammlung ver-
tretenen Meiſter bewegten und gehobenen Herzens
durchgeht; ſie läßt uns nur einige Proben von der
Nand Ad. Menzel's aus bekannten Gründen vermiſſen.
Aber wir ſehen neben den beiden Achenbach's den Be-
gründer der Dachauer Schollenkunſt Ed. Schleich, den
intim wirkenden Karl Spitzweg, den großzügigen
Auguſt Leu, Hans Gude, Ad. Lier und namentlich
A. Böcklin, in welchem das ideale Element gipfelt.
In zweiter Reihe ſtehen ferner bekannte Namen, wie
Karl Graeb, der Berliner Architekturmaler, Ch.
Noguet, der Berliner Koloriſt, der ſo ſehr an den
alten Berghem erinnert, Graf St. Kalckreuth, der
berühmte Alpenmaler, W. Gentz, der Grientſchilderer,
M. B. Sſchke, Peter Burniz aner ag AC,
V. Ruths⸗ Hamburg, der famoſe ehrliche Bennewitz
von Loefen d. A., Maximilian Schmidt-Königs-
berg, denen ſich dann unbekannte Namen, wie J. G.
Steffan, Aug. Weber, Ludwig Beier, Karl
Ebert, G. A. Friedrich, R. Burnier, deſſen mit
Vieh ſtaffirte mondbeglänzte Candſchaften von Troyvon
beeinflußt erſcheinen, u. A. anreihen.
Selbſt das Schlußviertel des Jahrhunderts entbehrt
nicht mancher Räthſel für uns, wenn auch naturgemäß
die Mehrzahl der Erſcheinungen keine eigentlichen
Veberraſchungen vermitteln. Jedenfalls fehlt es auch
dieſer Epoche nicht an Proben einer tüchtigen Land-
ſchaftskunſt, und eine gerechte Kritik muß zugeſtehen,
daß jenes bisherige Urtheil: die vorletzte Generation
habe auf dem vorliegenden Gebiete ſo gut wie nichts
Künſtleriſches und Bleibendes geſchaffen, zu hart ſei
und ins Reich der Legende gehöre. Wir dürfen wohl
auf die Anführung der bekannten Meiſter, die heute
noch unter uns leben, von denen nur Proben ihres
früheren Schaffens gegeben ſind, verzichten, zu Gunſten
von drei Landſchaftern, denen das Leben leider den
Erfolg ſchuldig geblieben iſt: Louis Eyſen, der in
Frankfurt und Paris ſich eine intime Darſtellungsweiſe
aneignete, Rudolph Schuſter, der mit einer un-
gemein delikat gemalten Winterlandſchaft vom Rieſen-
gebirge frappirt, und endlich der Weimaraner Karl
Buchholz. Welches Talent in Letzterem ſchlummerte,
läßt wohl die kleine köſtliche Leinwand des J19 jährigen
Jünglings, der damals vom Dorfe und der Stuben-
malerei herkam, ein „Frühling in Shringsdorf“, er-
rathen. Welche kühnen Roffnungen mögen in die
prächtigen Blüthen dieſer zierlichen Baumgruppen
hineingemalt worden ſein. Wie lieblich muthet dieſer
Jugendtraum an und wie grauſam war das Er-
wachen des Vierzigjährigen, der bis zum Lebens-
ende an die undankbare Scholle unfreiwillig ge-
bannt war. Wir aber haben Urſache, den Leitern
dieſer Ausſtellung für die hier gewonnene Er-
kenntniß eines ſchweren Unrechts, das die Vergangen-
heit wiſſentlich oder unwiſſentlich an ſo manchen
Künſtlern des verfloſſenen Jahrhunderts beging, auf-
richtig Dank und Anerkennung zu widmen. G. G.
Eine Thier-Anatomie für Künstler.
Mit Illuſtration.
N die anatomiſchen Studien des Menſchen
ihre Bedeutung für den Künſtler längſt erhärtet
haben, war die Anerkennung der Chier-
Anatomie in den Kreiſen der Thierdarſteller nur eine
Frage der Seit. Grade in dieſen Kreiſen hat man
von jeher ein großes Gewicht auf korrekte Wiedergabe
des vorgeführten Gbjekts gelegt und es an unermüd-
lichen Beobachtungen des Thieres, ſeiner Gewohnheiten
und ſeines Körpers, nicht fehlen laſſen. Als eine
weitere Stufe zur Erhöhung der einſchlägigen Kennt-
niſſe und Erfahrungen mußte jedem ſtrebſamen Maler
und Plaſtiker des vorliegenden Spezialfaches die Er-
gründung der CThier⸗Anatomie vorſchweben. Ihm
kommt daher ein bereits ſeit vier Jahren erſcheinendes
Handbuch der Anatomie der Thiere für Künſtler,
herausgegeben von Prof. W. Ellenberger und Prof.
Baum in Verbindung mit dem Thiermaler Hermann
Dittrich, der die ungemein klar detaillirten Tafeln des
Werkes zeichnete, ſehr entgegen.
Der erſte Band der Publikation befaßt ſich mit
der Anatomie des Pferdes und des Rindes. Auf
24 und 16 Tafeln wird hier Alles in genaueſten Dar-
ſtellungen vorgeführt, was dem ſchaffenden Künftler
zur Kenntniß jener Thierkörper, ihrer Theile, ihre
inneren Aufbaues, ihrer Bewegungsorgane u. ſ. w. un-
bedingt erforderlich iſt. Nach langem Seitraum er-
ſcheint nun die Fortſetzung: Lieferung I des dem
Cöwen gewidmeten III. Bandes,) dem wohl der
zweite Band erſt folgen wird. Mit der Anatomie
dieſes königlichen Thieres ſind die Herausgeber zweifel-
los den Wünſchen vieler bildenden Künſtler entgegen-
gekommen. Da der Cöwe relativ ſehr oft Gegenſtand
der Schilderung nicht nur in der Thiermalerei, ſondern
ganz beſonders in der monumentalen und dekorativen
Plaſtik iſt, ſo füllt das vorliegende Werk in der That
eine früher beſtehende Lücke in verdienſtvollſter Weiſe
aus. Sumal nur wenige KRünſtler perſönlich in der
Cage ſind, am lebenden und todten Modell eingehende
anatomiſche Studien zu machen. }
Nach den vorliegenden wiſſenſchaftlichen und dar-
ſtelleriſchen Reſultaten glauben wir den Autoren gern,
wenn ſie angeben, daß ſie beſonders die ſchwierigen
Aufgaben des III. Bandes mit peinlicher Sorgfalt zu
löſen geſucht haben. Sie haben zu dieſem Swecke nicht
nur das verfügbare Material des Dresdner zoologiſchen
Gartens benutzt, ſondern auch ſelbſt mehrere Löwen
gekauft, um dieſe im lebenden wie im todten Suſtande
auf das Genaueſte zu unterſuchen. So haben ſie u. A.
eine lebende Löwin zehn Monate lang im Anatomiſchen
Inſtitut der Dresdner Thierärztlichen Nochſchule ge-
halten und in dieſer Seit nicht allein das Thier, ſeine
Bewegungen, die Plaſtik ſeiner Körperoberfläche, den
Kontraktionszuſtand der einzelnen durch die Haut ſich
modellirenden Muskeln u. ſ. w. genau ſtudirt, ſondern
auch durch zahlreiche photographiſche Aufnahmen be-
ſonders wichtige Bewegungsformen des Chieres feſt-
gehalten. Dann wurde das Thier für ihre Swecke
getödtet, das Lageverhältniß der einzelnen Skelett-
theile wurde durch Röntgenphotographien auf das
Genaueſte erforſcht. Dieſe mühſeligen, ſchwierigen
*) Handbuch ꝛc. Bd. III: Der Löwe (3 Liefgn. & 9 bezw.
7 M.), 21 Tafeln. Bd. I (pferd und Rind) 40 Cafeln,
5 Efgn. à 9 bezw. M. Textband mit 4 Taf. u. 81 Ill.
10 bezw. 12 M. Dieterich'ſcher Verlag (Th. Weicher),
Leipzig.