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Die Kunst-Halle — 10.1905

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Nummer 10 (15. Februar 1905)
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Galland, Georg; Menzel, Adolph von [Honoree]: Adolph von Menzel †: (8. Dez. 1815 - 9. Febr. 1905.)
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Galland, Georg: Der Kaiser und die Kunst, 3
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https://doi.org/10.11588/diglit.66262#0172

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146

N O

ſtändig zu modernen maleriſchen Prinzipien gereift war.
Man hatte alſo ein gutes Recht, wenn man an ſeiner
Bahre wehklagend ausrief: ein Fürſt der Kunſt iſt uns
geſtorben! Ja, ein Fürſt war die „kleine Erzellenz“,
und nicht etwa blos um der hohen Auszeichnungen
wegen, die ſein erhabener kaiſerlicher Verehrer im
dankbaren Gedenken an ſeine unvergleichliche Lebens-
arbeit auf ihn häufte, ſondern noch weit mehr um das
fürſtliche Vermächtniß, das er vor Allem dem Preußen-
volk hinterläßt. Ihm nahm er für alle Seiten das
Odium, daß es kein Kunſtvolk ſei. Borussia non arti-
ficiosa: dieſer Spruch iſt durch ihn im Glauben der
Menſchen gründlich zerſtört worden. Der Name
Menzel allein wird wohl künftig jede derartige Auf-
faſſung zu Boden ſchlagen. So ſehr er auch, gleich
Dürer, ein echt deutſcher Meiſter war und als Einer
der künſtleriſch Berufenſten aller Völker und Seiten
der Allgemeinheit angehört, er wird doch zumal der
Schutzpatron unſerer heimiſchen Kunſt heißen und bleiben.

Gewiß wird man bald an ein Monument für ihn
aus Stein oder Erz denken. Aber man ſoll von An-
fang an die viel ſchönere Pflicht nicht vergeſſen, Menzel's
künſtleriſches Vermächtniß an unſer Volk in
geeigneter, würdiger Form Allen zugänglich und nutzbar
zu machen. So fordert es eine heilige Ehrenpflicht für
den Heimgegangenen. In ſolcher Weiſe möge das An-
denken an den herrlichen Meiſter fortleben und für alle
Seiten ein geſegnetes ſein!

Im ſäulenumkränzten Atrium des alten Muſeums
am Luſtgarten waren Menzel's ſterbliche Reſte auf Be-
fehl des trauernden Monarchen feierlichſt aufgebahrt.
Alles, was ſich zu den Leidtragenden zählte, fühlte ſich
dort um die erſte Nachmittagsſtunde des J5. Februar
vereinigt, in Wirklichkeit oder im Geiſte. Und die
Schöpfungen des klaſſiſchen Alterthums rings umher
erlebten gleichſam als ſtumme Seugen dieſe letzte Band-
lung unbeſtrittener irdiſcher Ehrungen mit, die dem be-
trauerten Genius an der weihevollſten Stätte der Kunſt
zu Theil wurde. Der Nachruhm wird nicht geringer
ſein, und in den Kreis der großen Meiſter ſeit jener
bewunderten Antike wird Adolph Menzel eingereiht ſein,
als einer der leuchtendſten Sterne am Himmel der

Kunſtgeſ chichte.

b
(‘%Cärg

G.


Der Kaiſer und die Runft.

Von Georg Galland.

8 III.)

Ni iſt ſchon über die künſtleriſchen Unter-
595 nehmungen und über das äſthetiſche Glaubens-
bekenntniß des Kaiſers geſagt und geſchrieben
worden, aber das zeitgeſchichtliche Urtheil entbehrt noch
der Begründung und Klarheit, die wir künftigen Gene-
rationen ſchuldig find. Bei der Fülle und Mannigfaltig-
keit der Kunſtaufgaben und der Ungleichheit der Kräfte,
die dem Monarchen dienen, fällt es dem Mitlebenden
in der That ſchwer, den rechten Geſichtswinkel für alles
zu finden. Ein Verſuch kann aber nur gelingen, wenn
man die vielfältigen geſchichtlichen Beziehungen, welche
die Kaiſerliche Poſition umgeben, und auch das von
frohen oder ernſten Stimmungen lebhaft angeregte
Temperament des hohen Herrn mit in Erwägung zieht.
Dann freilich fühlt man ſich von Ergebniſſen überraſcht,
die zu freudiger und rückhaltloſer Bewunderung nöthigen,
während zugleich alles Geringfügige und Unbeſtändige,
das ſich einſt beim Entſtehen vordrängte, wie im Nebel
verſchwimmt. Angeſichts der erſtaunlichen Fülle von
Werken, zu deren Exiſtenz nicht immer reines Kunſt-
verlangen, ſondern bisweilen frommer Stiftungszweck
oder frohe Gebelaune den Anlaß boten, kann es die
Aufgabe dieſer kurzen Betrachtungen nur ſein, die maß-
gebenden Grundlinien der Kaiſerlichen Konſumtion zu
betonen. Maßgebend für die Sinnesart des Nerrſchers
ſind vor allem die Werke der Malerei und Plaſtik, in
denen der Monarch vor der Geffentlichkeit ein beredtes
Seugniß ablegt von ſeiner Pietät für die erlauchten
unmittelbaren Vorgänger und für die Männer, die mit

jenen das Reich geſchaffen und gefeſtigt haben.

Der Kreis erweitert ſich ſchnell, und es treten in
den Bereich der von ihm veranlaßten Darſtellungen
nicht nur die denkwürdigen Momente und Geſtalten
früherer vaterländiſcher Vergangenheit, ſondern dem Kaiſer
wird es immer mehr auch Herzensbedürfniß, ſeine leb-
hafte Theilnahme für manchen Träger alten hiſtoriſchen
Ruhmes, für glänzende und vorbildliche Kulturepochen
zu bekennen und dem allen durch die künſtleriſche Ver-
körperung zu lebendiger Erinnerung für Mit⸗ und Nach-
welt zu verhelfen. Die Antike begeiſtert ihn zumal als
Quelle idealer Formenſchönheit, das Mittelalter feſſelt.
ihn vornehmlich als die Wiege des nationalen Helden-
thums, deſſen reiche Nachblüthe im verfloſſenen Jahr-
hundert er als früh empfänglicher Unabe noch ſelbſt
erleben durfte. Auf jene nationale Kraftentfaltung
ſucht er darum die Phantaſie ſeiner Künſtler immer
wieder zu lenken. Swar beſitzt Kaiſer Wilhelm II. bei
ſeiner echt germaniſchen Wanderfreude auch ein ſtarkes
Intereſſe für fremde Länder und Völkerſchickſale; aber
ſein Herz ſchlägt feurig nur auf dem Boden der Heimat,

) Aus der „renzzeitung“ Er. l, 1908).
 
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