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Die Kunst-Halle — 10.1905

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Nummer 2 (15. Oktober 1904)
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Marasse, M.: Irische Malkunst
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Frankfurt a. M.: Kunstbrief
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https://doi.org/10.11588/diglit.66262#0031

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pikanten Bekanntſchaften, die Frauen ſtudiren die Effekte


Intellekt iſt wenig die Rede bei dieſer Parade der
großen Welt. In das etwas banale Gebiet der Geſell-
ſchaftskunſt gehört das Gruppenbild der Mrs. Noel
Guinneß mit ihrem Kind, gemalt von Walter F. Osborne.
Die langen ſchmalen Van Dyck Hände der anmutigen Dame
ſind mit unverkennbarer Geſchicklichkeit und Abſicht dem
holländiſchen Maler nachempfunden. Ein ebenſo ge-
fälliges Damenporträt, welches das Entzücken aller
toilettenlüſternen Beſchauerinnen bildet, trägt die Hüge
der Lady Henry Bentinck und hat J. J. Shannon zum
Schöpfer. Swei Dinge, die gegenwärtig in keinem
engliſchen drawing-room fehlen dürfen, ein kleiner japan-
iſcher Hund und eine Fülle friſcher Blumen in völlig
neuen Farbennuancen, dienen hier als koloriſtiſches Bei-
werk und vervollſtändigen den mondänen Chik. In
dieſelbe Kategorie gehört das Bildniß der Mrs. Wetzlar
von John Lavery, während des gleichen Malers Studien:


junge Mädchen im Freien, ſehr apart wirken und mehr
Anſpruch auf dauernde und allgemeine Schätzung er-
heben.

Ein bedeutendes und originelles Nunſtwerk iſt da
Porträt of àa Lady von Sir Martin Archer Shee, es
erinnert an die Art der weiblichen Bildniſſe des Joshua
Reynolds in der 1000 dem Publikum eröffneten Wallace
Collection, die ſich durch ihre intimen Räume ſo treff-
lich für die fein vornehmen Geſtalten der engliſchen
Ariſtokratie, gemalt von einem einſchmeichelnden und
idealiſirenden Künſtler, eignen. Ohne das Beiwerk
moderner Toilette iſt das Porträt der Mrs. Claude Cane
von H. J. Thaddeus geſchaffen. Hier blickt ein tempe-
ramentvolles Antlitz mit zarten Farben aus fluthenden
rothen Haaren in unbeſtimmte Fernen, faſt denkt man
an die ſchönheitſtrahlenden Magdalenen Tizians, die ſo
garnichts Büßendes beſitzen.

Von den durchgreifenden Neuerungen, die unſere
Generation in der Malkunſt erlebt hat, zeigen die Iriſh
Painters nur ſchüchterne Andeutungen, im Allgemeinen
zeigt man in England wie auf der Smaragdinſel keinen
Geſchmack für verſchwommene Linien, Armeleutepoeſie
oder kraſſen Naturalismus. Immerhin ſind die Grenzen
nicht ſo feſt gezogen wie in früheren Jahren und gerade
in einigen von Frauen gemalten Bildern bemerkt man
etwas vorwärts Stürmendes. Sehr tüchtig iſt das von der
Royal Iriſh Academp geliehene Porträt des Präſidenten
John Kells Ingram, gemalt von S. H. Purſer. Das Selbſt-
porträt des Charles H. Shannon, genannt: A Man in
a black Shirt, geht noch einen Schritt weiter auf der
Bahn der Moderne und in vollſtändig realiſtiſcher Aus
drucksweiſe wurde das Bildniß der Mrs. Vine von
George Chinnery gedacht und ausgeführt. Vier handelt
es ſich um eine alte Frau mit roten Augen und langer
Naſe, eine weiße Mütze deckt das greiſe Haupt, durch
die Handſchuh von unbeſtimmter Farbe ſpürt man die
verrunzelten Hände. Ein Menſchenbild von ſeltner
Häßlichkeit, das doch anzieht! Dieſe Augen haben ge-
weint, tiefes Leid liegt um die Mundwinkel, der erſte
Eindruck des Hexenartigen ſchwindet bei intenſiverer
Betrachtung. Das Kunſtwerk übt jedoch keinerlei An-
ziehungskraft auf das große Publikum aus, während
George Hare mit ſeinem „Miserere Domine!“ Che
Victory of Faith, eine blendende Wirkung hervorzurufen
verſtand. Das Gemälde war ſchon 1903 in der Royal
Academy ausgeſtellt und erzählt mit bedeutendem Können
eine immer wieder rührende Märtprergeſchichte. In
einem unterirdiſchen Kerker liegen zwei blutjunge Mädchen
in feſtem Schlaf. Ihre nackte Schönheit, das eine Ge-

ſchöpfchen iſt ſchneeweiß, während die Haut des anderen
den Bronzethon der Araberin aufweiſt, iſt der Gier
zweier rieſigen Löwen preißgegeben, die durch Gitter-
ſtäbe mit blutdürſtigen Augen in den feuchten Raum
hereinlugen, und das Mahl, welches ihnen am nächſten
Tage nicht vorenthalten werden wird, wie es ſcheint
im Voraus genießen. Der Gegenſatz der geſunden un.
ſchuldsvollen Ruhe der beiden Chriſtinnen und der
Grauſamkeit hungrig knurrender Beſtien giebt ein ſen-
ſationelles Rührſtück, welches Mitglieder der Heilsarmee
die ſich in London überall, auch in Kirchen und Muſeen
ſo beſonders breit macht, als ich davor ſtand, zu Accenten
höchſter Bewunderung veranlaßte.

Sine Sierde der Ausſtellung bilden alte Bilder, die
freundlichſt herbeigeſchafft wurden. „Bathers ſurpriſed“
von William Mulready, der ſchon im Jahre 1865 ſtarb,
iſt ein Werk von impreſſioniſtiſcher Kraft. Auf die
Rörper nackter Frauen, die vom Ufer des Stroms durch
irgend einen Alarmruf aufgeſcheucht werden, fallen
weiche Sonnenſtrahlen, und der ſchöne blaue Himmel
gießt zitterndes Licht auf die kontraſtirte Candſchaft.
William Mulready, in Irland 1786 geboren, ver-
heiratete ſich ſchon mit 17 Jahren, ſeine unglückliche
She wurde bald getrennt und beſchattete ſein ganzes
Leben. Er wirkte auch als Seichenlehrer, eine ſeiner
Schülerinnen war Lady Byron.

Der Katalog belehrt uns, daß die Iren es im
früheſten Mittelalter zu bedeutender Kunſtfertigkeit im
Illuſtriren, Zeichnen, in der Architektur und Metall-
arbeiten gebracht hatten, daß aber all dies ſchöne Können
im 12. Jahrhundert, nach der anglonormanniſchen In-
vaſion untergegangen ſei. Nicht im Sturmmarſch, ſondern
langſam und ſtetig erobern ſich ſeit einem Jahrhundert
iriſche Künſtler ein neues Terrain. Die Ausſtellung in
der Guildhall liefert vielfach den Beweis einer unge-

wöhnlichen Begabung.
M. Maraſſe.

Frankfurt z. M: Kunsfbrief.

dolf Menzel rechnet in den Ausſtellungsſälen

neuerdings wieder zu den häufigen Gäſten.
C Bei dem hohen Alter des Meiſters — er zählt
nun 80 Jahre — nimmt dieſe Thatſache Wunder, zu-
mal die zur Schau geſtellten Sachen thatſächlich der
allerjüngſten Seit entſtammen. Aber wie Ernüchterung
wirkt es, wenn wir dieſe Arbeiten auf ihren künſt-
leriſchen Gehalt prüfen. Rermes zeigte jüngſt eine
ganze Serie neuer Menzel ſcher Handzeichnungen. Es
iſt, als ſähen wir den Meiſter ſelbſt vor uns — Halb
verfallener Greis, halb titaniſche Größe. Menzel trifft
ſein Motiv wohl wie in, nd e zeichnet ſeinen
eigenen Fuß, während er im Bette liegt, er zeichnet
ein Wagenrad, er zeichnet einen Pferdefuß. Wir aber
erſehen daraus, daß auch für dieſen Künſtler die Seit
ſeiner Kraft vorüber iſt; der Farbenſinn, das äſthetiſche
Konzeptionsvermögen iſt in ihm erſtorben, dieſe Seichen-
blätter ſind lediglich Emanationen einer an raſtloſe
Thätigkeit gewöhnten, nie ruhenden Rand.

Jüngere Künftler haben ſich in dem genannten
Salon in regem Wechſel abgelöſt. So Paul Baum,
der Dresdener Landſchafter mit ae ine neee
Schilderungen; ſo Hermann Dumler, ein in Banne
Eon ſeten be e der nach Einfachheit
in Farbe und Ausdruck ſtrebt, aber in der Technik ſich
 
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