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habe auch gelegentlich auf die „Poeſteloſigkeit“ der
impreſſioniſtiſchen Verſuchswerke hingedeutet. Die
Nachäffer der verſchiedenen Kunſtmoden haben ja nämlich
ganz vergeſſen, daß man nun in der neuen Sprechweiſe
eigentlich auch etwas zu ſagen haben müſſe, und datz
man nun auch im Stande ſein ſolle, eignes Empfinden
darin zum Ausdruck zu bringen. Im Verlauf der
Jahre haben ſich meine Anſchauungen beſtätigt. Ein
ſtarkes nationales Kunſtempfinden hat ſich entwickelt;
überall haben ſich junge Elemente gefunden, die mit
Freude bereit ſind, an dem großen Werke mitzuarbeiten.
Niemals aber bin ich auf den Gedanken gekommen,
daß eines ſchönen Tages Jemand daher gehen und es wagen
könne, dieſe Herzensmeinungen von mir für „Rüſtzeug
der Antiſemiten“ zu erklären, es in dürren Worten zu
erklären, wie Liebermann dies in einem Artikel gegen
Thode in der Frankfurter Seitung that. Auf's ſchärfſte
muß ich dagegen Einſpruch erheben, daß in künſtleriſchen
Dingen nun gar politiſcher Fader, Raſſenkampf oder
Religionsüberzeugungen zu Waffen geſchmiedet werden.
Nichts verwirrt in heilloſerer Weiſe die Begriffe über
Kunſt. Mit großem Recht hält Thoma es für bedenk-
lich, daß Liebermann von der Rüſtkammer der Antiſemiten
ſpricht: „Es würde mir herzlich leid thun, wenn dieſe
Frage ſich in das Künſtleriſche einmiſchen ſollte, in einer
Sache, in der Thode nur die Abwehr gegen die Ver-
unglimpfungen der deutſchen Kunſt, des deutſchen Wefens
im Auge hat und dafür mutig eintritt.“ Und weiter:
„Der Kunſtſinn vieler Juden iſt doch zu fein und ihr
Verſtändniß für deutſches Weſen in der Kunſt iſt doch
zu groß, als daß er ſich beſtechen ließe in einer Frage,
die Unheil in ſich ſchließen könnte, an eine Kunſtfrage
anſchließen wollte.“ So Thoma.
Wir wollen eine deutſche Kunſt haben, ausgeübt
von deutſchen Künſtlern. Daß es recht ſein ſolle,
konfeſſionelle oder raſſenmäßige Scheidungen zwiſchen
den deutſchen Künſtlern zu bewirken, muß ich auf's
entſchiedenſte verneinen. Liebermann muß jawohl
darin anderer Anſicht ſein; denn vor Jahresfriſt erſchien
im Jüdiſchen Verlage zu Berlin ein illuſtrirtes Sammel-
werk unter dem Titel Judiſche e , ım Dem
unter anderen Ausländern — Liebermann, Leſſer Uri,
Lilien als in Deutſchland lebende jüdiſche Künſtler
beſprochen und auf ihre ſpezifiſch jüdiſchen künſtleriſchen
Eigenſchaften hin beurteilt werden. So wird z. B. von
Leſſer Uri, dem „exkluſivſten Noloriſten“, geſagt, daß
ſich in ihm jenes ſehnſüchtige Ringen nach der Schranken-
loſigkeit und das Gefühl der allein ſchrankenloſen
Welteinheit äußere, die die typiſchen SHüge des Juden-
volkes wären. Von Lilien wird erzählt, er ſei einer
der Neuerer im jungen Judenthum, — Neuerer, indem
ſie an die alte Herrlichkeit Sions anknüpfen, — der
vom Hauch des Salomoniſchen Tempels umwittert ſei,
u. ſ. w. Der Herausgeber des Werkes „Jüdiſche
Künſtler“ meint zum Schluſſe, das Werk erfülle ſeinen
Sweck vollauf, wenn es dazu beitrage, „ein bewußt
jüdiſches Kunſtpublikum zu ſchaffen, das ſeine Künſtler
kennt und liebt“. Es bezweckt alſo, aus der inter-
nationalen Kunſt eine ſpezifiſch jüdiſche Kunſt zu
extrahiren. Wenn ſich Liebermann ſolcherart aus
ſeinen deutſchen (oder ſoll ich ſagen: evangeliſchen,
katholiſchen, heidniſchen d) Kunſtkollegen herausſtellt, ſo
finde ich es begreiflich, wenn er für die deutſche Kunſt
Thoma's und Böcklin's nichts übrig hat. Und ſollte
etwa das Wittern von Antiſemitismus hinter ernſten
Nerzensſchreien der Künſtler unſeres Vaterlandes nicht
darin ſeinen Suſammenhang ahnen laſſen? Sollte ihm
doch, trotz ſeiner deutſchen Kinderſtube, etwas vom
wirklichen echten Deutſchempfinden ermangelnd Cieber-
mann kann nicht erwidern, er ſei ohne ſein Vorwiſſen
in die exponirte Stellung des „jüdiſchen Künſtlers“
gebracht worden. Er hätte alſo Einſpruch erheben
müſſen gegen ſolche Einſchachtelung, die ihn disqualiftzirt
zum Anführer deutſcher Nunſt. Wir deutſchen Künſtler
möchten unſere nationale Kunſt rein gehalten wiſſen von
den Raſſenkämpfen und den Streitereien konfeſſioneller
Natur — und darum irrt Herr Liebermann mit ſeiner
Annahme von antiſemitiſchen Gelüſten.
Das war es, was ich zu dem Streite zu ſagen hatte.
Wehe der Kunſt, wehe der deutſchen Kunſt, wenn der
trübe Strom öden, unfruchtbaren Parteigezänks ihre
blühende Flur überſchwemmen dürfte. Liebermann
würde denn doch wohl vor dieſer Ernte erſchrocken
ſtill ſtehen und ſich ſagen: Das habe ich nicht gewollt!
Hanns Fechner.
Vom Restauriren.
Von Antoan &.
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S er ein richtiger Reſtaurator ſein will, der ſeine
Aufgabe nicht damit abgeſchloſſen ſieht, daß
er einen Kunſtgegenſtand von ſeinen Schäden
möglichſt befreit und in den urſprünglichen, gleichzeitig
Dauer verſprechenden Suſtand zurückverſetzt, ſtellt ſich
auf einen höheren Standpunkt, den ihm ein geläuterter
Geſchmack und gründlichere kunſthiſtoriſche Bildung an-
weiſen. Er reſtaurirt nicht nur im gemeinen Sinne
des Wortes, entfernt nicht nur den trüb gewordenen
Firniß, zieht die Sprünge der Farbſchichte wieder zu-
ſammen, giebt den Farben friſche Leuchtkraft, fleckt die
ausgeſprungenen Stellen aus und flickt das Abgebrochene
bei, er ſchließt zugleich einen Kompromiß zwiſchen Ver-
gangenheit und Gegenwart, verbindet die getrennten
Kulturepochen, nähert ſie dem vorgeſchrittenen Geſchmacke
der Gegenwart, der ja die Summe aller vorangegangenen
künſtleriſchen Beſtrebungen, die glückliche Vollendung,
die ſiegreiche Durchführung früherer Kämpfe iſt. Kurz-
um, ſeine kundige, überlegene Hand hilft mitleidig nach,
mildert die Härten, deckt den Schleier der Uebermalung
über die Fehler in Seichnung und Kolorit und paßt
die Nompoſition dem verfeinerten Geſchmacke der
Gegenwart an.
Zu den Verſchönerern gehörte auch ein Maler, der
ohne richtige Schulung, das Reſtauriren alter Gemälde