Nr. 6
Qualität hinwirkte, ſo macht die Ausſtellung nicht nur
einen freundlichen, ſondern auch künſtleriſch ernſten
Eindruck. Und billig, ach, ſo billig ſind alle dieſe
ſchönen Dinge. Auch der Salon Schulte hat durch
Vorführung größerer Aquarell-Sammlungen, Stillleben
und Aleinbronzen ein weniger ſtrenges Ausſehen als
ſonſt. Langgewohnte Erſcheinungen begrüßen uns.
Ismael Gentz ſetzt ſeine Bleiſtiftporträtzeichnungen
unverdroſſen fort, ebenſo Günther Naumburg ſeine
ſympathiſchen tiroler Aquarellergötzungen und Max
Fritz hat wieder zur Verfeinerung ſeiner Waſſerfarben-
technik am Strande und in der Kleinſtadt ſchöne Motive
verarbeitet. Waſſerfarbig kommt uns auch der Schwede
Carl Larſſon, der Szenen aus ſeinem Heim in Fülle dar-
bietet und eine Kunſt, die vorzugsweiſe mit dem Lineal
arbeitet. Auch die Kollektion von Müller-Kurzwellp,
Alfred Bamacher und H. Kricheldorf beſchwören alte
Erinnerungen freundlich herauf. Indeß fehlt es nicht
an unerfreulichen Einzelheiten, als da ſind die ſeltſam
ſtruppigen Landſchaften von Alfred Liedtke und ein
Kaiſerbildniß des Italieners V. Corcos, das als Porträt
wie als Dekoration, als welche es wohl in der Haupt-
ſache gedacht iſt, gleich ſtark verfehlt iſt. Es darf
Wunder nehmen, daß man ſich in Berlin getraut, eine
Arbeit von ſo unkünſtleriſcher Tendenz der Geffentlich-
keit freizugeben. Schließlich kommt wiederum Wilhelm
Trübner zum Wort, nachdem er bereits im vorigen
Monat einige ältere Arbeiten vorausgeſchickt hatte.
Auch diesmal handelt es ſich wieder um Frühwerke,
die in ihrer tieftönigen, trübfarbigen und ſchwerblütigen
Couleur heute nicht mehr ſo viel zu beſagen haben,
wie vor zwanzig Jahren, als die Kunſt ſich anſchickte,
neue Bahnen einzuſchlagen.
MR
Unsere Abbildung.
Die 75 em hohe Gruppe in Gips von Bans Weddo
von Glümer „Siegfried ringt mit Brunhilde“ fand auf der
vorletzten Berliner Kunſtausſtellung anhaltend die lebhafte
Aufmerkſamkeit der Beſucher. Sie zeigt uns nicht nur die
vorzüglich durchgearbeiteten Akte eines athletiſchen Mannes
und eines amazonenhaften jungen Weibes bei ſtärkſter An-
ſpannung ihrer Leibeskräfte, ſondern auch die aus dem Nibe-
lungenliede geſchöpfte herrliche Szene des Ringkampfes in
einem ſo packenden und charakteriſtiſchen Moment, daß wir
dem ſtrebſamen und hochbegabten jungen Künſtler unſere volle
Anerkennung für ſeine Leiſtung ausdrücken müſſen. Die Ueber-
legenheit Siegfried's, der ſich als edelmüthiger Gegner der
ſchönen Jungfrau lediglich darauf beſchränkt, den ungeſtümen
Angriff der hartnäckigen Braut Gunther's durch Einpreſſung
der Arme unwirkſam zu machen, tritt in dieſer Darſtellung ſo
überaus anſchaulich hervor, daß niemand an der Niederlage
Brunhilde's zweifelt, in deren edlen Sügen ſich ein tiefer
Schmerz ſpiegelt, ohne daß ſie den gleichzeitigen Verluſt ihres
Gürtels ahnt, den Siegfried ſich heimlich aneignet.
Die Theilnahme für den Urheber dieſer markanten Gruppe
läßt wohl die Frage nach anderen Arbeiten von Glümer's be-
rechtigt erſcheinen. Und da muß gleich daran erinnert werden,
daß er im Jahre 1897 zu den Siegern jener bekannten kaiſer-
lichen Konkurrenz um die Ergänzung der antiken tanzenden
Mänade (Altes Muſeum, Berlin) gehört und damals in der
Chat einen rühmlichen Beweis feinſinniger Auffaſſung einer
anmuthig bewegten Frauengeſtalt geliefert hat. Ein Jahr
vorher wurde ihm, in Konkurrenz mit Calandrelli, Boeſe und
Unger, das Denkmal für den Balladen-Komponiſten Carl
Loewe mit zwei reizvollen Kindergruppen übertragen, 1898
ſchuf von Glümer das Kaiſer Wilhelm I. Denkmal für die
Stadt Seitz und zwei Jahre nachher gelang ihm das Urieger-
Denkmal für die 1870 Gefallenen des III. Garde-Regi-
ments z. F. zu St. Privat mit einem brüllenden Löwen in
meiſterhafter Weiſe. Noch eine Anzahl von Büſten, Reliefs,
ſtatuariſchen Werken und kleineren Bronzen des Hünſtlers wäre
aus ſeiner ſeit 1890 bekannt gewordenen Schaffenszeit zu
nennen; die Arbeiten bekunden durchweg einen nicht gewöhn-
lichen Schönheitsſinn, ſie verbinden einen die Schule von
R. Begas niemals verleugnenden edlen und früh gereiften Ge-
ſchmack der Anordnung mit einem Fleiß der Durchführung, die
von künſtleriſchem Ernſt und echter Liebe für die Sache redet.
Gegenwärtig iſt H. von Glümer mit einem Standbild für
Haiſer Friedrich beſchäftigt, das in Magdeburg vor dem neuen
Kaiſer Friedrich-Muſeum zur Aufſtellung gelangen ſoll. G.
Kunstchronik.
Berlin. Ein Lokalblatt ſchreibt: Wie wir hören, hat
Profeſſor A. Meſſel den Neubau der Kunſthandlung von
Eduard Schulte (Unter den Linden 75) übernommen. Die
Entwürfe ſind ſo weit gediehen, daß jetzt bereits der Charakter
des Baues zu erkennen iſt. Die Architektur, im Stil etwa
Louis XVI. gehalten, wird ſich in vornehmer Weiſe der
Umgebung anpaſſen. Die Ausſtellungsräume werden bei be-
deutender Vergrößerung gegen die jetzigen aus Sälen mit
Oberlicht beſtehen, wobei verſucht werden wird, durch Niveau-
unterſchiede und Durchblicke reizvolle und maleriſche Wirkungen
zu erzielen. (Alſo im Stil Louis XVI. Dieſe Anerkennung
eines geſchichtlichen Stils kann uns nur recht ſein. D. Red.)
— Frau Fürſtin Lwoff alias Vilma Parlaghi malt augen-
blicklich ein Porträt des Deutſchen Kronprinzen.
* Cannſtatt. Die Ausſchmückung der König Karls
Brücke, für welche die bürgerlichen Nollegien kürzlich 25 000
Mark bewilligten, ſoll darin beſtehen, daß die Bildniſſe von
vier Perſönlichkeiten angebracht werden ſollen, darunter auch
die der Oberbürgermeiſter von Stuttgart und Cannſtatt zur
Seit des Brückenbaues. 5
Chemnitz. In der St. Lukaskirche hat der Prellſchüler
Ernſt Paul Herrmann-Dresden ein fünftheiliges Altargemälde,
ein Hl. Abendmahl, vollendet.
Hannover. Dem Keſtner-Muſeum hat die Frau Gräfin
Walderſee aus dem Vachlaß des verſtorbenen Generalfeld-
marſchalls chineſiſche Alterthümer zum Geſchenk gemacht, die
großes Intereſſe finden werden. Das Hauptſtück iſt eine
Bronzeglocke, faſt ı m hoch und gegen 3 Ctr. ſchwer.
* Königsberg i. Pr. Ein kunſtgeſchichtlich werthvoller
holzgeſchnitzter Plafond in einem Geſchäft der Kneiphöfiſchen
Langgaſſe vom Ende des 16. Jahrhunderts, ein Meiſterſtück
deutſcher Spätrenaiſſance, iſt für das Ugl. Schloß angekauft
und wird nach ſorgfältiger Ablöſung eines der königlichen Ge-
mächer ſchmücken. ;
Leipzig. Bildhauer Karl Seffner wird im Auftrage
des Miniſteriums des Innern eine Marmorbüſte des ver-
ſtorbenen Königs Georg ſchaffen. Das Werk iſt für die
Gruppe der Verrſcherbildniſſe im Dresdner Albertinum be-
ſtimmt. Weiter beauftragte das Kriegsminiſterium den Rünſtler
mit der Anfertigung einer Bronzebüſte des Königs Friedrich
Auguſt. Endlich ſoll Seffner eine ſilberne Medaille zum Ge-
dächtniß an die Kunſtausſtellung in St. Louis ſchlagen.
Neapel. Ueber die in der Pinakothek der Stadt
herrſchenden Zuſtände der Hunſtwerke laufen mancherlei Ge-
rüchte herum, die nicht herzerquickend ſind, auch wenn ein
Forſcher wie A. Venturi ſie zu beſchönigen verſucht.
Qualität hinwirkte, ſo macht die Ausſtellung nicht nur
einen freundlichen, ſondern auch künſtleriſch ernſten
Eindruck. Und billig, ach, ſo billig ſind alle dieſe
ſchönen Dinge. Auch der Salon Schulte hat durch
Vorführung größerer Aquarell-Sammlungen, Stillleben
und Aleinbronzen ein weniger ſtrenges Ausſehen als
ſonſt. Langgewohnte Erſcheinungen begrüßen uns.
Ismael Gentz ſetzt ſeine Bleiſtiftporträtzeichnungen
unverdroſſen fort, ebenſo Günther Naumburg ſeine
ſympathiſchen tiroler Aquarellergötzungen und Max
Fritz hat wieder zur Verfeinerung ſeiner Waſſerfarben-
technik am Strande und in der Kleinſtadt ſchöne Motive
verarbeitet. Waſſerfarbig kommt uns auch der Schwede
Carl Larſſon, der Szenen aus ſeinem Heim in Fülle dar-
bietet und eine Kunſt, die vorzugsweiſe mit dem Lineal
arbeitet. Auch die Kollektion von Müller-Kurzwellp,
Alfred Bamacher und H. Kricheldorf beſchwören alte
Erinnerungen freundlich herauf. Indeß fehlt es nicht
an unerfreulichen Einzelheiten, als da ſind die ſeltſam
ſtruppigen Landſchaften von Alfred Liedtke und ein
Kaiſerbildniß des Italieners V. Corcos, das als Porträt
wie als Dekoration, als welche es wohl in der Haupt-
ſache gedacht iſt, gleich ſtark verfehlt iſt. Es darf
Wunder nehmen, daß man ſich in Berlin getraut, eine
Arbeit von ſo unkünſtleriſcher Tendenz der Geffentlich-
keit freizugeben. Schließlich kommt wiederum Wilhelm
Trübner zum Wort, nachdem er bereits im vorigen
Monat einige ältere Arbeiten vorausgeſchickt hatte.
Auch diesmal handelt es ſich wieder um Frühwerke,
die in ihrer tieftönigen, trübfarbigen und ſchwerblütigen
Couleur heute nicht mehr ſo viel zu beſagen haben,
wie vor zwanzig Jahren, als die Kunſt ſich anſchickte,
neue Bahnen einzuſchlagen.
MR
Unsere Abbildung.
Die 75 em hohe Gruppe in Gips von Bans Weddo
von Glümer „Siegfried ringt mit Brunhilde“ fand auf der
vorletzten Berliner Kunſtausſtellung anhaltend die lebhafte
Aufmerkſamkeit der Beſucher. Sie zeigt uns nicht nur die
vorzüglich durchgearbeiteten Akte eines athletiſchen Mannes
und eines amazonenhaften jungen Weibes bei ſtärkſter An-
ſpannung ihrer Leibeskräfte, ſondern auch die aus dem Nibe-
lungenliede geſchöpfte herrliche Szene des Ringkampfes in
einem ſo packenden und charakteriſtiſchen Moment, daß wir
dem ſtrebſamen und hochbegabten jungen Künſtler unſere volle
Anerkennung für ſeine Leiſtung ausdrücken müſſen. Die Ueber-
legenheit Siegfried's, der ſich als edelmüthiger Gegner der
ſchönen Jungfrau lediglich darauf beſchränkt, den ungeſtümen
Angriff der hartnäckigen Braut Gunther's durch Einpreſſung
der Arme unwirkſam zu machen, tritt in dieſer Darſtellung ſo
überaus anſchaulich hervor, daß niemand an der Niederlage
Brunhilde's zweifelt, in deren edlen Sügen ſich ein tiefer
Schmerz ſpiegelt, ohne daß ſie den gleichzeitigen Verluſt ihres
Gürtels ahnt, den Siegfried ſich heimlich aneignet.
Die Theilnahme für den Urheber dieſer markanten Gruppe
läßt wohl die Frage nach anderen Arbeiten von Glümer's be-
rechtigt erſcheinen. Und da muß gleich daran erinnert werden,
daß er im Jahre 1897 zu den Siegern jener bekannten kaiſer-
lichen Konkurrenz um die Ergänzung der antiken tanzenden
Mänade (Altes Muſeum, Berlin) gehört und damals in der
Chat einen rühmlichen Beweis feinſinniger Auffaſſung einer
anmuthig bewegten Frauengeſtalt geliefert hat. Ein Jahr
vorher wurde ihm, in Konkurrenz mit Calandrelli, Boeſe und
Unger, das Denkmal für den Balladen-Komponiſten Carl
Loewe mit zwei reizvollen Kindergruppen übertragen, 1898
ſchuf von Glümer das Kaiſer Wilhelm I. Denkmal für die
Stadt Seitz und zwei Jahre nachher gelang ihm das Urieger-
Denkmal für die 1870 Gefallenen des III. Garde-Regi-
ments z. F. zu St. Privat mit einem brüllenden Löwen in
meiſterhafter Weiſe. Noch eine Anzahl von Büſten, Reliefs,
ſtatuariſchen Werken und kleineren Bronzen des Hünſtlers wäre
aus ſeiner ſeit 1890 bekannt gewordenen Schaffenszeit zu
nennen; die Arbeiten bekunden durchweg einen nicht gewöhn-
lichen Schönheitsſinn, ſie verbinden einen die Schule von
R. Begas niemals verleugnenden edlen und früh gereiften Ge-
ſchmack der Anordnung mit einem Fleiß der Durchführung, die
von künſtleriſchem Ernſt und echter Liebe für die Sache redet.
Gegenwärtig iſt H. von Glümer mit einem Standbild für
Haiſer Friedrich beſchäftigt, das in Magdeburg vor dem neuen
Kaiſer Friedrich-Muſeum zur Aufſtellung gelangen ſoll. G.
Kunstchronik.
Berlin. Ein Lokalblatt ſchreibt: Wie wir hören, hat
Profeſſor A. Meſſel den Neubau der Kunſthandlung von
Eduard Schulte (Unter den Linden 75) übernommen. Die
Entwürfe ſind ſo weit gediehen, daß jetzt bereits der Charakter
des Baues zu erkennen iſt. Die Architektur, im Stil etwa
Louis XVI. gehalten, wird ſich in vornehmer Weiſe der
Umgebung anpaſſen. Die Ausſtellungsräume werden bei be-
deutender Vergrößerung gegen die jetzigen aus Sälen mit
Oberlicht beſtehen, wobei verſucht werden wird, durch Niveau-
unterſchiede und Durchblicke reizvolle und maleriſche Wirkungen
zu erzielen. (Alſo im Stil Louis XVI. Dieſe Anerkennung
eines geſchichtlichen Stils kann uns nur recht ſein. D. Red.)
— Frau Fürſtin Lwoff alias Vilma Parlaghi malt augen-
blicklich ein Porträt des Deutſchen Kronprinzen.
* Cannſtatt. Die Ausſchmückung der König Karls
Brücke, für welche die bürgerlichen Nollegien kürzlich 25 000
Mark bewilligten, ſoll darin beſtehen, daß die Bildniſſe von
vier Perſönlichkeiten angebracht werden ſollen, darunter auch
die der Oberbürgermeiſter von Stuttgart und Cannſtatt zur
Seit des Brückenbaues. 5
Chemnitz. In der St. Lukaskirche hat der Prellſchüler
Ernſt Paul Herrmann-Dresden ein fünftheiliges Altargemälde,
ein Hl. Abendmahl, vollendet.
Hannover. Dem Keſtner-Muſeum hat die Frau Gräfin
Walderſee aus dem Vachlaß des verſtorbenen Generalfeld-
marſchalls chineſiſche Alterthümer zum Geſchenk gemacht, die
großes Intereſſe finden werden. Das Hauptſtück iſt eine
Bronzeglocke, faſt ı m hoch und gegen 3 Ctr. ſchwer.
* Königsberg i. Pr. Ein kunſtgeſchichtlich werthvoller
holzgeſchnitzter Plafond in einem Geſchäft der Kneiphöfiſchen
Langgaſſe vom Ende des 16. Jahrhunderts, ein Meiſterſtück
deutſcher Spätrenaiſſance, iſt für das Ugl. Schloß angekauft
und wird nach ſorgfältiger Ablöſung eines der königlichen Ge-
mächer ſchmücken. ;
Leipzig. Bildhauer Karl Seffner wird im Auftrage
des Miniſteriums des Innern eine Marmorbüſte des ver-
ſtorbenen Königs Georg ſchaffen. Das Werk iſt für die
Gruppe der Verrſcherbildniſſe im Dresdner Albertinum be-
ſtimmt. Weiter beauftragte das Kriegsminiſterium den Rünſtler
mit der Anfertigung einer Bronzebüſte des Königs Friedrich
Auguſt. Endlich ſoll Seffner eine ſilberne Medaille zum Ge-
dächtniß an die Kunſtausſtellung in St. Louis ſchlagen.
Neapel. Ueber die in der Pinakothek der Stadt
herrſchenden Zuſtände der Hunſtwerke laufen mancherlei Ge-
rüchte herum, die nicht herzerquickend ſind, auch wenn ein
Forſcher wie A. Venturi ſie zu beſchönigen verſucht.