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Die Kunst-Halle — 10.1905

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Nummer 5 (1. Dezember 1904)
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Niessen-Deiters, Leonore: IV. Jahres-Ausstellung der Vereinigung Kölner Künstler
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Berliner Kunstschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.66262#0087

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keinen leichten Stand. Er zeigt ein hübſches Kinderporträt,
außerdem eine kleine Gartenſzene, die aber in perſpektiviſcher
Beziehung nicht ganz einwandfrei iſt. Schneider-Did am
bringt zwei lebendige Berrenbildniſſe; ſein „Damenbildniß“
hingegen iſt alles Andere eher wie anſprechend. Reuſing, der
ſonſt ſo farbenfreudige Darſteller eleganter Damen, iſt diesmal
durch ein, etwas ſehr dunkel gehaltenes, Herrenporträt ver-
treten. Ein ſehr liebenswürdiges Mitglied der Gruppe be-
grüßt man in W. Schreuer, der, wie im Vorjahr, viel
Schönes und Erfreuliches geſchickt hat. Wer kennt nicht ſeine
reizenden Darſtellungen aus der Heit der Poſtkutſche? Diesmal
möchte ich vor allem ein anderes Motiv nennen, eine „Kölner
Batterie im Feuer bei Quervieux.“

Eines der auffallendſten Bilder iſt das „Graue Pferd
von Deußer. Trotz des großen Formats darf man es wohl
mehr als Studie auffaſſen, und als ſolche betrachtet, weiſt es
ſehr viel techniſche Geſchicklichkeit auf. Aber das Motiv, ein
unſchönes Tier gegen eine Wieſe und eine ſtarkfarbige Luft,
das auf ſeinem Fell all' die Reflexe der Landſchaft wider-
ſpiegelt, dürfte den Münſtler wohl mehr gereizt und gefeſſelt
haben, als es den Beſchauer erfreuen kann. Eine eigenartige
Erſcheinung iſt Felix Bürgers. Nicht viele dürften wohl
von ſeiner eigenthümlich trockenen und ſpröden Art entzückt
ſein. Daß er aber etwas kann und ein ſehr tüchtiger Beobachter
iſt, beweiſt er in ſeinem „Winterabend“. Er trifft da die ſehr
ſchwierigen, feinen, faſt unmerklichen Tonabſtufungen von
Schnee und halbgefrorenem Waſſer in eiger fahlen Beleuchtung
mit großer Feinheit. — Ernſt Nardt iſt mit einigen z. CT.
trefflichen Landſchaften vertreten, die beſonders ein eingehendes
Studium von Luft und Wolken verrathen. Von Weſtendorp
ſei „Nach dem Sturm“ erwähnt, das bei großzügiger Auf-
faſſung ſehr lebendig wirkt.

Der plaſtiſche Theil der Ausſtellung weiſt in dieſem
Jahr empfindliche Lücken auf. Ein großes plaſtiſches Werk
bringt nur N. Friedrich in ſeinem „Bogenſpanner“. Gut
hingegen iſt die Uleinplaſtik vertreten durch Statuetten und
Plaketten von Franz Löhr und vor allem durch eine ganze
Reihe von Thierſtatuetten von Joſ. Pallenberg. Gegen-
ſtändlich iſt dieſe Kollektion von Thierporträt⸗ der verſchieden-
ſten Gattungen ſchon recht intereſſant, ſie wird es auch künſt-
leriſch durch die gediegene Kenntniß und verſtändnißvolle
Wiedergabe der einzelnen Thierkörper.

Wie in jedem Jahr ſchließt ſich der Ausſtellung eine eben-
ſolche kleinere von kunſtgewerblichen Arbeiten an. Wir finden
da Hinnſachen der Firma Kayfer, ſchön geſchliffene Gläſer der
Rhein. Glashütten A.-G., Köln-Ehrenfeld und vor allem ſehr
ſchöne Sachen des Hofgoldſchmieds Gabriel Hermeling, von
denen ich eine entzückende Schale mit Schmetterlingen in
feinſter und farbenprächtigſter Arbeit beſonders hervorheben
möchte.

Fum Schluſſe ſei noch eines bemerkt, das für eine der-
artige Ausſtellung mehr zu bedeuten hat, als es ſcheint: Die
Ausſtellung iſt nämlich frei. Sie lockt daher nicht nur den
Unbemittelten, ſondern wohl auch manchen anfangs Gleich-
gültigen und ſichert ſich dadurch ein weitgehendes Intereſſe.

Leonore Nießen-Deiters.


Zerliner Kunstschau.

; Der Salon Schulte hat mit der Veranſtaltung einer
) ausgeſprochen „Deutſchen Ausſtellung“ einen
großen Wurf im Sinne gehabt. Alle fünf Säle
ſind bis auf das letzte Plätzchen dieſem einen Sweck
und dieſer augenfällig lehrhaften Tendenz zur Ver-
fügung geſtellt, und man glaubte offenbar das Thema
dadurch zu verdeutlichen und erſchöpfend zur An-
ſchauung zu bringen, daß man eine eng umgrenzte und
anſcheinend in ſich zuſammenhängende Gruppe in die
Szene führte. Und dieſe Gruppe wurzelt im Münchner
Boden. Publikum und Kritik ſtehen der ungewöhnlichen
Ausſtellung einigermaßen rathlos gegenüber und
fragen, ob das deutſch wäre. Im Schlafe konnten
wir umſchreiben, was franzöſiſche, engliſche, finniſche,
magpariſche Kunſt ſei, aber über das Weſen der
deutſchen Kunſt dürften zwei Deutſche ſchwerlich ohne
Weiteres einer Meinung ſein. Man denkt ſich etwas
Beſtimmtes dabei, wenn von einer Münchner, Karls-
ruher, Düſſeldorfer und Dresdner Kunſt die Rede iſt,
ob aber über allen dieſen ein höherer und verall-
gemeinenderer Geſichtspunkt waltet, iſt ſehr die Frage
und vorläufig noch Geheimniß. Erſt die ſpäte Nach-
welt wird an den bleibenden Werken, an der kleinen
Ausleſe aus dem heutigen Chaos definiren können,
was am Ende des neunzehnten Jahrhunderts eigentlich
deutſche Kunſt geweſen. So müſſen wir denn in dieſem
Punkte einer dunklen Empfindung folgen und fürs
Erſte diejenigen Künſtler, die deutſch ſein wollen, die
mit Fleiß den Faden altdeutſcher Entwicklungen fort-
zuſpinnen trachten, daraufhin prüfen, ob ſie da⸗ deutſche
wWeſen, das bei unſeren Thaten und Meinungen als
dunkle Unterſtrömung und mütterlicher Nährboden ſich
die Jahrhunderte herbewegt, reſtlos zum Ausdruck
gebracht haben. Die uns heute vorgeführten Münchner,
ſowohl die ältere Generation, die vor dreißig Jahren
in die Arena trat, als auch ihr impreſſioniſtiſch-
romantiſcher Nachwuchs, berufen ſich darauf, auf den
Schultern der alten deutſchen oder niederländiſchen
Meiſter zu ſtehen. Das wollen wir gelten laſſen. Aber
dieſe Genealogie gabelt ſich in zwei Aeſte. Auf dem
einen Aſt wachſen die archaiſirenden Machwerke der
ſogenannten Temperamaler, deren Bilder zum Theil in
das Gebiet der Antiquitäten ſchlagen, und davon bietet
die Ausſtellung mancherlei Proben, an welchen ein
deutſchthümelndes, heimelndes Empfinden ein volles
Genüge findet. Auf dem andern Aſt aber wachſen die
Kräfte von urſprünglich ſtarker Eigenart, die auch ohne
die alten Meiſter die Siele nationaler Kunſt zu meiſtern
verſtehen. Dieſer Aſt wird wachſen und blühen, der
andere aber wohl verdorren.

Nun iſt die große Frage, welche von den bewußt
deutſchen Künſtlern auf dem grünen oder dürren Aſt
ſitzen. Darüber können wir nicht entſcheiden, das wird
erſt die Folge lehren. Ganz augenſcheinlich werden
einige Maler heute ſtark überſchätzt, ſo z. B. Trübner,
für deſſen Studienköpfe fabelhafte Preiſe gefordert
werden. Trübner iſt eine problematiſche Natur, auf
deren maienfriſche Anfänge kein Reifen und keine Höhe
gefolgt iſt. Erfreulich aber iſt die noch immer wachſende
Anerkennung, die ein Künſtler von ſo innig deutſchem
Empfinden wie Wilhelm Steinhauſen gefunden hat.
Thoma iſt vielleicht da am deutſcheſten, wo ihm die
Abſicht am wenigſten vorgeſchwebt hat. Jedenfalls
ſteht ſeine bekannte Taunuslandſchaft mit dem Reiter
im Vordergrunde und dem Blick in die ſonnig ver-
ſchleierte Ferne hoch über den altdeutſch naiven Symbol-
 
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