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auf dem Bild, wo über ein goldenes Kornfeld das
Schloß herüberſchaut, geiſterhaft wie ein Denkmal längſt
zauber zum reſtloſen Ausdruck. Die klarkühle Morgen-
ſtimmung der Dorfſtraße in Schleißheim, der köſtliche
Schatten einer Schloßallee und draußen auf den Wieſen
die heiße Mittagsſonne, das iſt Alles ſehr fein und
ſtimmungsvoll, in einzelnen Fällen, wie bei der Allee,
auch techniſch völlig einwandfrei gemacht. Durch ſchnur-
gerade Kanäle fließt träge das Waſſer — das hat Muencke
beſonders zu malen verſtanden. Dieſes Waſſer hat ſo-
zuſagen ſpezifiſches Gewicht, es fließt in der That, es
liegt nicht ſchwer und dick im Graben. Recht im
Kontraſt zu dieſen ſchwermüthigen Landſchaftsſtimmungen
ſteht das Bild einer Induſtrieanlage, einer Fabrik oder
Mühle, die ſich da in dieſer Gegend aufgethan hat
und die mit ihren kecken Farben grell das ſilber-
ſchimmernde Nolorit zerreißt. Muencke hat das wohl,
in der Art gewiſſenhafter Hiſtoriker, aufgeſchrieben, um
bei der landſchaftlichen Ausbeutung dieſer Gegend auch
dieſe etwas plebeiſchen, koloriſtiſch-impreſſioniſtiſchen
Wirkungen ſich nicht entgehen zu laſſen.
Suletzt iſt noch der Ausſtellung zu gedenken, die
der akademiſche Verein für bildende Kunſt veranſtaltete.
Sie führte Radirungen, Lithographien und Holzſchnitte
des vielumſtrittenen Norwegers Edward Munch vor
und gab ſo einen klaren, wenn auch nicht beſonders
erfreulichen Einblick in das Werk dieſes ſeltſamen
Künſtlers. Munch iſt ein verbiſſener Peſſimiſt. Seine
Vorwürfe ſind ſchrecklich und grauſam: Mord und Tod
ſpielen darin die große Rolle. Wenn er an das
Myſterium der Liebe rührt, ſo thut er es mit ſchrillem,
frechem Lachen. Und brutal wie die Auffaſſung und
der Grundton ſeiner Kunſt, iſt die Darſtellung. Etwa
wenn er den Tod darſtellen will, ſo entſteht dieſes
Blatt: Sin nackter Mann, eine nackte Frau in einem
zerwühlten Bett, am Boden eine Lache Blutes. Man
wendet ſich mit Schaudern von dieſen Ausgeburten
einer überſpitzten Phantaſie ab, man überſieht dabei
freilich auch zu leicht, was man bei einer objektiven
Würdigung immerhin zugeben muß: daß eine rauhe,
harte Kraft des Geſtaltens in dieſem Künſtler wohnt,
daß auf manchem Blatt, namentlich bei den Radirungen,
oft raffinirte raumproblematiſche Feinheiten, ſchöne
rhythmiſche Linien zu finden ſind. Doch da ſich zwiſchen
Künſtler und Beſchauer kein engeres Verhältniß an-
knüpfen läßt, gehen auch dieſe feineren Detailwirkungen
meiſt unbeachtet verloren.
Georg Jacob Wolf.
@N
Zerliner Kunstschau.
Nie J. Berliner Ausſtellung des Deutſchen
7 0 Künſtlerbundes wurde am 19. Mai im neu-
gebauten, feſtlich geſchmückten Haufe am Kur-
fürſtendamm eröffnet. Wir waren natürlich nicht mit von
der Partie. Aber wenn man den begeiſterten Aeußerungen
gewiſſer Tagesblätter trauen darf, verlief Alles gar glän-
zend, nur das unfeierliche Wetter, der ſtrömende Regen,
konnte nicht gut geleugnet werden. Beſonders auf die
„Hochragende ariſtokratiſche Erſcheinung“ des Bundesprä-
ſidenten Grafen Kalckreuth wurde von den Berichterſtattern
ſchmunzelnd aufmerkſam gemacht, auch die Anweſenheit
von einigen ſogar höheren Militärs — neben dem üb-
lichen intereſſanten Frauenkranz — natürlich nicht über-
ſehen. Dergleichen hat zwar lediglich mit der Eitelkeit,
nichts mit der Kunſt zu thun, aber dieſe Art moderner
Leute pflegt immer wieder gerade in diejenigen Fehler
zu verfallen, die man ſonſt bei den „Alten“ belächelt. So
wiederholt man gern auch genau deren bekannte Sere-
monien beifeierlichen Eröffnungen von Ausſtellungen Was
ein rechter Sezeſſioniſt iſt, mag auch er zwar gleich-
ſam „keinen Franzen“ leiden, aber deſſen Weine gern
trinken, wie Freund Brander. Das überall herrſchende
Weitz im Innern des neuen Hauſes, das hier — ob
aus Sparſamkeitsgründen, mag dahingeſtellt bleiben —
als Lieblingscouleur der Moderne ſich erweiſt, fand
man dagegen an dem Marmor der Siegesallee ſo ſehr
abſcheulich, daß des blöden Witzelns kein Ende ward.
Die Widerſprüche reizen manchmal nachgrade zum
Lachen. Man leſe z. B., was der Kritiker eines ver-
breiteten Berliner Blattes über das Gebäude am Kur-
wuchtigen Formen des Schlüter'ſchen Barock (ohne
jede Uebertreibung in irgend welchem ſezeſſio-
niſtiſchen Sinnel) machte den günſtigſten Eindruck und
läßt auf den guten Geſchmack ſeines Schöpfers, des
jungen Regierungs Baumeiſters Jautſchuß günſtige
Schlüſſe ziehen.“ Bravo! Herr Jautſchuß war in der
That einer der Helden des unvergeßlichen Tages. Er
empfing ſogar das höchſte Cob des „hochragenden“
Grafen offenbar deshalb, weil ihn eine gute Geſchmacks-
anwandlung auf die Idee der Ablehnung ſezeſſioniſtiſcher
Uebertriebenheit und der Anlehnung an einen in Berlin
längſt wohlakkreditirten hiſtoriſchen Stil brachte. Aus
den Feſtreden klang ebenfalls dieſer charakteriſtiſche
Doppelton heraus: theils jener oft ſchon gehörte ſen-
timentale Klagelaut des Unterdrücktſeins, der ja immer
wieder ſeine famoſe Wirkung auf den freiheitlichen
Bildungsphiliſter ausübt, theils das Protzen mit gewal-
tigen Erfolgen und mit der ſtolzen Verſicherung, daß
man ſich niemals „einem kategoriſchen Imperativ“
beugen werde. Was es mit dieſem kategoriſchen Im-
perativ übrigens auf ſich hat, erläutert das an Ge-
ſchmackloſigkeit in Form und Farbe kaum zu über-
bietende karmoiſinrothe Plakat des Künſtlerbundes. Daß
man in München, zumal zur Faſchingszeit, Anrempe-
lungen des kaiſerlichen Herrn liebt, der irgend einmal
von der „Binnſteinkunſt“ der naturaliſtiſchen Richtung
geſprochen, ſoll da unten den muthigen Leuten, die ſich
von Preußiſch-Berlin ewig künſtleriſch „bedroht“ fühlen,
nicht weiter verargt werden. Aber daß unſere Herrn
Sezeſſioniſten expreß einen Münchener nach der Stadt
Adolph Menzel's beorderten, um mit einer jener faulen
Münchener Witzeleien unſere heimiſchen Plakatſäulen
und Wände zu beſchmieren, läßt wohl auf einen fa-
talen Geiſteszuſtand derer um Liebermann ſchließen.“
Sin armes Weib, ſo ſchildert das Plakat, pflückt in
demüthig gebückter Haltung prunkende rothe Roſen vorn
aus dem Rinnſtein, während ein reiches Weib im Re-
naiſſancekoſtüm, mit verächtlicher, harter Geberde auf
die Arme herabſchauend, in ihrem koſtbaren Blumen-
topfe nur ein dürres Pflänzlein davonträgt. Etwas
Einfältigeres als dieſe plumpe Satire kann kaum ge-
leiſtet werden, wenn man die Symboliſirung mit ſatt-
ſam bekannten Thatſachen vergleicht. Denn offenbar
hat der Münchener Seichner Th. Th. Heine mit dem
Proletarierweib, der Demuth in effigie, den Maler-
Millionär Liebermann ſelbſt oder die hinter jenem
ſtehende Geldſackgeſellſchaft mit beſchränkter Naftung
gemeint: in Uebereinſtimmung mit der glorioſen Be-
merkung des Herrn Bundespräſidenten, der beim Feſt-
eſſen ſagte: „L. ſei der Urgrund aller Dinge hier ge-
auf dem Bild, wo über ein goldenes Kornfeld das
Schloß herüberſchaut, geiſterhaft wie ein Denkmal längſt
zauber zum reſtloſen Ausdruck. Die klarkühle Morgen-
ſtimmung der Dorfſtraße in Schleißheim, der köſtliche
Schatten einer Schloßallee und draußen auf den Wieſen
die heiße Mittagsſonne, das iſt Alles ſehr fein und
ſtimmungsvoll, in einzelnen Fällen, wie bei der Allee,
auch techniſch völlig einwandfrei gemacht. Durch ſchnur-
gerade Kanäle fließt träge das Waſſer — das hat Muencke
beſonders zu malen verſtanden. Dieſes Waſſer hat ſo-
zuſagen ſpezifiſches Gewicht, es fließt in der That, es
liegt nicht ſchwer und dick im Graben. Recht im
Kontraſt zu dieſen ſchwermüthigen Landſchaftsſtimmungen
ſteht das Bild einer Induſtrieanlage, einer Fabrik oder
Mühle, die ſich da in dieſer Gegend aufgethan hat
und die mit ihren kecken Farben grell das ſilber-
ſchimmernde Nolorit zerreißt. Muencke hat das wohl,
in der Art gewiſſenhafter Hiſtoriker, aufgeſchrieben, um
bei der landſchaftlichen Ausbeutung dieſer Gegend auch
dieſe etwas plebeiſchen, koloriſtiſch-impreſſioniſtiſchen
Wirkungen ſich nicht entgehen zu laſſen.
Suletzt iſt noch der Ausſtellung zu gedenken, die
der akademiſche Verein für bildende Kunſt veranſtaltete.
Sie führte Radirungen, Lithographien und Holzſchnitte
des vielumſtrittenen Norwegers Edward Munch vor
und gab ſo einen klaren, wenn auch nicht beſonders
erfreulichen Einblick in das Werk dieſes ſeltſamen
Künſtlers. Munch iſt ein verbiſſener Peſſimiſt. Seine
Vorwürfe ſind ſchrecklich und grauſam: Mord und Tod
ſpielen darin die große Rolle. Wenn er an das
Myſterium der Liebe rührt, ſo thut er es mit ſchrillem,
frechem Lachen. Und brutal wie die Auffaſſung und
der Grundton ſeiner Kunſt, iſt die Darſtellung. Etwa
wenn er den Tod darſtellen will, ſo entſteht dieſes
Blatt: Sin nackter Mann, eine nackte Frau in einem
zerwühlten Bett, am Boden eine Lache Blutes. Man
wendet ſich mit Schaudern von dieſen Ausgeburten
einer überſpitzten Phantaſie ab, man überſieht dabei
freilich auch zu leicht, was man bei einer objektiven
Würdigung immerhin zugeben muß: daß eine rauhe,
harte Kraft des Geſtaltens in dieſem Künſtler wohnt,
daß auf manchem Blatt, namentlich bei den Radirungen,
oft raffinirte raumproblematiſche Feinheiten, ſchöne
rhythmiſche Linien zu finden ſind. Doch da ſich zwiſchen
Künſtler und Beſchauer kein engeres Verhältniß an-
knüpfen läßt, gehen auch dieſe feineren Detailwirkungen
meiſt unbeachtet verloren.
Georg Jacob Wolf.
@N
Zerliner Kunstschau.
Nie J. Berliner Ausſtellung des Deutſchen
7 0 Künſtlerbundes wurde am 19. Mai im neu-
gebauten, feſtlich geſchmückten Haufe am Kur-
fürſtendamm eröffnet. Wir waren natürlich nicht mit von
der Partie. Aber wenn man den begeiſterten Aeußerungen
gewiſſer Tagesblätter trauen darf, verlief Alles gar glän-
zend, nur das unfeierliche Wetter, der ſtrömende Regen,
konnte nicht gut geleugnet werden. Beſonders auf die
„Hochragende ariſtokratiſche Erſcheinung“ des Bundesprä-
ſidenten Grafen Kalckreuth wurde von den Berichterſtattern
ſchmunzelnd aufmerkſam gemacht, auch die Anweſenheit
von einigen ſogar höheren Militärs — neben dem üb-
lichen intereſſanten Frauenkranz — natürlich nicht über-
ſehen. Dergleichen hat zwar lediglich mit der Eitelkeit,
nichts mit der Kunſt zu thun, aber dieſe Art moderner
Leute pflegt immer wieder gerade in diejenigen Fehler
zu verfallen, die man ſonſt bei den „Alten“ belächelt. So
wiederholt man gern auch genau deren bekannte Sere-
monien beifeierlichen Eröffnungen von Ausſtellungen Was
ein rechter Sezeſſioniſt iſt, mag auch er zwar gleich-
ſam „keinen Franzen“ leiden, aber deſſen Weine gern
trinken, wie Freund Brander. Das überall herrſchende
Weitz im Innern des neuen Hauſes, das hier — ob
aus Sparſamkeitsgründen, mag dahingeſtellt bleiben —
als Lieblingscouleur der Moderne ſich erweiſt, fand
man dagegen an dem Marmor der Siegesallee ſo ſehr
abſcheulich, daß des blöden Witzelns kein Ende ward.
Die Widerſprüche reizen manchmal nachgrade zum
Lachen. Man leſe z. B., was der Kritiker eines ver-
breiteten Berliner Blattes über das Gebäude am Kur-
wuchtigen Formen des Schlüter'ſchen Barock (ohne
jede Uebertreibung in irgend welchem ſezeſſio-
niſtiſchen Sinnel) machte den günſtigſten Eindruck und
läßt auf den guten Geſchmack ſeines Schöpfers, des
jungen Regierungs Baumeiſters Jautſchuß günſtige
Schlüſſe ziehen.“ Bravo! Herr Jautſchuß war in der
That einer der Helden des unvergeßlichen Tages. Er
empfing ſogar das höchſte Cob des „hochragenden“
Grafen offenbar deshalb, weil ihn eine gute Geſchmacks-
anwandlung auf die Idee der Ablehnung ſezeſſioniſtiſcher
Uebertriebenheit und der Anlehnung an einen in Berlin
längſt wohlakkreditirten hiſtoriſchen Stil brachte. Aus
den Feſtreden klang ebenfalls dieſer charakteriſtiſche
Doppelton heraus: theils jener oft ſchon gehörte ſen-
timentale Klagelaut des Unterdrücktſeins, der ja immer
wieder ſeine famoſe Wirkung auf den freiheitlichen
Bildungsphiliſter ausübt, theils das Protzen mit gewal-
tigen Erfolgen und mit der ſtolzen Verſicherung, daß
man ſich niemals „einem kategoriſchen Imperativ“
beugen werde. Was es mit dieſem kategoriſchen Im-
perativ übrigens auf ſich hat, erläutert das an Ge-
ſchmackloſigkeit in Form und Farbe kaum zu über-
bietende karmoiſinrothe Plakat des Künſtlerbundes. Daß
man in München, zumal zur Faſchingszeit, Anrempe-
lungen des kaiſerlichen Herrn liebt, der irgend einmal
von der „Binnſteinkunſt“ der naturaliſtiſchen Richtung
geſprochen, ſoll da unten den muthigen Leuten, die ſich
von Preußiſch-Berlin ewig künſtleriſch „bedroht“ fühlen,
nicht weiter verargt werden. Aber daß unſere Herrn
Sezeſſioniſten expreß einen Münchener nach der Stadt
Adolph Menzel's beorderten, um mit einer jener faulen
Münchener Witzeleien unſere heimiſchen Plakatſäulen
und Wände zu beſchmieren, läßt wohl auf einen fa-
talen Geiſteszuſtand derer um Liebermann ſchließen.“
Sin armes Weib, ſo ſchildert das Plakat, pflückt in
demüthig gebückter Haltung prunkende rothe Roſen vorn
aus dem Rinnſtein, während ein reiches Weib im Re-
naiſſancekoſtüm, mit verächtlicher, harter Geberde auf
die Arme herabſchauend, in ihrem koſtbaren Blumen-
topfe nur ein dürres Pflänzlein davonträgt. Etwas
Einfältigeres als dieſe plumpe Satire kann kaum ge-
leiſtet werden, wenn man die Symboliſirung mit ſatt-
ſam bekannten Thatſachen vergleicht. Denn offenbar
hat der Münchener Seichner Th. Th. Heine mit dem
Proletarierweib, der Demuth in effigie, den Maler-
Millionär Liebermann ſelbſt oder die hinter jenem
ſtehende Geldſackgeſellſchaft mit beſchränkter Naftung
gemeint: in Uebereinſtimmung mit der glorioſen Be-
merkung des Herrn Bundespräſidenten, der beim Feſt-
eſſen ſagte: „L. ſei der Urgrund aller Dinge hier ge-