Nr. 9
mentalen Regionen der Vatermörderkragen-Epoche und
in dem modern zigeunernden Barock, wobei er den ihm
angeborenen Schalk nie verleugnet. Köſtlich ſind ſeine
Velasquez⸗Traveſtien im farbenſatten Bauernſtil und
die dekorativ phantaſievollen Motive in
Temperamanier, ſo der Amor auf dem weißen Reh,
der am Brunnen geigende Liebesknabe, Lottchen mit
dem Blumentopf, die verzauberte Prinzeſſin, die groteske
Suſanne im Bade, der Satyr mit dem Nirſchgeweih,
von der lachenden Nymphe an der rothen Strippe ge-
lenkt. Rein poetiſch ſind das Biedermeier-Idyll im
Frühling, das Liebespaar auf dem Ausguck, der vom
Tode geführte Greis und die ſchönen Landſchaften.
Heinrich Sügel iſt zur Seit ohne Sweifel der
bedeutendſte deutſche Thiermaler, ſeine Ausſtellung bei
Schulte hinterläßt einen ſtarken und tiefen Eindruck.
Aber er iſt nicht lediglich Thiermaler, die Landſchafts-
malerei iſt das Fundament ſeiner Kunſt, wobei die
Kühe, Schafe, Schweine meiſtens als ſtark betonte
Staffage auftreten, oder wenigſtens die Landſchaft dient
dazu, die Lebensgewohnheiten der Hausthiere zu ver-
deutlichen. Nur ſehr ſelten legt er es auf ein Thier-
porträt an, auf jene fein detaillirte Kleinmalerei,
welche das Hauptkennzeichen der älteren Schule war
und heute noch iſt, wenn ein Thierbild dem ſportlich
ſachlichen Auge zu gefallen trachtet. Zügel meiſtert in
ſeinem Bereich den großen Stil und als Entwicklungs-
ſtufe und Bereicherung der großen Thiermalerei mag
das Ninzuziehen der modernen Stimmungslandſchaft
und der großzügigen Tonmalerei betrachtet werden.
Welche Wendung die Kunſt Sügel's in den letzten
Jahren genommen, wird durch Gegenüberſtellung eines
älteren Bildes der Sammlung und der neueſten
Schilderungen aus der Lüneburger Haide erſichtlich. Sieben
Jahre alt das Bild der Schafheerde vor der ge-
ſchloſſenen Eiſenbahnbarrière. Voran ſteht gebieteriſch
der Rund, die aufeinander gelaufenen Schafe glotzen
den vorüberbrauſenden Zug an. Schon iſt hier in dem
Sonnenbrand über den Feldern und in den durch-
leuchteten Rauch⸗ und Staubwolken das Landſchaftliche
mitallem Fleiß ausgearbeitet, aber ſonſt verſucht der Künſtler
noch Kopf für Vopf an den Vierfüßlern ſozuſagen zu
individualiſiren. Von völlig anderm Standpunkt iſt ein
Nauptbild neueſten Datums erfaßt und ebenſo die
übrigen. Da ſind die Schafe der Landſchaft durchaus
untergeordnet und es werden die grauen Tonmaſſen
der Felle maleriſch verwerthet. Man blickt in das
weite, abendlich blau verdämmernde Land hinaus, über
die Sinöden und Triften der Heiden. Die Stallhütte
unter den Birken wird von den goldnen Pfeilen der Abend-
ſonne getroffen und goldig angeſtrahlt ſind hie und da
die Vließe der andrängenden Schafe. Kaum wird in
der ſtaubigen Dämmerung noch ein Kopf ſichtbar, aber
wohl noch nie iſt die weiche Wolle, der Duft von Erde
und Stall ſo lebenswahr gegeben, wie auf dieſem
grotzen Bilde. Und immer wieder iſt es die Heide,
die übrigens heute auch andere Maler, ſo vor allem
Bracht, anzieht. Die über weiten Horizonten majeſtätiſch
thronende Einſamkeit, der braun violette Boden, die
kühlen blauen Schatten, der Duft des Morgens, die
ſanfte Scheidegluth des Abends, der Sauber des
flimmernd herrſchenden Mondes und dazu die grauen
wandernden Flecke der Reidſchnuckenherden, das ſind die
Elemente der neueſten Bilder. Auch ſonſt ſind es Licht-
probleme, die den Künſtler auf den Thierbildern reizen.
Stellenweiſe ſind wohl die Köpfe von Kühen und halb-
wüchſigen Thieren in ihrer Eigenart beobachtet, in der
Hauptſache aber iſt der maleriſch glänzende Kontraſt des
Schwarz und Weiß auf dem Fell, daz Spiel von Licht und
Schatten der ſpringende Punkt der Darſtellung. Auf
den ſuhlenden Schweinebildern iſt es gar ein Chaos
von Sonnenlichtern und Reflexen, welches die Seichnung
zerhackt und Mühe bereitet, die roſigen Dickhäuter aus
dem Sonnen- und Schlammbad heraus zu erkennen.
Die Ausſtellung A. Wertheim hat ſich immer
noch in proviſoriſchen Lokalitäten bis zur Fertigſtellung
des Neubaues zu beſcheiden. Es können daher nur
Miniaturausſtellungen an dieſer Stelle veranſtaltet
werden. Minderwerthige Malverſuche von Anfängern
und gar ausländiſche Elendsmalerei, die an die Zeit-
läufte des ſanft entſchlafenen Naturalismus erinnert,
wechſeln mit beachtenswerthen Talentproben ab. Der
in den Spuren Menzel's wandelnde Berliner Reinhold
Grohmann zieht zumeiſt den Blick auf ſich durch ſchöne
ſonnige Parkbilder, durch das Innere einer Rüſtkammer
mit den Reihen von Siſenmännern, durch breite Studien
und durch Seichnungen aus Paris, an denen die Kraft
und virtuoſe Sicherheit des Striches angenehm be-
rühren. Auch Johannes Hänſch giebt in flotten Cand-
ſchaftsſtudien, in Dresdner Anſichten und in dem Bilde
eines ſchwermuthsvoll überſchatteten Friedhofs ein
ſchönes Talent zu erkennen. Im Uebrigen iſt ein
prunkvolles Georginenbeet in einem Park von Helene
Cramer Hamburg, von dem ebendaſelbſt angeſiedelten
Carl Albrecht ein ſtimmungsvolles Frühlingsbild, ein
von wildem Wein umrankter Thurm, der auf Berg-
höhe gegen den fahlen Abendhimmel ragt und von
einer modernen Ariadne heimgeſucht wird, von dem
Karlsruher Carl Nollmann, ein engliſches Strandbild
von Rudolf Hellwag und eine über einer großerfaßten
Herbſtlandſchaft thronende Burgruine von Gtto
Ubbelohde mit ehrenvoller Erwähnung zu notiren.
. R:
Kunskchronik.
* Berlin. Der Kaiſer und Prinz Heinrich v. Preußen
beſichtigten am 21. Januar die Rixdorfer Glasmoſaikfabrik von
Puhl & Wagner, beſonders die darin fertiggeſtellten Moſaiken
für die Eliſabeth⸗Hemenate auf der Wartburg, nach Entwürfen
des Malers Metken.
Berlin. Agl. Akademie der Hünſte. Die Chronik
vom J. Okt. 1005 bis 1. Okt. 1904 iſt erſchienen und giebt,
wie üblich, Nachricht über die Einrichtungen und die Mit-
glieder der Akademie. Den Schluß bildet ein die letzt ver-
ſtorbenen Mitglieder betreffender Nekrolog. — Der Plan, in
Rom eine deutſche Kun ſtakademie nach dem Muſter der
franzöſiſchen Akademie auf dem Monte Pincio und der ſpani-
ſchen auf dem Gianicolo einzurichten, taucht wieder einmal
auf. Das Inſtitut ſoll mit den Mitteln des Reiches ins Leben
gerufen werden; doch iſt, wie die „Nat. ⸗Ftg.“ ſchreibt, noch
keine völlige Uebereinſtimmung im Bundesrath erzielt worden.
Berlin. Aus dem preußiſchen Uunſt⸗Etat. Lebhaft
bedauert wird der Wegfall des Poſtens für das Inſtitut für
Glasmalerei. Der Privatkonkurrenz konnte das königliche
Inſtitut, trotzdem es Hervorragendes leiſtete, nicht länger Stand
halten. Dagegen ſind für die Kgl. Porzellanmanufaktur
12760 M. mehr als im Vorjahre verlangt.
Caſſel. Ein Gemälde von Lucas Cranach iſt von
einem Sammler, Dr. Ludwig Mond, der es für 10 500 M. er-
worben hat, der Königl. Gemäldegallerie zum Geſchenk
gemacht worden. Es handelt ſich um ein ſogenanntes Reife-
altärchen, das nach Ausweis der auf den Flügeln befindlichen
Wappen, des heſſiſchen und mecklenburgiſchen, für die Eltern
Philipps des Großmüthigen geſchaffen worden iſt, und zwar
ſehr wahrſcheinlich im Jahre 1508. Das Mittelbild zeigt die
Auferſtehung Chriſti in einer zierlich durchgeführten, von der
aufgehenden Sonne beleuchteten Landſchaft. In ſeiner ſchönen
mentalen Regionen der Vatermörderkragen-Epoche und
in dem modern zigeunernden Barock, wobei er den ihm
angeborenen Schalk nie verleugnet. Köſtlich ſind ſeine
Velasquez⸗Traveſtien im farbenſatten Bauernſtil und
die dekorativ phantaſievollen Motive in
Temperamanier, ſo der Amor auf dem weißen Reh,
der am Brunnen geigende Liebesknabe, Lottchen mit
dem Blumentopf, die verzauberte Prinzeſſin, die groteske
Suſanne im Bade, der Satyr mit dem Nirſchgeweih,
von der lachenden Nymphe an der rothen Strippe ge-
lenkt. Rein poetiſch ſind das Biedermeier-Idyll im
Frühling, das Liebespaar auf dem Ausguck, der vom
Tode geführte Greis und die ſchönen Landſchaften.
Heinrich Sügel iſt zur Seit ohne Sweifel der
bedeutendſte deutſche Thiermaler, ſeine Ausſtellung bei
Schulte hinterläßt einen ſtarken und tiefen Eindruck.
Aber er iſt nicht lediglich Thiermaler, die Landſchafts-
malerei iſt das Fundament ſeiner Kunſt, wobei die
Kühe, Schafe, Schweine meiſtens als ſtark betonte
Staffage auftreten, oder wenigſtens die Landſchaft dient
dazu, die Lebensgewohnheiten der Hausthiere zu ver-
deutlichen. Nur ſehr ſelten legt er es auf ein Thier-
porträt an, auf jene fein detaillirte Kleinmalerei,
welche das Hauptkennzeichen der älteren Schule war
und heute noch iſt, wenn ein Thierbild dem ſportlich
ſachlichen Auge zu gefallen trachtet. Zügel meiſtert in
ſeinem Bereich den großen Stil und als Entwicklungs-
ſtufe und Bereicherung der großen Thiermalerei mag
das Ninzuziehen der modernen Stimmungslandſchaft
und der großzügigen Tonmalerei betrachtet werden.
Welche Wendung die Kunſt Sügel's in den letzten
Jahren genommen, wird durch Gegenüberſtellung eines
älteren Bildes der Sammlung und der neueſten
Schilderungen aus der Lüneburger Haide erſichtlich. Sieben
Jahre alt das Bild der Schafheerde vor der ge-
ſchloſſenen Eiſenbahnbarrière. Voran ſteht gebieteriſch
der Rund, die aufeinander gelaufenen Schafe glotzen
den vorüberbrauſenden Zug an. Schon iſt hier in dem
Sonnenbrand über den Feldern und in den durch-
leuchteten Rauch⸗ und Staubwolken das Landſchaftliche
mitallem Fleiß ausgearbeitet, aber ſonſt verſucht der Künſtler
noch Kopf für Vopf an den Vierfüßlern ſozuſagen zu
individualiſiren. Von völlig anderm Standpunkt iſt ein
Nauptbild neueſten Datums erfaßt und ebenſo die
übrigen. Da ſind die Schafe der Landſchaft durchaus
untergeordnet und es werden die grauen Tonmaſſen
der Felle maleriſch verwerthet. Man blickt in das
weite, abendlich blau verdämmernde Land hinaus, über
die Sinöden und Triften der Heiden. Die Stallhütte
unter den Birken wird von den goldnen Pfeilen der Abend-
ſonne getroffen und goldig angeſtrahlt ſind hie und da
die Vließe der andrängenden Schafe. Kaum wird in
der ſtaubigen Dämmerung noch ein Kopf ſichtbar, aber
wohl noch nie iſt die weiche Wolle, der Duft von Erde
und Stall ſo lebenswahr gegeben, wie auf dieſem
grotzen Bilde. Und immer wieder iſt es die Heide,
die übrigens heute auch andere Maler, ſo vor allem
Bracht, anzieht. Die über weiten Horizonten majeſtätiſch
thronende Einſamkeit, der braun violette Boden, die
kühlen blauen Schatten, der Duft des Morgens, die
ſanfte Scheidegluth des Abends, der Sauber des
flimmernd herrſchenden Mondes und dazu die grauen
wandernden Flecke der Reidſchnuckenherden, das ſind die
Elemente der neueſten Bilder. Auch ſonſt ſind es Licht-
probleme, die den Künſtler auf den Thierbildern reizen.
Stellenweiſe ſind wohl die Köpfe von Kühen und halb-
wüchſigen Thieren in ihrer Eigenart beobachtet, in der
Hauptſache aber iſt der maleriſch glänzende Kontraſt des
Schwarz und Weiß auf dem Fell, daz Spiel von Licht und
Schatten der ſpringende Punkt der Darſtellung. Auf
den ſuhlenden Schweinebildern iſt es gar ein Chaos
von Sonnenlichtern und Reflexen, welches die Seichnung
zerhackt und Mühe bereitet, die roſigen Dickhäuter aus
dem Sonnen- und Schlammbad heraus zu erkennen.
Die Ausſtellung A. Wertheim hat ſich immer
noch in proviſoriſchen Lokalitäten bis zur Fertigſtellung
des Neubaues zu beſcheiden. Es können daher nur
Miniaturausſtellungen an dieſer Stelle veranſtaltet
werden. Minderwerthige Malverſuche von Anfängern
und gar ausländiſche Elendsmalerei, die an die Zeit-
läufte des ſanft entſchlafenen Naturalismus erinnert,
wechſeln mit beachtenswerthen Talentproben ab. Der
in den Spuren Menzel's wandelnde Berliner Reinhold
Grohmann zieht zumeiſt den Blick auf ſich durch ſchöne
ſonnige Parkbilder, durch das Innere einer Rüſtkammer
mit den Reihen von Siſenmännern, durch breite Studien
und durch Seichnungen aus Paris, an denen die Kraft
und virtuoſe Sicherheit des Striches angenehm be-
rühren. Auch Johannes Hänſch giebt in flotten Cand-
ſchaftsſtudien, in Dresdner Anſichten und in dem Bilde
eines ſchwermuthsvoll überſchatteten Friedhofs ein
ſchönes Talent zu erkennen. Im Uebrigen iſt ein
prunkvolles Georginenbeet in einem Park von Helene
Cramer Hamburg, von dem ebendaſelbſt angeſiedelten
Carl Albrecht ein ſtimmungsvolles Frühlingsbild, ein
von wildem Wein umrankter Thurm, der auf Berg-
höhe gegen den fahlen Abendhimmel ragt und von
einer modernen Ariadne heimgeſucht wird, von dem
Karlsruher Carl Nollmann, ein engliſches Strandbild
von Rudolf Hellwag und eine über einer großerfaßten
Herbſtlandſchaft thronende Burgruine von Gtto
Ubbelohde mit ehrenvoller Erwähnung zu notiren.
. R:
Kunskchronik.
* Berlin. Der Kaiſer und Prinz Heinrich v. Preußen
beſichtigten am 21. Januar die Rixdorfer Glasmoſaikfabrik von
Puhl & Wagner, beſonders die darin fertiggeſtellten Moſaiken
für die Eliſabeth⸗Hemenate auf der Wartburg, nach Entwürfen
des Malers Metken.
Berlin. Agl. Akademie der Hünſte. Die Chronik
vom J. Okt. 1005 bis 1. Okt. 1904 iſt erſchienen und giebt,
wie üblich, Nachricht über die Einrichtungen und die Mit-
glieder der Akademie. Den Schluß bildet ein die letzt ver-
ſtorbenen Mitglieder betreffender Nekrolog. — Der Plan, in
Rom eine deutſche Kun ſtakademie nach dem Muſter der
franzöſiſchen Akademie auf dem Monte Pincio und der ſpani-
ſchen auf dem Gianicolo einzurichten, taucht wieder einmal
auf. Das Inſtitut ſoll mit den Mitteln des Reiches ins Leben
gerufen werden; doch iſt, wie die „Nat. ⸗Ftg.“ ſchreibt, noch
keine völlige Uebereinſtimmung im Bundesrath erzielt worden.
Berlin. Aus dem preußiſchen Uunſt⸗Etat. Lebhaft
bedauert wird der Wegfall des Poſtens für das Inſtitut für
Glasmalerei. Der Privatkonkurrenz konnte das königliche
Inſtitut, trotzdem es Hervorragendes leiſtete, nicht länger Stand
halten. Dagegen ſind für die Kgl. Porzellanmanufaktur
12760 M. mehr als im Vorjahre verlangt.
Caſſel. Ein Gemälde von Lucas Cranach iſt von
einem Sammler, Dr. Ludwig Mond, der es für 10 500 M. er-
worben hat, der Königl. Gemäldegallerie zum Geſchenk
gemacht worden. Es handelt ſich um ein ſogenanntes Reife-
altärchen, das nach Ausweis der auf den Flügeln befindlichen
Wappen, des heſſiſchen und mecklenburgiſchen, für die Eltern
Philipps des Großmüthigen geſchaffen worden iſt, und zwar
ſehr wahrſcheinlich im Jahre 1508. Das Mittelbild zeigt die
Auferſtehung Chriſti in einer zierlich durchgeführten, von der
aufgehenden Sonne beleuchteten Landſchaft. In ſeiner ſchönen