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Die Kunst-Halle — 10.1905

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Nummer 10 (15. Februar 1905)
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Galland, Georg: Der Kaiser und die Kunst, 3
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Wien: Die Plastik-Ausstellung der Sezession
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https://doi.org/10.11588/diglit.66262#0174

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1


Nb. 10

ſchmuckloſen Thronſaal ſeines Botſchaftspalaſtes am
tarpejiſchen Felſen der ſchon oben berührte Gedanke
kam, hier einen „Bilderfries deutſchen Inhalts“ zu be-
ſtellen, woraus ſich alsdann, dank der Phantaſie des
Malers, eine auf altgermaniſchen Vorſtellungen be-
ruhende, den Wechſel der Jahreszeiten nach der Edda
ſinnbildlich veranſchaulichende „Idealwelt in landſchaft-
licher Stimmung“ wie von ſelbſt ergab. Von ähnlichen
Stimmungen gefeſſelt, drängte es den hohen Herrn da-
mals, ſelber wiederholt zum Stifte zu greifen, um
zeichneriſch zu verſuchen, gewiſſe aktuelle politiſche Ge-
danken in einer ſymboliſchen Auffaſſung zu geben, die
uns zeigen ſoll, daß die heiligen Güter der chriſtlichen
Nationen durch feindliche Gewalten zwar bedroht ſind,
aber unter dem göttlichen Schutze St. Michael's, des
Patrons der Deutſchen, ſtehen .. Einen anderen
künſtleriſchen Ausdruck fand neuerdings die auf Schilde-
rung des alten Kulturlebens gerichtete Vorliebe des
Herrſchers, indem er hiſtoriſche Jagdgruppen am
„Großen Stern“ als charakteriſtiſchen Schmuck eines
urſprünglichen Jagdreoiers der Hohenzollern beſtimmte.

Bei, nahezu allen derartigen Nunſtaufgaben war
zugleich das geſchichtliche Gebiet berührt, auf dem ſich
die kontemplative Natur des Monarchen ſtets vertraut
und angeregt fühlte. Gilt ihm doch die Geſchichte als
die große Lehrmeiſterin der Menſchheit und bei ſeiner
ſteten Theilnahme für die lernende Jugend, an die er
gern bei nationalen und militäriſchen Feſten denkt,
möchte er ſeinerſeits vor allem dazu beitragen, daß die
mit den Schickſalen der Heimat einſt verknüpften Per-
ſönlichkeiten dem Bewußtſein immer größerer Kreiſe
unſeres Volkes ſich einprägen. Aus ſolcher Erwägung
heraus erwuchs die monumentale Ausſchmückung der
Siegesallee. Die Abſicht wäre gewiß keine ſo bedeut-
ſame, wie ſie wirklich iſt, wenn es ſich lediglich um eine
neue Art von Geſchichtsunterricht handelte, dem die
bildneriſche Form als Subſtrat für eine lebendige An-
ſchauung dienen ſollte. Aber es kamen vor allem künſt-
leriſche und ethiſche Grundſätze zur Geltung, die jeden
von dem Werth dieſer kaiſerlichen That überzeugen
ſollten, der nicht gewaltſam an Dorurtheilen hängen
bleiben will. Und ſonderbar, daß gerade die Kritiker,
die ſonſt das Gegenſtändliche als ganz nebenſächlich für
die Beurtheilung eines Kunſtwerkes erklären, ſich über
die plaſtiſche Verbildlichung der geſchichtlich unbekann-
teren Perſönlichkeiten entrüſteten. Geſchichtsunterricht
ſei im Uebrigen nicht Sache von Künſtlern. Ganz recht.
Aber Volksaufklärung, ſo meinen die Herren nichts-
deſtoweniger, dürfe der Künſtler ruhig tendenziös be-
treiben, da ſie es doch bei jenen „Jagdgruppen“ im
Thiergarten neulich als künſtleriſch unzuläſſig bezeich-
neten, daß man unſerer „aufgeklärten“ Gegenwart
ſolche blutrünſtigen Merkmale verfloſſener Seiten zu-
muthete. Mögen ſich die weiſen und konſequenten
Herren mit einem gewiſſen, auch ſehr aufgeklärten P. P.
Rubens auseinanderſetzen, der dem heiligen Biſchof
Levinus auf einem berühmten Brüſſeler Gemälde ſogar

die Sunge
zehren läßt.
Im Uebrigen dürfte es meinen Leſern wohl er-
ſprießlicher erſcheinen, ſtatt einer Widerlegung einen
Kommentar zu erhalten. Wir ſehen zu beiden Seiten
der Thiergartenallee, die zum thurmhohen Sieges-
denkmal des Königsplatzes leitet: ſämtliche Fürſten, die
ſeit dem erſten Koloniſator der Mark, Albrecht dem
Bären, dieſes Land beherrſchten, umgeben von je zwei
beſonders verdienten Perſönlichkeiten der Regierungs-
epochen. Damit iſt für das rein geſchichtliche Inter-
eſſe das Nothwendige betont. Denn für die Grundidee
des Ganzen haben die hiſtoriſchen Verdienſte der einzelnen
Markgrafen und der geiſtigen Führer Brandenburgs
nur mittelbar eine Bedeutung. Dieſe Doppelreihe
von Standbildern, die uns, von Punkt zu Punkt gleich-
ſam aufſteigend, ſchließlich zur begnadeten Höhe der
vaterländiſchen Entwicklung emporträgt — erinnert
vielmehr an gewiſſe zykliſche Darſtellungen der früheren
kirchlichen Kunſt. Sie bildet im gewiſſen Sinne ein
national empfundenes Gegenſtück zu der neuteſtament-
lichen Figurenfolge der Vorfahren Chriſti, die von den
alten Künſtlern oft dem gewaltigen Erlöſungsdrama
vorangeſtellt wurde: wie von Michelangelo unter der
Decke der Sixtiniſchen Kapelle. Viemand fragt nach
den perſönlichen Verdienſten der einzelnen Männer und
Frauen. Es genügt dem religiös geſtimmten Beſchauer
lediglich zu wiſſen, in welcher Beziehung der Künſtler
dieſen erleſenen Kreis erwartungsvoll harrender Leute
dort zum Mittelpunkt des Ganzen gedacht hat.
Hier bei uns aber ſteht dem Betrachter Deutſchlands
machtvolle nationale That von 1870 vor dem geiſtigen
Auge, die Begründung des neuen Reiches, wie ſie
A. von Werner's Moſaikgemälde der Siegesſäule mit
wuchtigem Ausdruck ſchildert. Sie wurzelt tief in dem
zwar kärglichen, aber geſegneten Boden, den die Hohen-
zollern und ihre Vorläufer in der Mark durch die Jahr-
hunderte mühſam bereitet haben. Sine Energie faſt
ohnegleichen gab das Ferment zu einem ruhmreichen
Wachsthum. Und alſo erſcheint es uns nebenſächlich,
was der Einzelne hierzu that, ob weniger oder mehr:
genug, er gehört unlöslich zum nationalen Ganzen
wie zur feſtgeſchloſſenen Kette der einzelne Ring.
(Schluß folgt.)

ausreißen und von einem Hunde ver-

Wien: Die Plaskik-Ausstellung
der Sezession.
Von Paul Wilhelm, Wien.

der Bildhauerei für ſich allein, in einem völlig auf
die plaſtiſche Wirkung hin geſtimmten Raume zur
Ausſtellung zu bringen, gleichſam Alles loszulöſen, was

2 iſt ein durchaus glücklicher Gedanke, die Werke
 
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