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Die Kunst-Halle — 10.1905

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Nummer 2 (15. Oktober 1904)
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Berliner Kunstschau
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Rapsilber, Maximilian: Das Leipziger Rathsbild
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https://doi.org/10.11588/diglit.66262#0034

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Z 2

eine ſtolze Jubiläumsſtimmung. Es iſt in der That
nichts Kleines, was an dieſer Sammel- und Förderungs-
ſtelle angewandter Kunſt geleiſtet iſt. Faſt mit nichts
war 1879 zu beginnen, und heute ſteht die Entwicklung
des Kunſtgewerbes wieder einmal in der Kulmination,
wie ein Blick in die vielen und reichen Sammlungen
des Nauſes beweiſt. Sine für den Moment kenn-
zeichnende Neuerung beſteht darin, daß das immer im
neueſten Schaffen gipfelnde Kunſtgewerbehaus ſich um
ein Stockwerk vermehrt, um der Antiquitäten⸗Mode zu
dienen. Va, uns ſoll's recht ſein, ein ſo fauler Sauber
auch dem heutigen Alttrödelweſen zu Grunde liegt.
Fehlt es doch nicht am Neueſten und Allerneueſten.
Das Allerallerneueſte aber bekommt man auf einer
Sonderausſtellung der Wiener Werkſtätte zu ſchauen.
Dieſe beſteht ſeit einem Jahr und bringt ausſchließlich
Entwürfe der Profeſſoren Joſef Hoffmann und Noloman
Moſer zur Ausführung; von ganzen Hausbauten und
Einrichtungen bis zum kleinſten Gebrauchsgegenſtand
hinab herrſcht da die ſchärfſte Ausprägung der Wiener
Sezeſſion. Alles in dem einen Vertikalſtil, der durch
die gerade, ſtarre und dünne Linie gekennzeichnet wird.
Innerlich kämpft man gegen die Wiener Nachblüthe des
Empire an, und ohne Sweifel ſind die Künſtler trotz
ihres ſtellenweiſe unangenehm berührenden ſchemati-
ſirenden Pedantismus von einem feinen und aparten
Geſchmack geleitet, und eine techniſche Nobleſſe iſt ihre
oberſte Kunſt⸗ und Geſchäftsmaxime. Mit großem
Aufwand haben ſich die Wiener im Hauſe Hirſchwald
eingerichtet, und was ſie da zeigen an Innenarchitektur,
an Möbeln, an Metall-, Leder-, Gold-, Silber⸗ und
Lackarbeiten ꝛc. iſt gewiß eine Sehenswürdigkeit. Die
Künſtler haben eine gewiſſe ſtilbildende Kraft, die dem
ganzen Hausweſen im echt Wiener Sinne eine vor-
nehme Einheitlichkeit und eine beſtechende Eigenart
aufprägt, obgleich noch Manches bizarr gemacht und
in das Syſtem gezerrt erſcheint. Leider fehlt mir der
Raum, auf Einzelheiten einzugehen. Betonen möchte
ich nur noch, daß den Wienern das Regenerationswerk
der angewandten Kunſt am ſchnellſten geglückt iſt.
Hätten ſie des grotesk blödſinnigen Anhängſels von
albernen Keramiken und geiſtloſen Holzſchnitzereien ent-
rathen, ſo würde der Geſammteindruck vielleicht ein
bezwingender ſein.
M. Rapſilber.

Das Leipziger Nathsbild.

Y nter mancherlei künſtleriſchen Neuigkeiten be-
ſchäftigten mich bei einem Beſuche der Stadt

Leipzig zumeiſt das neue Rathhaus von Hugo
Licht und ein ebenſo neues Leipziger Rathsbild des
Berliner Malers Eugen Urban, der dort den Vorzug hat,
ein geborener Leipziger zu ſein. Beide Erſcheinungen
ſtehen in engem Suſammenhang, denn eben zur
Vollendung des neuen Rathhauſes hat der Magiſtrat
oder Rath der ſächſiſchen Metropole ein monumentales
Gruppenbild ſeiner eignen werthen Perſönlichkeiten
geſtiftet. Da es ſich hier um ein hervorragendes und
neuartiges Kunſtwerk handelt, das in der Geſchichte
deutſchen Städteweſens und kommunalen Selbſtbewußt-
ſeins einmal mit Ehren genannt werden wird, möchte
ich mit einigen Worten auf ſeine Eigenart eingehen,
vielleicht daß andere Städte ſich das Vorbild ad notam

nehmen. Auf dem Gemälde, das eine Cänge von etwa
%m und eine Höhe von nahezu 2,50 m hat, waren
55 Perſonen darzuſtellen. Aber wied Etwa wie der
Hamburger Senat in Sammet und Seide und auf einer
Treppe poſirend und mehr dekorativ als porträtmäßig ?
Urban glaubte ſeine Aufgabe ernſthafter erfaſſen zu
ſollen. Er führte die Herren des hohen Rathes in
ihrem vornehmſten Amtszimmer im alten Rathhaus am
Markt vor, und zwar in voller Amtsthätigkeit begriffen.
Der alte Saal mit ſtark gedunkelten Kurfürſtenbildern,
dem von der Seit goldig gebräunten Barockmobiliar
und gobelinartiger Abtönung mußte dem Maler als
diskreter Hintergrund willkommen ſein. Die landläufige
Gruppirung mit dem Herrn Gberbürgermeiſter in der
Mitte verſchmähte der Künſtler gleichfalls. Dieſes
Motiv iſt durch ſo und ſo viele Kegelklubs und Schützen-
gilden nachgerade in Verruf gerathen und geſtattet auch
nicht die Aktivität der Individualitäten, auf die es dem
Maler zumeiſt ankam. Er ſchilderte daher in hiſtoriſcher
Treue eine Vathsſitzung, wobei er ſich als Künſtler
vorbehielt, die Perſönlichkeiten nach maleriſchen Geſichts-
punkten zu gruppiren, um die erforderlichen Kontraſte
und Farbennüancen herauszubekommen. Als Grundlage
der Schilderung dient der Moment der Ueberreichung
der Pläne des neuen Rathhauſes durch den Stadtbau-
rath. Indem nun die Rerren aufs höchſte geſpannt
und angeregt ſind und der Entwurf von Hand
zu Hand wandert, ergab ſich zwanglos eine Fülle von
Charaktereigenheiten, von Bewegung und Leben, und
die berathende und debattirende Körperſchaft iſt ſomit
als ein zuſammenhängender Organismus gekennzeichnet.
In der Mitte ſitzt eine Gruppe von Herren um den
Plan herum, den Baurath Licht im Einzelnen erläutert,
eine andere Gruppe links vorn im Licht hat ſchon
Kenntniß genommen und iſt in erregter Debatte begriffen,
eine dritte Gruppe wartet ſtehend noch der Dinge und
eine vierte gliedert ſich um den Herrn Gberbürger-
meiſter, der neben ſeiner erhöhten Sella curulis am
Ende des Sitzungstiſches ſteht und das Klingelzeichen
zum Beginn der Sitzung geben möchte. Das Stadt-
oberhaupt iſt auf den erſten Blick als Hauptperſon
erkenntlich, auch wenn man in die Leipziger Gepflogen-
heiten nicht eingeweiht iſt. Rein maleriſch betrachtet,
frappirt das Bild durch eine vornehme Ruhe und
Größe in der Auffaſſung und durch eine unmittelbare
Lebendigkeit der Bildniſſe. Es iſt auf den ſachlichen
Ernſt abgeſtimmt, der im Regiment unſerer Großſtädte
obherrſcht. Die dunkle Kleidung des Werktages ergiebt
den Grundton, der ins Blaue, Graue und Schwarze
wirkſam, aber doch fein variirt und durch Licht und
Schatten maleriſch abgeſtuft iſt, und aus dieſem dunklen
Ernſt leuchten die meiſt von grauem Naar umrahmten
Angeſichter hervor. Vor ſolch einem meiſterhaft
gelungenen Bilde bekommt man Reſpekt vor der Summe
von Intelligenz, die ein Stadtganzes im Innerſten zu-
ſammenhält. Der Künſtler hat ſich nicht an Vorbilder
angelehnt, weil ſolch eine neuartige Aufgabe aus eigenſten
Mitteln zu löſen iſt. Er hat keinen Verſuch irgend welcher
Stiliſirung unternommen, aber indem er einen Vorgang
unſerer Tage in unmittelbarer Naturtreue und mit den
maleriſchen Mitteln, die der Geiſt des Ortes und der
Perſönlichkeiten ganz folgerichtig entwickelt hat, zur
Darſtellung bringt, meiſtert er nichts Geringeres als
einen vollendeten Typus des vielberufenen Stils 1900.
M. R.
 
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