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Die Kunst-Halle — 10.1905

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Nummer 7 (1. Januar 1905)
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Kohut, Adolph; Pietsch, Ludwig [Honoree]: Ludwig Pietsch: zu seinem 80. Geburtstage am 25. Dezember 1904
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Brosch, L.: Aus Venedig
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https://doi.org/10.11588/diglit.66262#0122

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102


Nr.

ausübender Künſtler weiß er am beſten, wie mühſam
ſich das wahre Talent emporringt, welche Hinderniſſe
es zu beſiegen hat und wie oft ſo manche „Impondera-
bilien“ dazu beitragen, um den Erfolg zu beſtimmen.

Was das erſtgenannte Werk über die Ausgrabungen
von Olympia — vom April und Mai 1876 — betrifft,
ſo iſt zwar manches darin heute überholt und antiquirt,
aber dennoch bleibt das Geſammturtheil des Kritikers
noch jetzt unangetaſtet, und man wird dieſe unmittelbar
nach der Natur, nach der merkwürdigſten Wirklichkeit
und mit der vollen Wärme der Begeiſterung für die-
ſelbe entworfenen Skizzen mit großem Intereſſe leſen.
Sicherlich wird man noch in der Gegenwart jene
Schlußworte unterſchreiben, die der Verfaſſer im Sep-
tember 1878 ausgeſprochen: „Die Ausgrabungsarbeiten
werden den herrlichen Inhalt jenes ungeheueren Grabes
Jeſu, jenes heiligen Bodens der Kunſt, zum fröhlichen
Licht erlöſen, die ſeit mehr als einem Jahrtauſend ver-
ſenkten Schätze der Schönheit und Denkmale der großen
Vorzeit der heutigen Menſchheit zurückgewinnen. Und
dieſer immer mehr zum Bewußtſein kommen wird die
Wahrheit jenes Wortes von Ernſt Curtius: „Was dort
in der dunkeln Tiefe liegt, iſt Leben von unſerm Leben.“

Beſonders dankenswerth und bedeutſam zur Be-
urtheilung Ludwig Pietſch's als Kunftreferent iſt das
geiſtreiche Werk „Aus Welt und Kunſt“, enthaltend
unter anderem Studien und Skizzen über die „bildende
Kunſt“, ſo z. B. die „Berliner Bildhauerſchule“, das
„Rauch⸗Muſeum“, das „Kabinett der Kupferſtiche und
Nandzeichnungen zu Berlin“, das Musée des Souverains,
über Eugene Delacroix, Garten, Schloß und Gallerie
des Luxembourg, Guſtav Doré und ſeine Bibel-
illuſtrationen u. ſ. w., die insgeſammt von feinem Ber-
ſtändniß und gewiſſenhafteſtem Studium Seugniß ab-
legen und den „Maler-Schriftſteller“ in ſeinen glänzenden
Sigenſchaften uns zeigen.

Möge es dem Jubilar vergönnt ſein, noch lange
der ſüßen Gewohnheit des Daſeins ſich zu erfreuen
und zu athmen im roſigen Licht, denn obſchon er
ein ſtürmiſch bewegtes Leben hinter ſich hat und durch
zahlreiche Todes- und Unglücksfälle in ſeiner Familie
die Leiden und Bitterniſſe des Daſeins gründlich durch-
gekoſtet hat, erfreut er ſich noch glücklicherweiſe einer
unerſchütterlichen Geſundheit, ſo daß die Noffnung auf
ein langes Leben durchaus nicht unangebracht ſein
dürfte.

Bier mag noch zum Schluß erwähnt werden, daß
Ludwig Pietſch, anläßlich der Eröffnung des Suez
Kanals 1869, nur mit knapper Noth dem ſichern Tode
entging: eine Epiſode, die wir vergebens in den auto-
biographiſchen Schriften des Meiſters ſuchen würden.
Ich verdanke jedoch dieſe Mittheilung meinem ver-
ſtorbenen Freund, dem Archäologen und Weltreiſenden
Generalmajor Baron Emanuel von Korff, der, gleich
Pietſch, der Eröffnung des Suez-Kanals beigewohnt
hatte. Er ſchreibt darüber in ſeinem als Manufkript
gedruckten Weltreiſe-Tagebuch unter anderem: In Suez
übergab mich Nubar Paſcha dem Hafen-Rommandanten,
mit dem ich einige Stunden im Nafen umherfuhr und
wo ich den Anordnungen beiwohnte, die Nanalflotte zu
plaziren. Dabei hatte ich Gelegenheit, ein Boot über-
fahren zu ſehen, von dem nur drei Inſaſſen gerettet
wurden, es waren dies der Schriftſteller Ludwig
Pietſch und die Marinekadetten Sperling und von
Arnim

Aus Venedig.

Du Weihnachten regt es ſich in den Nunſtkreiſen
e) Venedigs, wie auch anderwärts. Es wurde
uns hier die erſte Plakat⸗ und Ex Libris-Aus-
ſtellung Italiens eröffnet. Acht Firmen haben ein
Preisausſchreiben für Affichen erlaſſen, elf für EX Libris.
Schade iſt es, daß ſich ſo wenige Firmen betheiligt
haben, und überhaupt bleibt es auch eine mißliche
Sache, gewiſſe Entwürfe vorzuſchreiben, ohne dem
Nünſtler freie Wahl zu laſſen. Warum hat man nicht
eine Abtheilung für Plakatſkizzen auch anderer Branchen
zugelaſſen? Dies wäre für Italien, wo dies Genre
noch in den Windeln ſteckt, förderlich geweſen und
hätte die Ausſtellung weniger eintönig gemacht.

Nichts iſt an dieſen Affichen mit leichter Hand in
künſtleriſcher Singebung hingeworfen, faſt an jeder iſt
zu erkennen, daß ſie ihren Sweck, in die Ferne zu wirken,
verfehlt. Das meiſte iſt in Tempera oder Paſtell aus-
geführt. Für eine Liqueurhandlung würfelt Hugo
Valeri ein Bild à la Brangwyn zuſammen; Secchinato
führt uns ein häßlich geſtaltetes Weib, roth angethan,
vor, während im Bintergrund die Saluta-Virche ragt.
Pagiaro's Plakat einer Badegeſellſchaft ſtellt eine mit
dünnen, flatternden Schleiern bedeckte, die Leier ſpielende
Frau vor, im Hintergrund eine kaum bewegte Waſſer-
fläche: man kann ſich nichts Geſchmackloſeres denken.
Abſchreckender freilich iſt dasſelbe Sujet von Codognato
behandelt. Auf rothem Hintergrund zeichnet Ceſare
Laurenti in Rückenanſicht die hünenhafte Geſtalt eines
halbnackten Schloſſers, etwas manierirt in der Auf-
faſſung. Für eine Tabakfabrik macht Biboldi einen
grünſpanſchillernden weiblichen Akt — die Dame bläſt
aus einer Cigarre in vollen Hügen Rauch. Geeignet
wäre die braunrothe Affiche einer Schneiderwerkſtätte
von Kunert, wenn die Umriſſe ſchärfer markirt ſein
würden. Theodor Wolf ſtellt uns die Anſicht des
Hotel d' Italie am großen Kanal in Abendbeleuchtung
vor, dasſelbe bringt Corompay mit mehr Stimmung.
Am meiſten entſpricht Simoneti's Plakat einer Chokolad-
fabrik: drei Kinder ſind vor einer Mauer gruppirt,
eine Katze ſchleicht ihnen nach, im Hintergrunde Schorn-
ſteine, Alles ohne feinere Details, wodurch dieſes drei-
farbige Stück hübſche Fernwirkung erzielt. — Aus der
Ex libris - Ausſtellung könnte man gleichfalls einiges
Gute verzeichnen. Meiſtens ſind es fleißig ausgeführte
Federzeichnungen. Das Beſte in dem Fach leiſtet der
junge Stella.

Die, wie bekannt, am 22. April 1905 hier zu er-
öffnende VI. Internationale Kunſtausſtellung
wurde um zwei Säle vermehrt: einer iſt der deutſchen
Sektion verliehen, der andere der Skulptur. Su be-
merken iſt auch noch, daß die ausländiſchen Säle dies-
mal dekorirt werden. Hu dem Behufe ſind für jede
Nation eigene Kommiſſionen gewählt worden, die wie
folgt zuſammengeſetzt ſind: Deutſchland: Hermann Nahn,
Ludwig Herterich, Emanuel Seidl; England: Walter
Crane, Alfred Eaſt, George Frampton; Frankreich: Paul
Albert Besnard, Alexandre Charpentier, Guſtave Soulier;
Schweden: Ferdinand Boberg; Ungarn: Bertalau
Karlopſzky, Sens de Radiſics, Miklo Szmrecſänvi.

Zum Schluß möchte ich noch erwähnen, daß im
September 1905 der erſte internationale Kunſtkongreß
in Venedig tagen wird. Es werden zur öffentlichen
Diskuſſion verſchiedene dringende Fragen geſtellt werden,
z. B. wie die Aufnahmejury zuſammengeſetzt, die Aus-
zeichnungen vertheilt, die Aufſtellungskommiſſionen ge-
bildet werden ſollen u. A. m., was im Intereſſe wohl
aller Künſtler liegt. L. Broſch.
 
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