Nr. 3
dabei von überraſchender plaſtiſcher Wirkung. Eine
tiefe Charakterſchilderung voll inneren Lebens iſt das
Bildniß der blinden Herzogin Max in Bayern, ebenſo
iſt das Porträt des Herzogs Georg von Sachſen eine
Perſönlichkeitsſchilderung, die ſich den beſten aller Zeiten
an die Seite ſtellt.
Neben Lenbach intereſſirt beſonders die Sonder-
ausſtellung Hermann Prell's-Dresden, der neben
einer Reihe von Entwürfen zu ſeinen Wandgemälden
im Palazzo Caffarelli in Rom, den Wand- und Decken-
bildern im Albertinum zu Dresden, Landſchaftsbilder
und Erinnerungsſkizzen ausgeſtellt hat. Su der Seit,
als Prell noch in emſiger Thätigkeit an den poeſie- und
gedankenreichen Wandbildern des Breslauer Muſeums
ſchuf, erhielt er plötzlich im Sommer 1894 den Auftrag
des Kaiſers, den Feſtſaal der deutſchen Botſchaft in
Rom im Palazzo Caffarelli maleriſch auszuſchmücken.
Der Saal ſollte in ſeinen Haupttheilen vorwiegend
dekorativ ausgeſtattet werden und als oberen Abſchluß
einen Figurenfries erhalten, zu dem aus der deutſchen
Sage die Motive zu entnehmen waren. Weder
Viſtoriſches noch Religiöſes, ſondern etwas Nationales
ſollte hier zur Darſtellung kommen. Die Aufgabe des
Künſtlers beſtand alſo darin, die der Anſchauungs- und
Empfindungsweiſe des deutſchen Volkes entrückten
Bilder der germaniſchen Sagenwelt, in allgemein-
verſtändlicher Sprache der Kunſt neu zu entfalten.
Den Wechſel der Jahreszeiten, der den nordiſchen
Barden als ein dreiaktiges Drama: Auszug zum Kampf,
Sieg und Untergang erſchien, nahm der Künſtler als
Grundgedanken auf und entwickelte daraus ſeinen groß-
zügigen, machtvollen „Jahresmythos der Erde“ und
ſchilderte den Ideengang in ihrem Erwachen aus dem
Winterſchlaf, ihre Befreiung durch den Sonnengott aus
der Gefangenſchaft der Winterrieſen, ihre Vermählung
mit dem Sonnengott und ihr allmähliches Wiederverſinken
in die Feſſeln des Eiſes. Ueber das in dieſem Sommer
vollendete große Werk Prell's, die Ausſchmückung des
Treppenhauſes des Albertinums zu Dresden, iſt bereit
früher in dieſer Suſchrift eingehend berichtet. Bei der
Durchführung dieſer Aufgabe hat er neben der Malerei
auch die Plaſtik angewendet und dieſe plaſtiſchen Geſtalten
in verkleinerten Bronzenachbildungen neben ſeinen Ent-
würfen jetzt mit ausgeſtellt. Für manchen Nunſtfreund
wird die vorliegende Ausſtellung inſofern eine Ueber-
raſchung bieten, als der Monumentalmaler ſich hier in
einer Reihe köſtlicher Landſchaftsbilder und Erinnerungs-
ſkizzen, welche die verſchiedenartigſten Motive ver-
anſchaulichen, von einer ganz neuen Seite zeigt. In
dieſen Arbeiten entwickelt der ſonſt mit breiten Maſſen
wirkende Schilderer und in großem Stil ſchaffende
Künſtler, eine ganz eigenartige Tonfeinheit und intime
Naturbeobachtung.
Ernſt Riesling.
Zerliner Nunstschau.
Meiſter und ſolche, die es gerne ſein oder werden
möchten, zu einer recht amüſanten Augenweide
zuſammengefunden. Es bietet ſich da die herkömmliche,
wohlaſſortirte und raffinirt kombinirte Herbſtkollektion,
die eine große Anziehungskraft auf diejenigen Kunſt-
freunde ausübt, ſo den Parteiſpektakel nicht goutiren
J. Salon J. Casper haben ſich einige ſechzig
e“
und etwas Gutes im Stillen genießen möchten. Daher
ſchickt ſich hier auch nicht ein Bericht im OGrakel- oder
Poſaunenton. Es genügt wohl ſchon eine Reihe von
Namen zu nennen mit dem Bemerken, daß ſie charakter-
voll vertreten ſeien. Wer auf dem Kunſtmarkt und in
den Ateliers Beſcheid weiß, wird die Schwierigkeit und
daher auch das Verdienſt ermeſſen können, das darin
beſteht, die internationale Elite ſo vollzählig zur Strecke
zu bringen und von jedem womöglich ein apartes Stück,
einen Treffer oder eine ſonſt nicht alltägliche Leiſtung,
die für Berlin außerdem noch den Reiz der Neuheit
beſitzt. Wenn die Berliner ſo unbeſcheiden ſein dürfen,
ſich vor den Gäſten den Vortritt zu geſtatten, ſo nennen
wir wohl zuvörderſt Skarbina mit zwei graziöſen Groß-
ſtadtbildchen neueſter Signatur. Man ſieht da eine
Dame mit ihren beiden Herzblättchen Abends vor einem
ſtrahlenden Schaufenſter ſtehen und ferner eine modiſche
Dame, pikant in Braun gekleidet, an der Seite eines
Slegants in eine Nonditorei eintreten und in beiden
Fällen entwickelte der Künſtler den feinen und prickeln-
den Sauber der ihm zu Gebote ſtehenden Intimität
und natürlichen Grazie. A. Kampf malte mit breithin
wühlender Kraft und einem pikanten Farbenwitz eine
Suſanna, welcher die Alten mit ſtiller Freude hinter
dem Vorhang zuſchauen und zwar ſind die ſchlotternden
Kaftans ſo gebannt von dem delikaten Anblick, daß ſie
gar nicht zum Anſturm und Sutappen gelangen werden.
Von L. Ury ſehen wir eins ſeiner allerbeſten Früh-
werke, das als ein Pionier des Berliner Impreſſionis-
mus gelten kann, die briefleſende Dame im Café, am
weißen Marmortiſch, in einem grauweißen Jackett
gegen einen hellblauen Nintergrund; der ſchöne Su-
ſammenklang der hellen Töne und der große Vortrag
ſind gleich bewundernswerth. H. Nerrmann überraſcht
durch ein figurenreiches Marktbild aus Pliſſingen, das
intereſſanter Weiſe auf dunkle oder tiefe Töne abgeſtimmt
iſt und bei ſolcher Abart als eine ſehr bemerkenswerthe
Variante im Werk des Meiſters anzuſprechen iſt.
M. Slevogt endlich zeigt ein Damenporträt in Blond,
das, ſo fahrig und ſo unvornehm auch der Farbenwiſch
iſt, doch durch eine unmittelbare Lebendigkeit den Be-
ſchauer feſſelt. Aus anderen deutſchen Bezirken macht
ſich inſonderheit der Dresdner E. Kolbe, der aus der
Brachtſchule zu ſtammen ſcheint, bemerkbar durch zwei
Landſchaften, durch das Bild einer Ebene und eine
Winterſtimmung, die ebenſo herzhaft friſch wie fein und
ſicher ausgeführt ſind. Auch der Münchener Jean
Baptiſte Scherer, der bei Paul Höcker und bei Duret
in Paris gelernt hat, iſt nicht zu überſehen. Er malte
aus tiefſtem Dunkel heraus den phantaſtiſchen Dämme-
rungsſchein einer Schlaftänzerin, über deren flatternde
Gewänder magiſch bunte Lichter huſchen. So etwas
macht, wenn es wie hier mit der vollen Beife der
Münchener Schule ausgeſtattet iſt, begreiflicher Weiſe
einen ſtarken Sffekt. Natürlich iſt im Hauſe Casper
auch das Ausland recht ergiebig in die Schranken ge-
treten. Für ſich allein figurirt eine Gruppe klaſſiſcher
Franzoſen. Darunter ein kleiner herber Rouſſeau, zwei
winzige aber köſtliche Corots, eine Dorfſtraße im
Sonnenſchein und ein Wald in hereinbrechender
Dämmerung, ein Heidebild von N. Diaz mit einſam
ſtolzer Kiefer gegen lichten Norizont und düſterer Wolke
im Senith, ein elegant geleckter Fromentin mit den
maleriſchen Arabern zu Pferde, ein ziemlich rohes
Balleteuſenpaſtell von Degas u. a. m. In der großen
Maſſe tauchen andere Franzoſen auf mit intereſſanten
Leiſtungen. Von Gaſton de la Touche ſehen wir eine
Redoute in der großen Gper, lichterſtrahlend und bunt
wirbelnd und doch nebelhaft gedämpft, als ob man
dabei von überraſchender plaſtiſcher Wirkung. Eine
tiefe Charakterſchilderung voll inneren Lebens iſt das
Bildniß der blinden Herzogin Max in Bayern, ebenſo
iſt das Porträt des Herzogs Georg von Sachſen eine
Perſönlichkeitsſchilderung, die ſich den beſten aller Zeiten
an die Seite ſtellt.
Neben Lenbach intereſſirt beſonders die Sonder-
ausſtellung Hermann Prell's-Dresden, der neben
einer Reihe von Entwürfen zu ſeinen Wandgemälden
im Palazzo Caffarelli in Rom, den Wand- und Decken-
bildern im Albertinum zu Dresden, Landſchaftsbilder
und Erinnerungsſkizzen ausgeſtellt hat. Su der Seit,
als Prell noch in emſiger Thätigkeit an den poeſie- und
gedankenreichen Wandbildern des Breslauer Muſeums
ſchuf, erhielt er plötzlich im Sommer 1894 den Auftrag
des Kaiſers, den Feſtſaal der deutſchen Botſchaft in
Rom im Palazzo Caffarelli maleriſch auszuſchmücken.
Der Saal ſollte in ſeinen Haupttheilen vorwiegend
dekorativ ausgeſtattet werden und als oberen Abſchluß
einen Figurenfries erhalten, zu dem aus der deutſchen
Sage die Motive zu entnehmen waren. Weder
Viſtoriſches noch Religiöſes, ſondern etwas Nationales
ſollte hier zur Darſtellung kommen. Die Aufgabe des
Künſtlers beſtand alſo darin, die der Anſchauungs- und
Empfindungsweiſe des deutſchen Volkes entrückten
Bilder der germaniſchen Sagenwelt, in allgemein-
verſtändlicher Sprache der Kunſt neu zu entfalten.
Den Wechſel der Jahreszeiten, der den nordiſchen
Barden als ein dreiaktiges Drama: Auszug zum Kampf,
Sieg und Untergang erſchien, nahm der Künſtler als
Grundgedanken auf und entwickelte daraus ſeinen groß-
zügigen, machtvollen „Jahresmythos der Erde“ und
ſchilderte den Ideengang in ihrem Erwachen aus dem
Winterſchlaf, ihre Befreiung durch den Sonnengott aus
der Gefangenſchaft der Winterrieſen, ihre Vermählung
mit dem Sonnengott und ihr allmähliches Wiederverſinken
in die Feſſeln des Eiſes. Ueber das in dieſem Sommer
vollendete große Werk Prell's, die Ausſchmückung des
Treppenhauſes des Albertinums zu Dresden, iſt bereit
früher in dieſer Suſchrift eingehend berichtet. Bei der
Durchführung dieſer Aufgabe hat er neben der Malerei
auch die Plaſtik angewendet und dieſe plaſtiſchen Geſtalten
in verkleinerten Bronzenachbildungen neben ſeinen Ent-
würfen jetzt mit ausgeſtellt. Für manchen Nunſtfreund
wird die vorliegende Ausſtellung inſofern eine Ueber-
raſchung bieten, als der Monumentalmaler ſich hier in
einer Reihe köſtlicher Landſchaftsbilder und Erinnerungs-
ſkizzen, welche die verſchiedenartigſten Motive ver-
anſchaulichen, von einer ganz neuen Seite zeigt. In
dieſen Arbeiten entwickelt der ſonſt mit breiten Maſſen
wirkende Schilderer und in großem Stil ſchaffende
Künſtler, eine ganz eigenartige Tonfeinheit und intime
Naturbeobachtung.
Ernſt Riesling.
Zerliner Nunstschau.
Meiſter und ſolche, die es gerne ſein oder werden
möchten, zu einer recht amüſanten Augenweide
zuſammengefunden. Es bietet ſich da die herkömmliche,
wohlaſſortirte und raffinirt kombinirte Herbſtkollektion,
die eine große Anziehungskraft auf diejenigen Kunſt-
freunde ausübt, ſo den Parteiſpektakel nicht goutiren
J. Salon J. Casper haben ſich einige ſechzig
e“
und etwas Gutes im Stillen genießen möchten. Daher
ſchickt ſich hier auch nicht ein Bericht im OGrakel- oder
Poſaunenton. Es genügt wohl ſchon eine Reihe von
Namen zu nennen mit dem Bemerken, daß ſie charakter-
voll vertreten ſeien. Wer auf dem Kunſtmarkt und in
den Ateliers Beſcheid weiß, wird die Schwierigkeit und
daher auch das Verdienſt ermeſſen können, das darin
beſteht, die internationale Elite ſo vollzählig zur Strecke
zu bringen und von jedem womöglich ein apartes Stück,
einen Treffer oder eine ſonſt nicht alltägliche Leiſtung,
die für Berlin außerdem noch den Reiz der Neuheit
beſitzt. Wenn die Berliner ſo unbeſcheiden ſein dürfen,
ſich vor den Gäſten den Vortritt zu geſtatten, ſo nennen
wir wohl zuvörderſt Skarbina mit zwei graziöſen Groß-
ſtadtbildchen neueſter Signatur. Man ſieht da eine
Dame mit ihren beiden Herzblättchen Abends vor einem
ſtrahlenden Schaufenſter ſtehen und ferner eine modiſche
Dame, pikant in Braun gekleidet, an der Seite eines
Slegants in eine Nonditorei eintreten und in beiden
Fällen entwickelte der Künſtler den feinen und prickeln-
den Sauber der ihm zu Gebote ſtehenden Intimität
und natürlichen Grazie. A. Kampf malte mit breithin
wühlender Kraft und einem pikanten Farbenwitz eine
Suſanna, welcher die Alten mit ſtiller Freude hinter
dem Vorhang zuſchauen und zwar ſind die ſchlotternden
Kaftans ſo gebannt von dem delikaten Anblick, daß ſie
gar nicht zum Anſturm und Sutappen gelangen werden.
Von L. Ury ſehen wir eins ſeiner allerbeſten Früh-
werke, das als ein Pionier des Berliner Impreſſionis-
mus gelten kann, die briefleſende Dame im Café, am
weißen Marmortiſch, in einem grauweißen Jackett
gegen einen hellblauen Nintergrund; der ſchöne Su-
ſammenklang der hellen Töne und der große Vortrag
ſind gleich bewundernswerth. H. Nerrmann überraſcht
durch ein figurenreiches Marktbild aus Pliſſingen, das
intereſſanter Weiſe auf dunkle oder tiefe Töne abgeſtimmt
iſt und bei ſolcher Abart als eine ſehr bemerkenswerthe
Variante im Werk des Meiſters anzuſprechen iſt.
M. Slevogt endlich zeigt ein Damenporträt in Blond,
das, ſo fahrig und ſo unvornehm auch der Farbenwiſch
iſt, doch durch eine unmittelbare Lebendigkeit den Be-
ſchauer feſſelt. Aus anderen deutſchen Bezirken macht
ſich inſonderheit der Dresdner E. Kolbe, der aus der
Brachtſchule zu ſtammen ſcheint, bemerkbar durch zwei
Landſchaften, durch das Bild einer Ebene und eine
Winterſtimmung, die ebenſo herzhaft friſch wie fein und
ſicher ausgeführt ſind. Auch der Münchener Jean
Baptiſte Scherer, der bei Paul Höcker und bei Duret
in Paris gelernt hat, iſt nicht zu überſehen. Er malte
aus tiefſtem Dunkel heraus den phantaſtiſchen Dämme-
rungsſchein einer Schlaftänzerin, über deren flatternde
Gewänder magiſch bunte Lichter huſchen. So etwas
macht, wenn es wie hier mit der vollen Beife der
Münchener Schule ausgeſtattet iſt, begreiflicher Weiſe
einen ſtarken Sffekt. Natürlich iſt im Hauſe Casper
auch das Ausland recht ergiebig in die Schranken ge-
treten. Für ſich allein figurirt eine Gruppe klaſſiſcher
Franzoſen. Darunter ein kleiner herber Rouſſeau, zwei
winzige aber köſtliche Corots, eine Dorfſtraße im
Sonnenſchein und ein Wald in hereinbrechender
Dämmerung, ein Heidebild von N. Diaz mit einſam
ſtolzer Kiefer gegen lichten Norizont und düſterer Wolke
im Senith, ein elegant geleckter Fromentin mit den
maleriſchen Arabern zu Pferde, ein ziemlich rohes
Balleteuſenpaſtell von Degas u. a. m. In der großen
Maſſe tauchen andere Franzoſen auf mit intereſſanten
Leiſtungen. Von Gaſton de la Touche ſehen wir eine
Redoute in der großen Gper, lichterſtrahlend und bunt
wirbelnd und doch nebelhaft gedämpft, als ob man