Nr. 6
im Gegenſatze hierzu war kurz vorher eine Ausſtellung
der reizenden ſtilreichen erzählenden Gouachebilder von
Maximilian Liebenwein ein Seugniß einer reifenden
künſtleriſchen Eigenart, der wir gern wieder begegnen
werden. Ihnen folgten Ernſt Liebermann und Martin-
Weimar mit Landſchaften und der Dresdner Paul Kießling
mit einer kleinen Kollektion von Porträts und Skizzen,
die um ein größeres farbig feines Figurenbild, die
KHönigin-Wittwe im Kreiſe von Krankenpflegerinnen an
einem Krankenbette, gruppirt waren. Suletzt brachte
der Salon eine 66 Nummern umfaſſende Sammlung von
Werken der franzöſiſchen Inpreſſioniſten Manet, Monet,
Renoir, Piſſarro, Sisley, Cézanne, Boudin und anderer.
Da dies Alles keine Neuerſcheinungen ſind, erübrigt es
ſich, näher auf die ſicher intereſſante und dankenswerthe
Ausſtellung einzugehen. .
Bei C. Arnold-Gutbier war eine ſehr reichhaltige
Sammlung von Radirungen des Schweden Anders
Sorn zu ſehen, die eifrig zu ſtudiren lohnend und
genußreich war und mit hoher Achtung vor dem geiſt-
reichen Künſtler erfüllte, der das Techniſche ſo virtuos
meiſtert. Eine Reihe von Gelbildern von W. Leiſtikow,
neuere und ältere Arbeiten, erfreute durch die unge-
künſtelte Natürlichkeit der Auffaſſung und die Friſche
des Tones, wenn auch manches Bild den Wunſch nach
reizvollerer Behandlung des Vordergrundes rege werden
ließ. Die anſchließende Lenbach-Ausſtellung, gleichzeitig
mit der des Kunſtvereins, brachte über 40 Werke des
Meiſters aus verſchiedenen Schaffensperioden.
Julius Günther.
Prof. Ostwald’s Untersuchungen
für Pastellmalerei.
Nie Freude an dilettantiſchen Verſuchen in der Malerei
7 9 hat Prof. Gſtwald in Leipzig dazu geführt, ſich mit
f
S, befonderer Vorliebe mit der Paſtell-Technik zu
beſchäftigen und, wie er ſelbſt ſagt, habe dadurch ſeine Wiſſen-
ſchaft wiederum eine Förderung erfahren. Hierbei kam es dem Ge-
lehrten nicht blos darauf an, die chemiſche und phyſikaliſche
Seite der Sache zu berühren, vielmehr die ihm wiſſenſchaftlich
näher ſtehende phyſikochemiſche Betrachtungsweiſe zur Geltung
zu bringen. Mit der rein chemiſchen Unterſuchung der Mal-
farben Bereitung hat ſich die Geſellſchaft rationeller Mal-Ver-
fahren in München bereits eingehend beſchäftigt. Daß zu der-
artigen wiſſenſchaftlichen Unterſuchungen manche Nünſtler ſich
ablehnend verhalten und die ſeltſame Behauptung aufſtellen,
die Inſpiration werde gehemmt durch ſolche wiſſenſchaftlichen
Erörterungen, iſt wirklich nicht recht zu verſtehen, denn das
Handwerksmäßige ſpielt doch auch in der Uunſt eine große
Rolle. Man braucht ſich ja nur die Schaffensweiſe der Alten
zu vergegenwärtigen, deren Gemälde noch heute zum größten
Theil in unverminderter Farbenfriſche prangen, und die nicht
mit vom Händler bezogenen, ſondern mit ſelbſt zubereiteten
Farben ausgeführt waren. Demnach verfügten die alten
Meiſter zweifellos über ein ganz erhebliches theoretiſches Wiſſen,
welches ſie keineswegs in ihrer künſtleriſchen Freiheit behinderte.
Wie intenſiv und unausgeſetzt hat ſich von den Neueren Böcklin
mit dem Farbenmaterial beſchäftigt und iſt dabei in ſeiner
Phantaſie durchaus nicht beeinträchtigt, vielmehr aller Wahr-
ſcheinlichkeit nach angeregt worden.
Der Unterſchied in den verſchiedenen Arten der Malerei
beruht im Bindemittel, mit dem die pulverförmigen Farbſtoffe,
die man ſich als winzige Nügelchen zu denken hat, auf der
Unterlage befeſtigt werden. Vom Bindemittel hängt alſo die
Art der Technik und ſonſtigen Behandlung ab, ferner auch die
Wirkung der Farbe auf das Auge und die Haltbarkeit des
Bildes. Die engſten Beziehungen zu der einfarbigen Feichnung
beſitzt die Paſtellmalerei; denn auch bei letzterer ſind die zu
verwendenden Farben in Form von Stiften geſtaltet. Für die
Rerſtellung der farbigen Paſtellſtifte wird in der Hauptſache
weiße Schlemmkreide verwendet, die mit verſchiedenen Farb-
ſtoffen vermiſcht und durch Fuſatz eines wäſſerigen Bindemittels
(aufgelöſter Tragantgummi) in Stifte geformt wird. Das Binde-
mittel dient nur dazu, dem Farbenpulver Suſammenhang und
die gewünſchte Härte zu geben, und hat mit der Bindung der
Farbe auf der Bildfläche nichts zu thun. Um die Deckung des
Untergrundes möglichſt leicht bewerkſtelligen zu können, darf
dem Farbſtoff nur ſo viel Bindemittel zugeſetzt werden, als
unbedingt nöthig iſt, um eine gewiſſe Konfiftenz zu erreichen,
welche das Derarbeiten der Stifte ermöglicht. Die Unterlage
muß ſo beſchaffen ſein, daß ſie einen reichlichen Farbenauftrag
zuläßt. Sie kann entweder filzig weich oder rauhhart ſein.
Ein mit Paſtellfarben ausgeführtes Bild iſt zwar ſehr
empfindlich gegen Verletzungen, ja ſelbſt gegen bloßes Berühren,
kann jedoch, durch ſorgfältiges Einrahmen unter Glas ge-
ſchützt, Jahrhunderte hindurch ſeine urſprüngliche Friſche be-
wahren. Die Paſtelle der Dresdner Gallerie geben Seugniß
von der Haltbarkeit der Paſtellfarben, bei denen ſich kein
brauner Gallerieton entwickelt, wie bei den Gelbildern, weil
bei Paſtellen kein Bindemittel eine ſchädigende Veränderung
herbeiführen kann; ebenſo kann das Reißen und Abblättern
nicht ſtattfinden. Die Einwirkung des Sauerſtoffs der Luft
auf die Farbtheile wird beim Paſtell eine weniger ſchädliche
und viel langſamere Wirkung ausüben, wie z. B. bei der
Aquarellmalerei, da der Farbenauftrag beim Paſtell viel
paſtoſer iſt als beim Aquarell, deſſen Farbſchicht äußerſt dünn
iſt. Daß Farbennuancen, die aus Anilinfarben hergeſtellt ſind,
beim Paſtell ebenfalls raſch verſchwinden, iſt erklärlich. Da es
jedoch eine genügende Anzahl beſtändiger Farbſtoffe giebt, ſo
kann man die anderen leicht entbehren. Die Suſetzung von
Schlemmkreide zu den Farbſtoffen hat vom chemiſchen Stand-
punkt aus gar keine Bedenken.
„Zieht man alle dieſe Umſtände in Betracht,“ äußert ſich
Oſtwald weiter, „ſo gelangt man zu dem etwas überraſchend
erſcheinenden Reſultate, daß in Paſtell hergeſtellte Bilder,
wenn ſie gegen grobe Verletzungen durch Glas geſchützt ſind,
ſo ziemlich die dauerhafteſten Produkte der maleriſchen Technik
ſind.“ Ihm erſcheint ſie als die ſchönſte und ausgiebigſte, und
er iſt der Meinung: daß es in der That nur wenige Aufgaben
giebt, die man mit Paſtell nicht löſen könne und ſie gewähre
dem Künſtler eine Freiheit wie keine einzige andere Technik.
Bei keiner anderen Technik ſei der Hünſtler weniger vom
Material abhängig, keine geſtatte ſo weitgehende Aenderungen
eines halbfertigen Bildes, keine beanſpruche ſo wenig Rück-
ſicht bei willkürlicher Unterbrechung der Arbeit; dabei gehöre
ſie zu den dauerhafteſten, die es giebt. Wenn nicht die Un-
möglichkeit einer Laſur zu machen vorläge, würde Oſtwald
nicht anſtehen, das Paſtell für das vollkommenſte aller male-
riſchen Verfahren zu erklären.