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Die Kunst-Halle — 10.1905

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Nummer 17 (1. Juni 1905)
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Rapsilber, Maximilian: II. Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes
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Münchner Kunstschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.66262#0303

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265

Im Mittelpunkt der Ausſtellung liegt eine Art
Salon carré, in welchem man die Bilder der Votabi-
litäten, der Jurypherren und Gbergenies vereinigt hat.
Darunter werden am meiſten die Münchner bemerkt
und unter dieſen hinwiederum am meiſten Franz
Stuck, der, weil jetzt Friede und Verſöhnung auf der
ganzen Linie, auch von der Berliner Kritik wieder in
Gnaden anerkannt und gefeiert wird. Stuck ſcheint ſich
in der That auch des Beſten befleißigt zu haben, denn
von vier Bildern ſchickt er nur ein verkäufliches, zwei
andere befinden ſich ſchon im PDrivatbeſitz und ein drittes
gar in einer ſtaatlichen Gallerie. Und dies letztere,
nämlich ein Bacchanal, iſt auch das weitaus beſte. Man
ſieht da zwiſchen einer Säulenſtellung eine wildbewegte,
tanzende, johlende, liebelnde, buhlende Menge in brün-
ſtiger Nachtzeit. Durch die hohen Bäume, die den
Platz abgrenzen, ſchaut der tief, tiefblaue Nachthimmel,
wie er nur über Wüſten und arkadiſchen Bergländern
des Südens im ſchwerſten Ultraton jeweilig hereinragt.
Heller Fackelglanz mit gaukelnden, flimmernden, ſpringen-
den Reflexen liegt auf den Häuptern der Menge, die
eigentlich nur durch ſcharfrothe, grüne, gelbe Farben-
fetzen näher gekennzeichnet wird. Aber dadurch gerade
wird die Phantaſie des Beſchauers zu allerlei Ergän-
zungen angeregt und ſieht zehnmal ſoviel in das Bild
hinein, als wirklich drin liegt. Ebenſo maleriſch bedeutend
wie ergötzlich iſt eine neue Variation der keuſchen
Suſanna. Die Schöne am Badebaſſin iſt nichts weniger
als verdutzt oder erſchreckt, als die Schmiergreiſe, die
mehr polniſchen Hauſierern als alten Israeliten ähnlich
ſehen, heranſchleichen. Sie hebt einfach ihren blauſeide-
nen Jupon (oder iſt es ein im Grient in dieſer Farbe
gerade ſehr gebräuchlicher Weiberkaftand) vor Bruſt
und Leib wie ein Segel und wie ſie ſich nun in den
Hüften biegt und die Arme gefällig hebt und die
Brüſte in jungfräulicher Rundung plaſtiſch fühlbar macht,
kokettirt der Racker nicht gerade verſchämt mit dem
Beſchauer des Bildes und lacht ſich eins, daß ſie den
Wackelgreiſen mit einem ſo einfachen und naheliegenden
Mittel die Ausſicht verbaut hat. O ja, der Bumor
iſt in dieſer prachtvollen Schilderung vielleicht das
Genialſte. In das von Stuck vielbebaute Reich dez
wüſt Grotesken fällt ein Kampf um das Weib. Da
ſteht in arkadiſcher Nacktheit ein Dragoner von einem
Weibe, das zwei ſcheußliche Kerls auf einander ge-
hetzt hat, während ihre Fülle und die Frechheit ihrer
Haltung darauf hinweiſen, daß ſie es aus ihrem Cheil
gut und bequem mit zweien oder dreien ſolcher Brunſt-
eſel aufnehmen kann. Die ſchwärzlich gelblichen Kerle,
die zähnefletſchend und bockend wider einander rennen,
ſcheinen einen Augenblick zu vergeſſen, daß ſie nicht die
üblichen Faune ſind und alſo auch in dieſem Sinne
nicht gehörnt ſind, aber ihre Kopfbewegungen ſind der-
art, als ob ſich der eine die Hörner, die ihm der
andere aufgeſetzt, an dem Nebenbuhler abſtoßen wolle.

M. E.

Münchner Kunstschau.

nton von Werner, der einſt führende Meiſter
der Berliner Kunft, hat ſich ſeit Jahr und Tag
auf den Münchner Kunſtausſtellungen nicht mehr
gezeigt. Um ſo größer war die Ueberraſchung, als un
die Gallerie Heinemann vor ein paar Tagen eine Anton


von Werner-Ausſtellung ankündigte. Es handelte ſich
nun, wie man bald ſah, freilich nicht um große Hiſtorien-
bilder, die für die Nunſt Werner's bezeichnend ſind,
ſondern ſozuſagen nur um das Handwerkzeug, da-
Material, dazu. Da ſind nämlich in dem großen Bild-
hauerſaal etwa 150 Porträtſkizzen des Meiſters auf-
geſtellt. Es ſind Votizen, freilich ſehr ſorgfältige, ſehr
delikate Notizen, zu den großen Bildern: „Kaiſer-
proklamation in Verſailles“ und „Reichstagseröffnung“.“
Manche der Porträtſkizzen, namentlich jene, die mit
Röthel oder Farbe leicht gehöht ſind, etwa das freund-
liche Diplomatengeſicht des älteren Bülow, wirken direkt
bildmäßig, manche, beſonders die im Hauptquartier in
Verſailles entſtanden, tragen dagegen ganz den genialen
ſkizzenhaften Charakter — ein naturgetreues Abbild des
äußeren Menſchen, in einer Viertelſtunde herunter-
geſtrichen. Die Art der Ausſtellung bringt es mit ſich,
daß das ſtoffliche Intereſſe überwiegt. Da ſteigen ſie
nochmals aus dem Grab, die Helden von 1870 und 7!
und die Politiker, die an der Begründung des Reiches Theil
hatten, manche heute ſchon halbvergeſſen, treten noch ein-
mal leibhaftig vor uns hin. So wirkt dieſes Werk wie eine
werthvolle Chronik, man blättert und lieſt von edlen
Männern und ihren Heldenthaten — und weil ihr Name
in den Blättern der Chronik verzeichnet ſteht, wird das
Gedenken an jene Helden nie erlöſchen. So hat auch
Werner, der hiſtoriſche Maler der großen Seit, Name
und Bildniß der Begründer unſeres Reiches und ihrer
Mitarbeiter für immer als koſtbaren nationalen und
patriotiſchen Schatz vor dem Verſinken in Vergeſſenheit
bewahrt. —

Im Kunſtverein bildete den Clou der letzten Wochen
die Kollektiv-Ausſtellung des Dresdner Künſtlers Oskar
Swintſcher. Ich kann nicht ſagen, daß ich von der
Kunſt dieſes zweifellos techniſch ſehr geſchickten Malers
irgend angezogen wurde. Im Gegentheil, ich fühlte
mich abgeſtoßen, es iſt ſo kalt, ſo marmorkalt bei
Swintſcher, daß man nicht richtig zu athmen wagt. Die
Porträts überwiegen in der Serie, die faſt einen ganzen
Saal füllt. Aber ſelbſt das ſtoffliche Intereſſe, das
man der Mehrzahl dieſer Arbeiten entgegenbrachte,
konnte die eiſige Kälte, die vielleicht auch in der kalten,
glatten Malerei einigen Grund hat, nicht überwinden.
Und ſo ging ich denn mit einer Enttäuſchung weg und
mit dem Gefühl, daß man einen ſcheinbar Reichen ſo
jämmerlich arm finden mußte, weil er es nicht verſtand,
Sonne und Wärme und Güte um ſich zu ſtreuen. Vier
Freilichtakte von dem Münchner Hans Lietzmann,
die gleichzeitig zur Ausſtellung kamen, beſitzen dagegen
dieſes warme Licht in Fülle und ließen uns wieder
jenes prächtigen Bildes „Ganymed“ denken, das der
Künſtler im vergangenen Jahr bei der Ausſtellung im
Glaspalaſt vorwies. —

A. Muencke heißt der junge Künſtler, um deſſen
Bekanntmachung ſich der rührige Inhaber des Kunſt-
ſalon Krauſe bemüht. In der Vollektion der Arbeiten
dieſes jungen Malers überwiegen die Candſchaften,
fein abgeſtimmte Landſchaften, deren Motive meiſt aus
Schleißheim
iſt heute ein richtiges rotten borough. Einſt eine Stätte
des Prunkes und Glanzes, ein Ort der Luſtbarkeit und
der Hoffeſte eines Max Smanuel und Sobiesky —
heute verlaſſen, ein Kurioſum, die Alleen übergraſt, die
Statuen verwittert, die Brunnen vertrocknet, die Kanäle
von einer Decke giftig grüner junger Waſſerlinſen über-
wuchert, und überall die Stille, die große, todte Stille.
Das giebt dieſer Gegend einen wehmüthigen und doch
auch zärtlichen Reiz, einen ganz eigenen Stimmungs-
gehalt, den Muencke voll zu erſchöpfen weiß. Beſonders
 
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