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Die Kunst-Halle — 10.1905

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Nummer 9 (1. Februar 1905)
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Brieger, Lothar: Franz Stassen
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Londoner Kunstbericht
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https://doi.org/10.11588/diglit.66262#0158

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134


Nr. 9

und erſchüttert. Nicht ganz ſo loben läßt ſich „Parſifal“.
Hier geſchieht die Umwandlung des Helden in Chriſtu-
allzu heftig und plötzlich, als daß ſie nicht ein wenig
komiſch wirken ſollte. Freilich iſt das auch der Sinn
der Wagner'ſchen Oper, eben darum gerade hätte aber
der freie Neuſchöpfer anders verfahren müſſen. (Ogl.
die Illuſtration.) Dem ganzen Werke fehlt die
„Triſtan und Iſolde“ beſeelende Gluth, auch iſt die
zeichneriſche Erfindung im Verhältniß zum voran-
gegangenen Werke ermattet. Recht hoch ſtehen dann
wieder die bereits vorher erwähnten Illuſtrationen, vor
Allem die zu dem an ſich ſchwülſtigen Epos „Die
Sünderin“ ſind von auserwähltem Reiz, und die Volks-
lied⸗Illuſtrationen zum „Jungbrunnen“ ſind von feinem
und doch zurückhaltendem Humor durchtränkt.

Staſſen als Seichner hat ein ungewöhnliches Ge-
fühl für die in der reinen Linie verborgenen Schön-
heiten, und der ornamentale Reiz iſt nicht der geringſte
ſeiner Blätter.

Den Maler Staſſen hat man nicht ganz mit Un-
recht einen Botticelliſten genannt. Erfreut man ſich
beim Zeichner an der Fähigkeit, das Große und Weſent-
liche allein zu geben, ſo verblüfft der Maler durch die
bedeutende Technik, mit der er die minutiöſeſten Kleinig-
keiten in den Bereich ſeiner Schilderung zieht. Ein Theil
wirkt dadurch unruhig, bei den meiſten Gemälden aber,
wie „Elpfium“, „Florg“,, Pan träum n A it
dennoch eine feine Harmonie erreicht. Am häöchſten
ſteht wohl die „Opferung der Iphigenie“, wo mit
Beiſeitelaſſung alles Kleinlichen ein reiner erfreuender
und erquickender Griechengeiſt webt. Staſſen als Maler
iſt durchaus Grieche. In der äußeren Geſtaltung von
Menſchen und Landſchaft, wie in der Farbenſprache
ſucht er dieſem ſeinen Ideale näher zu kommen. Und
es geht denn auch von vielen ſeiner Bilder eine ſtille
und heitere Ruhe aus, die ſeine Seichnungen nur ſelten
zu gewähren vermögen.

So iſt denn Franz Staſſen keiner von den Größten,
die der Nunſt einer Seit Richtung und neue Wege zu
weiſen vermögen. Aber er iſt ein achtunggebietender
Künſtler, der wohl verdient, daß Einzelnes ſeines
Schaffens über flüchtiges Beſchauen hinweg eine
dauernde Freude für unſer Leben werde.

Londoner Kunstbericht.

Von Bertha Thomas, London.

ie im November v. J. eröffneten Ausſtellungen

brachten uns viel Intereſſantes der verſchiedenſten
Art und Richtung. Voſſetti's Satz, daß ein Kunſt-
werk vornehmlich unterhaltend ſein ſoll, iſt auch auf
Ausſtellungen anzuwenden. Und das unterhaltende
Element, ſei es durch Neuheit überraſchend oder er-
freulich und anregend in der Wirkung, iſt dem Publikum
in der That einmal geboten, und wenn auch das „genre
ennuyeux“ nicht gänzlich fehlt, ſo iſt es wenigſten⸗ in
weit geringerem Grade vertreten als gewöhnlich.

In der New Gallery hat uns die „Vereinigung
der Porträtmaler“ eine hochwillkommene Gelegenheit
verſchafft, unſere Kenntniß Lenbach's zu erweitern, zu
deſſen Gedächtniß eine Anzahl ſeiner Werke, die von
den Beſitzern hergeliehen wurden, den Ehrenplatz er-
hielten. Darunter ſind zwei ſtark miteinander kon-

traſtirende Porträts des Fürſten Bismarck. Das eine,
(Beſitzer Herr Goldmann), in halber Figur gemalt,
zeigt ihn mit Schlapphut, einen nachdenklichen Ausdruck
im Geſicht, Bismarck zu Hauſe ſozuſagen; das andere,
Lord Roſebery gehörend, ſtellt ihn in lebhafter Wirk-
ſamkeit als Staatsmann dar, im Kampf des öffentlichen
Lebens. Gleich hervorragend ſind noch zwei Porträt-
köpfe Kaiſer Wilhelm's J. und einer Moltke's; nicht
minder „Miß Peck mit ihrer Katze“, als treffliche Bei-
ſpiele von des Künſtlers ſcharfer Charakteriſirungsgabe
und hochgradiger Feinfühligkeit, ſeiner Kraft des Aus-
drucks bei ſubtiler Behandlung, kurzum aller jener ſo
ſelten beiſammen vorhandenen Vorzüge, die auch hier
allgemeine Bewunderung finden. Außer der Lenbach-
Kollektion bietet die Ausſtellung auch einen Burne
Jones, einen Whiſtler, drei bis vier Watts und
einen Corot, letzterer ein köſtliches Nabinetſtück, die
Schauſpielerin Céonide Leblanc darſtellend, die inmitten
einer entzückenden Landſchaft ſteht, gekleidet in Schwarz
und einer rieſigen Krinoline. Es iſt übrigens für unſere
Künſtlervereinigung ein rühmliches Seugniß, daß ihre
eigenen Darbietungen die Suſammenſtellung mit dieſen
Meiſterwerken ganz gut vertragen. Es ſind keine groß-
artigen Kompoſttionen darunter, aber viele vortreffliche
Leiſtungen in einfacher Porträtkunſt, und die „ſchottiſche“
Gruppe, Lavery, Guthrie, George Henry, iſt mit
würdigen Beiträgen vertreten. Eine nicht unbedeutende
Vorführung von Bildhauerarbeiten bekundet wenigſtens
eine größere Regſamkeit auf dieſem Gebiete, für das
ſich in unſerem Lande ſehr wohl eine Sukunft denken
läßt. Es hat ſich auch, wie wir hören, eine neue
„Geſellſchaft britiſcher Bildhauer“ gebildet zur Hebung
der Plaſtik. Wirklich ſcheint ein künſtleriſcher Aufſchwung
in der Luft zu liegen nach der überaus langen Stockung
und Depreſſion. Ein löbliches Unternehmen iſt auch
die jüngſt zuſammengetretene „Vereinigung der Zwölf“,
die ſich die Entwicklung des Griginalzeichnens und der
Radirkunſt zum Siel geſetzt hat. Die von ihnen
arrangirte ſehr intereſſante kleine Ausſtellung, von der
jede Reproduktion ausgeſchloſſen iſt, verdient um ſo
mehr Beachtung, als ja die Vernachläſſigung de-
Seichnens eine merkliche Schwäche der modernen eng-
liſchen Kunſt war. Su den „Swölf“ gehören Clauſen,
W. Rothenſtein, Nicholſon, C. Shannon und
A. G. John. Eine ſehr ſchöne Nompoſition iſt Shannon's
Steinzeichnung „Der Sämann und der Schnitter“, zwei
allegoriſche Geſtalten, die durch ihre Stellung Arm in
Arm die unzertrennliche Nameradſchaft von Leben und
Tod veranſchaulichen. Das Motiv iſt wirkungsvoll
entworfen und ausgeführt. Die meiſten der Ausſteller
ſind auch mehr oder minder namhafte Maler in Oel und
als ſolche gleichzeitig bei der Winterausſtellung des
„New English Art Club“ betheiligt. Dort giebt Rothen-
ſtein einen Beweis ſeines vielſeitigen Könnens durch
eine Landſchaft von eigenartigem Effekt. Doch als
Koloriſt wirkt er weder ſo angenehm, noch ſo über-
zeugend wie Andere von geringerem un e
ſandte zwei trefflich gemalte Mädchenköpfe von ſtark
vulgärem Typus. Doch die Wiedergabe iſt ſo flott
und lebendig, daß man ſich mit der groben Art von
Schönheit der Modelle dadurch verſöhnt fühlt. Sargent
hat die Ausſtellung mit zwei Studien beſchickt, auf die
ſich das Intereſſe in hohem Grade konzentrirt. Sie
zeugen aber auch von ſeinem Genie wie nur je eine
der größten Schöpfungen ſeines bewährten Pinſels.
Die eine dieſer Studien, „Das Atelier“ benannt, weiſt,
trotzdem es nur eine offenbar raſch hingeſtrichene Farben-
ſkizze iſt, dennoch alle weſentlichen Momente eines wohl-
durchdachten Kunſtwerkes auf. Das kleine Bild zeigt
 
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