Nr. 4
und einem höchft delikaten „Blumenſtück“. Baſtien-Lepage
zeigt uns eine Skizze zu ſeinem Bild „Beuernte“ von 1827.
Vorn ſitzt ein Mädchen, hinten liegt ein Arbeiter im Graſe;
das Mädchen in gelblichem Rock und ſchieferblauem Mieder hält
den müden Oberkörper wenig vorgebeugt; Bruſt, Kopf und Arme
ſind trefflich herausgebracht; das ganze Bildchen iſt ſehr fein
in ſeinem ſilberig klaren Ton. Dollon iſt ſogar mit ſechs
Bildern, darunter drei Prachtſtücke, vorhanden. Ein flott ge-
maltes, auf Weiß und Roth geſtimmtes „Stillleben“ zeigt eine
weiße Porzellanſchüſſel und eine höhere Silberſchale, angefüllt
mit Trauben und Pfirſichen. Nicht minder reizvoll iſt das
zweite Stillleben mit dem „Silberbeſchlagenen Elfenbeinbecher“.
Das dritte Bild iſt wohl das beſte: „Hechte“, in meiſterhafter
Hompoſition, tief im Ton und kraftvoll ſtofflich, der Hraft
eines A. v. Beyeren gleichwerthig. Courbet weiſt acht Bilder
auf: Eine wilde Skizze „Au bord du lach; eine „Schaar
rother Aepfel unter einem Baum“; ein „Schlafendes Weib“,
deſſen Kopf auf einem ſtumpfrothen Kiffen ruht und deſſen
Fleiſchfarbe ſich von einem graugrünen Hinterhang abhebt.
Letzteres Bild iſt fein in ſeinen Tönen, an Rembrandt er-
innernd. Endlich ein großes Bild: Man ſieht im grünen
wWaldesſchlummer ein Reh an einen Baum gehängt.
Der große J. F. Millet kann uns dagegen bei Mesdag
hohe Bewunderung nicht abzwingen. Seine ſechs Arbeiten
ſeien nachſtehend genannt: „Die Skizze eines Turmes in
einer Landſchaft“; „Schafe auf dem Felde“; „Der Erdarbeiter“.
Ferner das große Gemälde „Hagar und Ismael in der Wüſte .
Dagegen iſt das fünfte Bild „Der Heuſchober“ ſehr fein im
Ton; und das ſechſte, ein „Stillleben“, in der Art von Chardin,
jedoch in wuchtigeren Formen, hat ſtarken koloriſtiſchen Reiz.
Sodann kommt der unvergleichliche „Cyriker“ Corot mit zwölf
Bildern, darunter: „Eine Phantaſie-Landſchaft“, „Nixen im
Mondenſchein“, ein ſchummeriges Bild bei aufgehendem
Mondenſchein; und eine „Buchen-Allee“ vom Jahre 1867, eine
„Szenerie“, die von weichem Waldesduft erfüllt iſt. Noch eindring-
licher redet Daubigny zu uns mit nicht weniger als zweiundzwanzig
Bildern. Beſonders ſchön wirkt die Leinwand mit der Schaf-
herde, die man bei Mondenſchein Nachts im Pferch auf freiem
Felde erblickt. Eine „Waldbachlandſchaft unter hohen Buchen“
zeigt einen klaren Maitag. Die Leinwand „Schiffe auf einem
Fluß an ſeiner Mündung“, macht nicht den Eindruck, als ſei
ſie auf einer Studie aufgebaut, beſitzt aber einen emailkräftigen
Ton voll Harmonie. Eine „Seelandſchaft“ iſt ſehr fein in dem
grauen Ton des Waſſers und der Luft. Auch „Villerville
sur mer“, vom Salon 1864, iſt ein wunderbares Küſtenſtück.
Das ſchönſte Bild dieſer Gruppe aber ſcheint mir zu ſein: ein
„Leinpfad an einem Fluß“. Swei Schimmel ziehen ein Boot
den Fluß hinauf; die Luft auf dem Bilde flimmert großartig
und das Bild iſt auch „fertig“, trotz der Pferdeköpfe, die den
Spott des Durchſchnittsbeſchauers rege machen mögen. Ferner
Dupré. Er zeigt uns hier ſieben Bilder, darunter eine „Stein-
brücke über einen Fluß“ in Abendſtimmung. Die ausdruck-
vollſte Malerei von ihm aber iſt die Leinwand mit den beiden
ſtrohgedeckten Bauernhütten auf einer Anhöhe in Vacht-
ſtimmung, entzückend durch ein fabelhaftes Flimmern und durch
ſeinen zauberiſchen Farbenklang. Es iſt aus dem Asphalt
herausgeholt und hat Schmadder und Schmelz. Das Bildchen
muß man genießen! Reizwoll iſt die Linienführung der Hütten,
und groß und einfach empfunden wirkt die Kompoſition.
Ich ſchließe dieſe Reihe mit J. J. Rouſſeau, von deſſen
acht Arbeiten uns nur die beiden Bilder der „Descente des
vaches du Jura“ feſſeln mögen. Das Hauptbild war für den
Salon von 1835 beſtimmt. Leider empfindet man gerade hier
den Nachtheil der zu kurzen Diſtanz für den Beſchauer. Und
nun das Bild ſelbſt. Swiſchen wetterharten Tannen- und
Kiefernſtämmen zieht thalabwärts die Rinderheerde, vorauf
die Hirten. Ganz hinten blicken Schneeberge und Wolken in
ſilbernem Mondeslicht. Das eine große Bild darf als Skizze
zum zweiten angeſehen werden. In der „Skizze“ iſt es noch
ſehr früh am Tage. Die andere beſttzt eine tiefere Stimmung.
Die Rücken und Leiber der Rinder, im Verein mit einem bläu-
lich⸗perlgrauen Felſen ergeben prächtig wirkende Farbenflecke:
ſchwarz, weiß, milchweiß, ſtumpfroth, gelbbraun, rothbraun,
perlgrau In dieſen Lokalfarben fängt ſich das Mondlicht wie
in einem Brennſpiegel, und zwar ſo ſonderbar, daß ich in
meiner Nähe einen Maler reden hörte: „Das Bild habe durch
Brand gelitten!“ Es iſt aber nur ein wunderbares maleriſches
Phantaſiegebilde, das jedes farbenfrohe Auge hoch erfreut.
(Schluß folgt.)
Münchner Kunstschau.
(Frantiſek Bilek — Willi Geiger — Richard Kaiſer.)
©
S 5 Frantiſek Bilek hat man bisher nichts gewußt.
2 ( In ſeiner böhmiſchen Heimat lebte der junge CTſcheche
, e „ 105 . j
ein einſiedleriſches Leben, von ſeinen Landsleuten ver-
kannt, für den internationalen Hunſtmarkt nicht vorhanden.
In ſeiner Abgeſchiedenheit von Chynow ſchuf er ſeine Werke,
wie ſein Leben ſind ſie im Dunkel geblieben bis heute.
Irgend ein glücklicher Zufall hat das Lebenswerk Bilek's
nach München geführt, dort iſt es zur Seit in dem großen
Bildhauerſaal der Gallerie Heinemann aufgeſtellt, und der
Eindruck, den es erweckt, iſt ein ſo überraſchender und monumen-
taler, daß man gleich verſpürt: Bier ſpricht ein Großer zu uns,
ein Neuerer, ein Pfadfinder.
Frantiſek Bilek iſt in der Umgegend von Prag geboren,
er iſt heute ca. 32 Jahre alt. Als eine Art Wunderkind wuch-
er heran, mit vierzehn Jahren ſchon kam er auf die Prager
Munſtakademie, mit 18 Jahren ging er nach Paris. Cheil-
weiſe Farbenblindheit hatte ihn veranlaßt, von der Malerei
zur Bildhauerei überzugehen, bei Colaroſſi und Injalbert
wollte er für das neue Gebiet ſeiner künſtleriſchen Bethätigung
die nöthigen Studien machen. Aber was waren das für ver-
worrene Arbeiten, die der Hwanzigjährige ſchuf! Seine Lehrer
eſitſetzten ſich, ſeine einſtigen Gönner geriethen in großen Sorn
und zogen ihre Stipendien zurück, es blieb dem jungen Bilek
kaum ſoviel, daß er in ſeine böhmiſchen Wälder heimkehren
und ſich dort in der Wildniß eine Köhlerhütte miethen konnte,
die ihm als Wohnung und Werkſtatt dienen ſollte.
Ein Jahrzehnt iſt ſeit dieſem Einzug Bilek's in ſeine
Köhlerhütte vergangen. Von ſeinem Leben erfuhr man nichts,
er ſchien verſchollen, nur ab und zu einmal drang eine räthſel-
hafte Kunde zu uns, daß in den böhmiſchen Wäldern ganz
merkwürdige, gewaltige Kunſtwerke erſtünden. Beute kann
man dieſe Werke ſehen und aus ihnen zurückſchließen auf die
ſeltſamen Vorgänge in Herzen und Birn des Einſiedlers von
Chynow. Er iſt in den zehn Jahren ſelbſtgewählter Einſamkeit
viel durch die wälder gelaufen, tagelang durch finſtere,
und einem höchft delikaten „Blumenſtück“. Baſtien-Lepage
zeigt uns eine Skizze zu ſeinem Bild „Beuernte“ von 1827.
Vorn ſitzt ein Mädchen, hinten liegt ein Arbeiter im Graſe;
das Mädchen in gelblichem Rock und ſchieferblauem Mieder hält
den müden Oberkörper wenig vorgebeugt; Bruſt, Kopf und Arme
ſind trefflich herausgebracht; das ganze Bildchen iſt ſehr fein
in ſeinem ſilberig klaren Ton. Dollon iſt ſogar mit ſechs
Bildern, darunter drei Prachtſtücke, vorhanden. Ein flott ge-
maltes, auf Weiß und Roth geſtimmtes „Stillleben“ zeigt eine
weiße Porzellanſchüſſel und eine höhere Silberſchale, angefüllt
mit Trauben und Pfirſichen. Nicht minder reizvoll iſt das
zweite Stillleben mit dem „Silberbeſchlagenen Elfenbeinbecher“.
Das dritte Bild iſt wohl das beſte: „Hechte“, in meiſterhafter
Hompoſition, tief im Ton und kraftvoll ſtofflich, der Hraft
eines A. v. Beyeren gleichwerthig. Courbet weiſt acht Bilder
auf: Eine wilde Skizze „Au bord du lach; eine „Schaar
rother Aepfel unter einem Baum“; ein „Schlafendes Weib“,
deſſen Kopf auf einem ſtumpfrothen Kiffen ruht und deſſen
Fleiſchfarbe ſich von einem graugrünen Hinterhang abhebt.
Letzteres Bild iſt fein in ſeinen Tönen, an Rembrandt er-
innernd. Endlich ein großes Bild: Man ſieht im grünen
wWaldesſchlummer ein Reh an einen Baum gehängt.
Der große J. F. Millet kann uns dagegen bei Mesdag
hohe Bewunderung nicht abzwingen. Seine ſechs Arbeiten
ſeien nachſtehend genannt: „Die Skizze eines Turmes in
einer Landſchaft“; „Schafe auf dem Felde“; „Der Erdarbeiter“.
Ferner das große Gemälde „Hagar und Ismael in der Wüſte .
Dagegen iſt das fünfte Bild „Der Heuſchober“ ſehr fein im
Ton; und das ſechſte, ein „Stillleben“, in der Art von Chardin,
jedoch in wuchtigeren Formen, hat ſtarken koloriſtiſchen Reiz.
Sodann kommt der unvergleichliche „Cyriker“ Corot mit zwölf
Bildern, darunter: „Eine Phantaſie-Landſchaft“, „Nixen im
Mondenſchein“, ein ſchummeriges Bild bei aufgehendem
Mondenſchein; und eine „Buchen-Allee“ vom Jahre 1867, eine
„Szenerie“, die von weichem Waldesduft erfüllt iſt. Noch eindring-
licher redet Daubigny zu uns mit nicht weniger als zweiundzwanzig
Bildern. Beſonders ſchön wirkt die Leinwand mit der Schaf-
herde, die man bei Mondenſchein Nachts im Pferch auf freiem
Felde erblickt. Eine „Waldbachlandſchaft unter hohen Buchen“
zeigt einen klaren Maitag. Die Leinwand „Schiffe auf einem
Fluß an ſeiner Mündung“, macht nicht den Eindruck, als ſei
ſie auf einer Studie aufgebaut, beſitzt aber einen emailkräftigen
Ton voll Harmonie. Eine „Seelandſchaft“ iſt ſehr fein in dem
grauen Ton des Waſſers und der Luft. Auch „Villerville
sur mer“, vom Salon 1864, iſt ein wunderbares Küſtenſtück.
Das ſchönſte Bild dieſer Gruppe aber ſcheint mir zu ſein: ein
„Leinpfad an einem Fluß“. Swei Schimmel ziehen ein Boot
den Fluß hinauf; die Luft auf dem Bilde flimmert großartig
und das Bild iſt auch „fertig“, trotz der Pferdeköpfe, die den
Spott des Durchſchnittsbeſchauers rege machen mögen. Ferner
Dupré. Er zeigt uns hier ſieben Bilder, darunter eine „Stein-
brücke über einen Fluß“ in Abendſtimmung. Die ausdruck-
vollſte Malerei von ihm aber iſt die Leinwand mit den beiden
ſtrohgedeckten Bauernhütten auf einer Anhöhe in Vacht-
ſtimmung, entzückend durch ein fabelhaftes Flimmern und durch
ſeinen zauberiſchen Farbenklang. Es iſt aus dem Asphalt
herausgeholt und hat Schmadder und Schmelz. Das Bildchen
muß man genießen! Reizwoll iſt die Linienführung der Hütten,
und groß und einfach empfunden wirkt die Kompoſition.
Ich ſchließe dieſe Reihe mit J. J. Rouſſeau, von deſſen
acht Arbeiten uns nur die beiden Bilder der „Descente des
vaches du Jura“ feſſeln mögen. Das Hauptbild war für den
Salon von 1835 beſtimmt. Leider empfindet man gerade hier
den Nachtheil der zu kurzen Diſtanz für den Beſchauer. Und
nun das Bild ſelbſt. Swiſchen wetterharten Tannen- und
Kiefernſtämmen zieht thalabwärts die Rinderheerde, vorauf
die Hirten. Ganz hinten blicken Schneeberge und Wolken in
ſilbernem Mondeslicht. Das eine große Bild darf als Skizze
zum zweiten angeſehen werden. In der „Skizze“ iſt es noch
ſehr früh am Tage. Die andere beſttzt eine tiefere Stimmung.
Die Rücken und Leiber der Rinder, im Verein mit einem bläu-
lich⸗perlgrauen Felſen ergeben prächtig wirkende Farbenflecke:
ſchwarz, weiß, milchweiß, ſtumpfroth, gelbbraun, rothbraun,
perlgrau In dieſen Lokalfarben fängt ſich das Mondlicht wie
in einem Brennſpiegel, und zwar ſo ſonderbar, daß ich in
meiner Nähe einen Maler reden hörte: „Das Bild habe durch
Brand gelitten!“ Es iſt aber nur ein wunderbares maleriſches
Phantaſiegebilde, das jedes farbenfrohe Auge hoch erfreut.
(Schluß folgt.)
Münchner Kunstschau.
(Frantiſek Bilek — Willi Geiger — Richard Kaiſer.)
©
S 5 Frantiſek Bilek hat man bisher nichts gewußt.
2 ( In ſeiner böhmiſchen Heimat lebte der junge CTſcheche
, e „ 105 . j
ein einſiedleriſches Leben, von ſeinen Landsleuten ver-
kannt, für den internationalen Hunſtmarkt nicht vorhanden.
In ſeiner Abgeſchiedenheit von Chynow ſchuf er ſeine Werke,
wie ſein Leben ſind ſie im Dunkel geblieben bis heute.
Irgend ein glücklicher Zufall hat das Lebenswerk Bilek's
nach München geführt, dort iſt es zur Seit in dem großen
Bildhauerſaal der Gallerie Heinemann aufgeſtellt, und der
Eindruck, den es erweckt, iſt ein ſo überraſchender und monumen-
taler, daß man gleich verſpürt: Bier ſpricht ein Großer zu uns,
ein Neuerer, ein Pfadfinder.
Frantiſek Bilek iſt in der Umgegend von Prag geboren,
er iſt heute ca. 32 Jahre alt. Als eine Art Wunderkind wuch-
er heran, mit vierzehn Jahren ſchon kam er auf die Prager
Munſtakademie, mit 18 Jahren ging er nach Paris. Cheil-
weiſe Farbenblindheit hatte ihn veranlaßt, von der Malerei
zur Bildhauerei überzugehen, bei Colaroſſi und Injalbert
wollte er für das neue Gebiet ſeiner künſtleriſchen Bethätigung
die nöthigen Studien machen. Aber was waren das für ver-
worrene Arbeiten, die der Hwanzigjährige ſchuf! Seine Lehrer
eſitſetzten ſich, ſeine einſtigen Gönner geriethen in großen Sorn
und zogen ihre Stipendien zurück, es blieb dem jungen Bilek
kaum ſoviel, daß er in ſeine böhmiſchen Wälder heimkehren
und ſich dort in der Wildniß eine Köhlerhütte miethen konnte,
die ihm als Wohnung und Werkſtatt dienen ſollte.
Ein Jahrzehnt iſt ſeit dieſem Einzug Bilek's in ſeine
Köhlerhütte vergangen. Von ſeinem Leben erfuhr man nichts,
er ſchien verſchollen, nur ab und zu einmal drang eine räthſel-
hafte Kunde zu uns, daß in den böhmiſchen Wäldern ganz
merkwürdige, gewaltige Kunſtwerke erſtünden. Beute kann
man dieſe Werke ſehen und aus ihnen zurückſchließen auf die
ſeltſamen Vorgänge in Herzen und Birn des Einſiedlers von
Chynow. Er iſt in den zehn Jahren ſelbſtgewählter Einſamkeit
viel durch die wälder gelaufen, tagelang durch finſtere,