Nr. 24
373
Leonardo Bistolfi.
Von L. Broſch, Venedig.
(Hierzu die Abbildung.)
D. Bildhauerei iſt auf der diesjährigen Inter-
nationalen Ausſtellung in Venedig leider ſpärlich
vertreten. Ausländiſche Größen haben wenige,
zumeiſt kleinere und ſchon bekannte Sachen geſchickt.
Das Inland aber hat ſcheinbar wenig produzirt und,
wenn die Sonderausſtellung Leonardo Biſtolfi's
nicht wäre, würde ſich Italien kaum mit Anſtand be-
haupten können. Biſtolft bietet uns in der Tribuna
des großen Sentralſaales eine Auswahl von weit über
zwanzig ſeiner beſſeren Werke, die allerdings, in dem
kleinen Raum, ihrer Größe wegen nicht alle zu voller
Geltung kommen. Meiſt ſind es Grabmonumente, was
um ſo mehr zu beachten iſt, weil die Friedhöfe Italiens,
ebenſo wie die der andern Länder, mit Banalitäten
überhäuft ſind. In derartigen Werken Biſtolfi's findet
ſich alles Konventionelle, das den Grabdenkmälern
gewöhnlich anhaftet, ausgeſchaltet.
In ſeiner „Resurrezione“, die auf unſerer Aus-
ſtellung figurirt, wird eine liegende Frauengeſtalt in
zarter, inniger Weiſe durch drei knieende Mädchen zum
neuen Leben erweckt. In allen Werken, außer der
„Croce“, ſpielt bei ihm die Frau eine Hauptrolle.
Seine Vortragsweiſe eignet ſich weniger dazu, die
großen, herben Formen des Mannes wiederzugeben;
denn ſeine Eigenart ſind Frauen, die ſtumm klagend
über das Grab hinſinken, oder in ruhigem, edlem
Schmerze vor demſelben knieen. Um die verſchiedenen
Gruppen zu verbinden, wendet der Künſtler öfter mit
großem Geſchick Lilien, Roſen und andere dekorative
Blumen in großen Maſſen an, welche unter ſeiner
Hand ungemein duftig entſtehen, trotzdem er dabei
nicht ins Detail eingeht.
Ueberhaupt haben ſeine größeren Arbeiten einen
nicht zu unterſchätzenden maleriſchen Reiz, den die
italieniſche Bildhauerei, was nicht zu vergeſſen iſt, von
den Malern, den Ranzoni, Cremona, Taruffini, Carne-
valli genannt il Piccio, Monticelli, ſich angeeignet haben.
Bei Biſtolfi wird aber auch der Einfluß engliſcher
Präraffaeliten ſichtbar. Merkwürdig genug iſt es ferner,
daß ſeine Basreliefs ungemein zeichneriſch, ja faſt hart
behandelt ſind. Man merkt es hier Biſtolfi an, daß
er im Gegenſatz zu anderen Bildhauern ſich auf dieſem
Gebiete ganz und gar heimiſch fühlt. Der Grund
liegt wohl in ſeinem großen zeichneriſchen Können, wie
es uns einige Contours oder leicht ſchattirte Seichnungen
bezeugen, welche er direkt als Studien zu ſeinen Relief-
figuren benutzt. Am deutlichſten tritt dieſes im „Be-
gräbniß der Jungfrau“ auf, wo der Sug der leid-
tragenden, in breiten Falten gehüllten Frauen per-
ſpektiviſch ſich aufbaut und ausklingt. Beinahe zu
jeder dieſer Figuren hat er ſorgfältige Detailſtudien für
die Draperien gemacht, die ſich immer dem Körper
anſchmiegen, ſtets geſchmackvoll und fein empfunden.
Ganz beſonders auf den Reliefs tritt dies hervor; ſie
ſcheinen faſt wie mit der Feder gezeichnet. Sine Aus-
nahme bildet vielleicht nur die bekannte Sphinx (im
J. Jahrgang der „Kunſt⸗ Halle“ abgebildet), wo die
kräftigen, geraden Falten mit ihrer ſtarren Architektonik
den Eindruck der Monumentalität hervorrufen.
Wir haben bereits erwähnt, daß Biſtolfi das Ge-
waltige, Titanenhafte, durch die männliche Geſtalt aus-
gedrückt, fern liege. Neuerdings ſcheint dies anders zu
werden, wie aus der letzten Schöpfung des Künſtlers,
dem Hochrelief „La Croce“ (vgl. Abbildg.) zu ent-
nehmen iſt. Es ward zum Andenken des Juriſten
Orſini in Genua errichtet, im Ganzen 5 m hoch. Dies
Grabdenkmal ſtellt den Schmerz aller Lebensalter dar:
Alle drängen ſich unter dem Kreuze zuſammen, hier
Troſt und Suverſicht ſuchend. Begierig kann man
ſein, ob der Meiſter auf dieſer neuen Bahn fortſchreiten
oder aber wieder in ſeine früheren Pfade einlenken
wird. Wie es auch ſein möge, das Genie dieſes
Meiſters verheißt uns in jedem Fälle Köſtliches. Er
hat uns den Tod oder die Ruhe des Grabes als
etwas nicht Schreckhaftes geſchildert, vielmehr als einen
Schlummer des Ueberganges vom Leben zum Tode,
begleitet von den ſchmachtenden, aber doch diskreten
Bewegungen ſeiner nervöſen, myſtiſch angehauchten
und zugleich modern aufgefaßten Frauengeſtalten, welche
die Gräber ſo treu hingebend bewachen.
Zerlin: Kunstsalon Ed. Schulte.
er Salon Unter den Linden, auf den wir
aus Mangel an Raum, uns diesmal mit
wenigen Sätzen beſchränken müſſen, beginnt die
Fahrt der kaum angebrochenen neuen Saiſon mit vollen
Segeln. Eine Sammlung von aparten ſchwediſchen
Bildern der Fjaeſtad, Almquiſt u. A., ein beträcht-
licher künſtleriſcher Nachlaß des Schweizer Altmeifters
Ernſt Stückelberg, der einſt von Wappers-Antwerpen
herkam und dann das Atelier Schwind's geſtreift hat,
und endlich zwei reſpektable Neulinge für Berlin:
Hugo Schimmel-Dresden und Paul Lumnitzer-Teplitz —
ſolcherweiſe präſentirt ſich der Anfang. Den Neulingen
ſei unſere beſondere Aufmerkſamkeit zugewendet. Su
vergleichen ſind ſie wohl kaum miteinander. CLum-
nitzer, der von der Theologie zur Malerei überging,
kam relativ ſpät zum Metier, erreichte indeß über-
raſchend ſchnell in ſeiner Landſchaftskunſt eine Pinſel-
ſicherheit, die geradezu frappirt. Mit einer wie
Routine wirkenden müheloſen Darſtellungsfähigkeit
macht er ſich über alle möglichen landſchaftlichen
Motive, die er durch athmoſphäriſche Effekte intereſſant
zu beleben weiß. Er malt das Flimmern des Sonnen-
lichtes, abziehendes Gewitter, die Melancholie eines
Strandkirchhofes, einen waldumſäumten Hügel, waſſer-
reiche Umgebungen von Dörfern, gelbe Getreidefelder
mit rothen Mohnblumen, ärmliche Gegenden im Vor-
frühling und dgl., und er verdient, wie angedeutet,
unbedingtes Lob für ſeine Fertigkeit, ſeinen ſtupenden
Fleiß; doch einen ſtarken Eindruck erreicht keins ſeiner
Bilder, denen durchweg der Ausdruck der Intimität,
warmblütiger Durchdringung, die Seele fehlt. Und
gerade in letzterer Hinſicht erwecken die Arbeiten von
Hugo Schimmel, der in Dresden bei Bantzer ſtudirt
hat, ſchöne Hoffnungen, die auch theilweiſe ſchon jetzt
erfüllt ſind. Man bemerkt dabei, daß der Künſtler noch
mehr den Anregungen der modernen impreſſioniſtiſchen
Franzoſen als feinem deutſchen Lehrer verdankt: wie
zumal zwei pleinair gemalte, wundervoll weich und
hellfarbig wirkende Szenerien der Umgebung eines
Schweizer Sees, auch eine Winterlandſchaft, beweiſen.
Das große, fleißig durchgeführte Tableau „Erla im
Erzgebirge“ hat dagegen mehr Vedutencharakter. Das
ſehr feine Bildchen „Arco im Sonnenlicht“ erinnert an
den blaſſen vornehmen Ton gewiſſer Schotten. Um ſo
373
Leonardo Bistolfi.
Von L. Broſch, Venedig.
(Hierzu die Abbildung.)
D. Bildhauerei iſt auf der diesjährigen Inter-
nationalen Ausſtellung in Venedig leider ſpärlich
vertreten. Ausländiſche Größen haben wenige,
zumeiſt kleinere und ſchon bekannte Sachen geſchickt.
Das Inland aber hat ſcheinbar wenig produzirt und,
wenn die Sonderausſtellung Leonardo Biſtolfi's
nicht wäre, würde ſich Italien kaum mit Anſtand be-
haupten können. Biſtolft bietet uns in der Tribuna
des großen Sentralſaales eine Auswahl von weit über
zwanzig ſeiner beſſeren Werke, die allerdings, in dem
kleinen Raum, ihrer Größe wegen nicht alle zu voller
Geltung kommen. Meiſt ſind es Grabmonumente, was
um ſo mehr zu beachten iſt, weil die Friedhöfe Italiens,
ebenſo wie die der andern Länder, mit Banalitäten
überhäuft ſind. In derartigen Werken Biſtolfi's findet
ſich alles Konventionelle, das den Grabdenkmälern
gewöhnlich anhaftet, ausgeſchaltet.
In ſeiner „Resurrezione“, die auf unſerer Aus-
ſtellung figurirt, wird eine liegende Frauengeſtalt in
zarter, inniger Weiſe durch drei knieende Mädchen zum
neuen Leben erweckt. In allen Werken, außer der
„Croce“, ſpielt bei ihm die Frau eine Hauptrolle.
Seine Vortragsweiſe eignet ſich weniger dazu, die
großen, herben Formen des Mannes wiederzugeben;
denn ſeine Eigenart ſind Frauen, die ſtumm klagend
über das Grab hinſinken, oder in ruhigem, edlem
Schmerze vor demſelben knieen. Um die verſchiedenen
Gruppen zu verbinden, wendet der Künſtler öfter mit
großem Geſchick Lilien, Roſen und andere dekorative
Blumen in großen Maſſen an, welche unter ſeiner
Hand ungemein duftig entſtehen, trotzdem er dabei
nicht ins Detail eingeht.
Ueberhaupt haben ſeine größeren Arbeiten einen
nicht zu unterſchätzenden maleriſchen Reiz, den die
italieniſche Bildhauerei, was nicht zu vergeſſen iſt, von
den Malern, den Ranzoni, Cremona, Taruffini, Carne-
valli genannt il Piccio, Monticelli, ſich angeeignet haben.
Bei Biſtolfi wird aber auch der Einfluß engliſcher
Präraffaeliten ſichtbar. Merkwürdig genug iſt es ferner,
daß ſeine Basreliefs ungemein zeichneriſch, ja faſt hart
behandelt ſind. Man merkt es hier Biſtolfi an, daß
er im Gegenſatz zu anderen Bildhauern ſich auf dieſem
Gebiete ganz und gar heimiſch fühlt. Der Grund
liegt wohl in ſeinem großen zeichneriſchen Können, wie
es uns einige Contours oder leicht ſchattirte Seichnungen
bezeugen, welche er direkt als Studien zu ſeinen Relief-
figuren benutzt. Am deutlichſten tritt dieſes im „Be-
gräbniß der Jungfrau“ auf, wo der Sug der leid-
tragenden, in breiten Falten gehüllten Frauen per-
ſpektiviſch ſich aufbaut und ausklingt. Beinahe zu
jeder dieſer Figuren hat er ſorgfältige Detailſtudien für
die Draperien gemacht, die ſich immer dem Körper
anſchmiegen, ſtets geſchmackvoll und fein empfunden.
Ganz beſonders auf den Reliefs tritt dies hervor; ſie
ſcheinen faſt wie mit der Feder gezeichnet. Sine Aus-
nahme bildet vielleicht nur die bekannte Sphinx (im
J. Jahrgang der „Kunſt⸗ Halle“ abgebildet), wo die
kräftigen, geraden Falten mit ihrer ſtarren Architektonik
den Eindruck der Monumentalität hervorrufen.
Wir haben bereits erwähnt, daß Biſtolfi das Ge-
waltige, Titanenhafte, durch die männliche Geſtalt aus-
gedrückt, fern liege. Neuerdings ſcheint dies anders zu
werden, wie aus der letzten Schöpfung des Künſtlers,
dem Hochrelief „La Croce“ (vgl. Abbildg.) zu ent-
nehmen iſt. Es ward zum Andenken des Juriſten
Orſini in Genua errichtet, im Ganzen 5 m hoch. Dies
Grabdenkmal ſtellt den Schmerz aller Lebensalter dar:
Alle drängen ſich unter dem Kreuze zuſammen, hier
Troſt und Suverſicht ſuchend. Begierig kann man
ſein, ob der Meiſter auf dieſer neuen Bahn fortſchreiten
oder aber wieder in ſeine früheren Pfade einlenken
wird. Wie es auch ſein möge, das Genie dieſes
Meiſters verheißt uns in jedem Fälle Köſtliches. Er
hat uns den Tod oder die Ruhe des Grabes als
etwas nicht Schreckhaftes geſchildert, vielmehr als einen
Schlummer des Ueberganges vom Leben zum Tode,
begleitet von den ſchmachtenden, aber doch diskreten
Bewegungen ſeiner nervöſen, myſtiſch angehauchten
und zugleich modern aufgefaßten Frauengeſtalten, welche
die Gräber ſo treu hingebend bewachen.
Zerlin: Kunstsalon Ed. Schulte.
er Salon Unter den Linden, auf den wir
aus Mangel an Raum, uns diesmal mit
wenigen Sätzen beſchränken müſſen, beginnt die
Fahrt der kaum angebrochenen neuen Saiſon mit vollen
Segeln. Eine Sammlung von aparten ſchwediſchen
Bildern der Fjaeſtad, Almquiſt u. A., ein beträcht-
licher künſtleriſcher Nachlaß des Schweizer Altmeifters
Ernſt Stückelberg, der einſt von Wappers-Antwerpen
herkam und dann das Atelier Schwind's geſtreift hat,
und endlich zwei reſpektable Neulinge für Berlin:
Hugo Schimmel-Dresden und Paul Lumnitzer-Teplitz —
ſolcherweiſe präſentirt ſich der Anfang. Den Neulingen
ſei unſere beſondere Aufmerkſamkeit zugewendet. Su
vergleichen ſind ſie wohl kaum miteinander. CLum-
nitzer, der von der Theologie zur Malerei überging,
kam relativ ſpät zum Metier, erreichte indeß über-
raſchend ſchnell in ſeiner Landſchaftskunſt eine Pinſel-
ſicherheit, die geradezu frappirt. Mit einer wie
Routine wirkenden müheloſen Darſtellungsfähigkeit
macht er ſich über alle möglichen landſchaftlichen
Motive, die er durch athmoſphäriſche Effekte intereſſant
zu beleben weiß. Er malt das Flimmern des Sonnen-
lichtes, abziehendes Gewitter, die Melancholie eines
Strandkirchhofes, einen waldumſäumten Hügel, waſſer-
reiche Umgebungen von Dörfern, gelbe Getreidefelder
mit rothen Mohnblumen, ärmliche Gegenden im Vor-
frühling und dgl., und er verdient, wie angedeutet,
unbedingtes Lob für ſeine Fertigkeit, ſeinen ſtupenden
Fleiß; doch einen ſtarken Eindruck erreicht keins ſeiner
Bilder, denen durchweg der Ausdruck der Intimität,
warmblütiger Durchdringung, die Seele fehlt. Und
gerade in letzterer Hinſicht erwecken die Arbeiten von
Hugo Schimmel, der in Dresden bei Bantzer ſtudirt
hat, ſchöne Hoffnungen, die auch theilweiſe ſchon jetzt
erfüllt ſind. Man bemerkt dabei, daß der Künſtler noch
mehr den Anregungen der modernen impreſſioniſtiſchen
Franzoſen als feinem deutſchen Lehrer verdankt: wie
zumal zwei pleinair gemalte, wundervoll weich und
hellfarbig wirkende Szenerien der Umgebung eines
Schweizer Sees, auch eine Winterlandſchaft, beweiſen.
Das große, fleißig durchgeführte Tableau „Erla im
Erzgebirge“ hat dagegen mehr Vedutencharakter. Das
ſehr feine Bildchen „Arco im Sonnenlicht“ erinnert an
den blaſſen vornehmen Ton gewiſſer Schotten. Um ſo