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das deutſche Volk“ bezeichnet, hätte das ein Kunft-
liebhaber vor dreißig Jahren verlangt, ſo hätte man
ihn verlacht und verhöhnt; dortmals fand ſich ja nicht
einmal für die „Amazonenſchlacht“ ein anderer Platz
als ein Magazin im Erdgeſchoß der Münchner Beſidenz.
Diejenigen, die Feuerbach wirklich lieben und ſeiner
Kunſt eine unmittelbare Bereicherung ihres Lebens
gefühles danken, haben bei den lauten Gedenkfeiern
nicht mitgethan. Sie haben ſich vielmehr zu den
Werken Feuerbach's geflüchtet.
Ich bin in dieſen Tagen vor der „Medea“ Feuer-
bach's in der Neuen Pinakothek zu München geſtanden
und vor den elf Bildern des Meiſters in der Gallerie
Schack, wo beſonders die ſchlichte, adelige Hoheit der
Piet und die heitere, maßvolle Anmuth der „Idylle
von Tivoli“ meine höchſte Bewunderung erregten. Es
thut wirklich wohl, weg von den grotesken Purzel-
bäumen des viel geprieſenen allein ſeligmachenden
Neoimpreſſionismus und von den Schaumſchlägereien
aller Art, die wir „Kunſt der Gegenwart“ nennen,
hinabzuſteigen in die Tiefen des Feuerbach'ſchen
Idealismus, wo das ESdelgold großer deutſcher Kunſt
ruht. Hier iſt kein leichter, tändelnder Genuß, ſondern
eine Erhebung über alle Widerſprüche des Daſeins
und eine begeiſternde Deutung des Lebens. —
Auch im Münchner Kupferſtichkabinet gab es dieſer
Tage eine Feuerbach-Ausſtellung. Dieſes Inſtitut
beſitzt — hauptſächlich aus dem Nachlaß des Grafen
Schack — eine Reihe von Handzeichnungen des Meiſters.
Welcher Genuß iſt das, ſich in die etwa fünfzig Kreide-
und Bleiſtiftzeichnungen des Künſtlers zu vertiefen.
ier iſt der echte Feuerbach, hier lebt ſich der Meiſter
freier und unbefangener aus als in ſeinen großen Ge-
mälden, wo er ähnlich wie ſeine Mitſchüler (bei
Couture in Paris) Manet und Puvis de Chavannes
lange Seit mit der brüchigen Technik zu kämpfen hatte.
Dieſe Seichnungen laſſen das große Wollen Feuerbach's
erkennen, ſie geben aber auch die reizvollſten Einblicke
in die Entwicklungsgeſchichte einzelner ſeiner Gemälde.
Namentlich zur „Amazonenſchlacht“ iſt hier faſt das
ganze, umfangreiche Skizzen⸗ und Studienmaterial ver-
einigt. Beſonders prächtig ſind die Frauenkopfſtudien,
die theilweiſe geradezu bildmäßig wirken. Einer davon
erinnert an das Porträt der Römerin, der berühmten
Nanna, in der Gallerie Schack. Von Intereſſe iſt es
auch, die Thier⸗ und beſonders die Landſchaftsſtudien
Feuerbach's zu betrachten. Sie zeigen uns den Künſtler
von einer neuen Seite: wie der Menſch, war auch das
Thier und die Natur für ihn ein gelöſtes Räthſel.
Ueber den italieniſchen Landſchaften zittert ein ganz
beſonderer Stimmungszauber, kraftvoll-germaniſch wie
ein Windſtoß aus Alpenthälern und doch zugleich warm
und mild, wie der leiſe Wind, der die Wellen des
Nemiſees zart kräuſelt. Die Vermiſchung deutſcher,
unverbrauchter Kraft mit romaniſcher, bis zur höchſten
. hinaufgetriebener Kultur tritt überall zu
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Auch techniſch bieten dieſe Handzeichnungen ſehr
viel, ſie bekunden beredt die eminente künſtleriſche Kraft
des Meiſters. Man kann es unſeren Künſtlern, die,
Feuerbach entgegengehalten, der Erſte wie der Letzte
keine Könnenden, ſondern Lernende ſind, nicht dringend
genug empfehlen, dieſes Studienmaterial eingehend und
eifrig zu benutzen. Hoffentlich bleibt uns dieſe kleine,
aber ungemein anregende und herzerquickende Aus-
ſtellung, für die man unſerem Kupferſtichkabinet und
ſeinem neuen Direktor, Dr. Pallmann, beſtens danken
muß, recht lange erhalten.
„ Wers ae olf
Ein Nermann Prell- Werk.
— Hierzu eine Abbildung.
Di großartig aufſummirte Lebenswerk des Monu-
mentalmalers Hermann Prell wird den Kunſt-
freunden dargeboten in einer Veröffentlichung
großen Stils. Verfaſſer iſt Profeſſor Georg Galland,
Verleger die Amelang'ſche Kunſthandlung in Charlotten-
burg, Druck und Berſtellung der großen Gravüren
ſtammen aus dem CTypographiſchen Inſtitut von
Gieſecke & Devrient in Leipzig. Da dieſe drei Faktoren
ihr Allerbeſtes liefern, ſo haben wir eine wahrhaft
ideale That zu begrüßen, die aus der Haſt und aus
dem Wuſt unſerer Tage ſich zu dem Eiland hinüber-
retten wird, wo grundlegende und bleibende Werthe
für die Nachwelt aufgeſpeichert werden. Galland rückt
Nermann Prell in ein neues Licht, eigentlich überhaupt
erſt ins Licht. Denn bislang hat die Kunſtliteratur
nur Fragmente aus dem Schaffen des Meiſters gezeitigt,
wenn auch zum Theil ſehr ſchätzbare, wie F. H. Meißner's
Nymnus auf die Wandbilder im Palazzo Caffarelli.
Galland leiſtet nun ein Doppeltes. Er zeichnet das
Werk des Meiſters in den fortlaufend großen Linien
einer Lebensentwicklung, kennzeichnet es als einen auf
ſich beruhenden Organismus, welchem die Swigkeits-
marke ſchöpferiſchen Vollbringens aufgeprägt iſt, und
gliedert den Künſtler an die Entwicklung des Jahr-
hunderts an, womit etwas Erſchöpfendes und End-
gültiges erzielt iſt. Da es in der Kunſt leider immer
erſt des aufklärenden Mittelsmannes bedarf, ſo kanu
man ſagen, daß das Prell-Werk jetzt unter die natio-
nalen Güter eingereiht und auf das kunſtgeſchichtliche
Piedeſtal erhoben iſt. Der Seitpunkt der Veröffent-
lichung iſt glücklich gewählt. Swar iſt Prell noch längſt
kein Jubelgreis, der aus letzten Höhen auf eine vollendete
Laufbahn zurückblickt, gewiß werden wir von ihm noch
die eine und die andere monumentale Großthat zu er-
warten haben, aber bei ſeinen wohlgezählten fünfzig
Jahren ſchauen wir ihn doch ſchon in der Kulmination
ſeines Schaffens angeſichts ſeines neueſten Werks im
Dresdner Albertinum. Vier war ihm vergönnt, was
heutzutage ſehr ſelten iſt, ein Idealziel alles Kunſt-
ſchaffens ſich zu ſetzen und zu erreichen, indem er die
drei Schweſterkünſte, die Architektur, die Plaſtik und
Malerei, zu einer Einheit meiſterte, im großen Sinn
der Renaiſſance. Nier ſchuf er in dem Treppenhauſe
nicht gemalte, ſondern leibhaftige Architektur, hier auch
malte er nicht, wie noch im Botſchaftsſaal zu Rom,
die Plaſtik, ſondern debütirte als Bildhauer, und end-
lich als Maler erſcheint er in einer Reife und Größe
und Schönheit, die fürder wohl aufrecht zu erhalten,
aber kaum noch zu übertreffen iſt. Ich meine alſo,
daß das Prell-Werk im rechten Augenblick an die
Oeffentlichkeit getreten iſt.
Den Grundſtock der neuen Publikation bilden be-
greiflicher Weiſe die bildlichen Darſtellungen und zwar
die in Kupferätzung warmtönig ausgeführten Bilder-
tafeln aus den ſieben Freskenzyklen Prell's. So voll-
endet ſchöne Tafelgemälde er auch geſchaffen, ſeine
Hauptſtärke ruht in der Freskomalerei. In den Tafeln
rollt ſich faſt lückenlos die ganze monumentale Herrlich-
keit auf, das Werk eines Vierteljahrhunderts. Die erſte
Bilderfolge führt die Wandmalereien im Feſtſaal des
Architektenhauſes zu Berlin vor, wo es auf eine Ver-
herrlichung der Baukunſt aller Seiten ankam. Dann
folgt das große Fresko im Rathhausſaal zu Worms,
darſtellend die Verleihung des Stadtprivilegs durch
Heinrich IV. Neun Tafeln reproduziren in der Haupt-
ſache die berühmten Monumentalbilder im Rathhaus-