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Die Kunst-Halle — 10.1905

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Nummer 20 (15. Juli 1905)
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Marasse, Margarete: Die italienisch-byzantinische Kunst in Grottaferrata, [2]
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Neisser, Artur: Der Salon der "Société nationale", 3
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https://doi.org/10.11588/diglit.66262#0353

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Nr. 20


307

Faiferlichen Bibliothek in Konſtantinopel angehört hatte,
wird auch als Gabe Beſſarion's, der einen Schatz von
Büchern und Handſchriften beſaß, bezeichnet. Die Badia
von Grottaferrata genießt bis auf den heutigen Tag
den Ruhm einer äußerſt bedeutenden Sammlung von
Manuſfkripten, es ſind etwa tauſend an der Sahl, vom
X. bis XIV. Jahrhundert, faſt durchgängig in griechiſcher
Sprache auf Seide oder Pergament geſchrieben, viele
mit Miniaturen, einige mit Noten verziert. Unter
dieſen iſt der berühmte Kodex von Roſſano und die
Pergamente mit einigen Abſchnitten der Geographie
des Strabo, welche die Mönche des Baſilianerkloſters
entdeckt haben, hervorzuheben. Als einzige perſönliche
Reliquie bewahrt das Archiv drei Unterſchriften des
heiligen Gründers. Die ſchönen klaren Buchſtaben be-
weiſen, daß Nilus Werth darauf legte, auch als Kalli-
graph und Tachygraph Ehre einzulegen. Die Bibliothek
des Kloſters enthält 12 000 Bände, die Geſtelle dazu,
aus Nußholz geſchnitzt, wurden von einem ſomnambulen
Mönch, wie man mir erzählte, zum Theil im ſchlaf-
wandelnden Suſtand verfertigt.

In der Scuola di paleografia greca wird die
Kenntniß der Schriftarten alter Völker noch immer auf
das eifrigſte gefördert. Bei einer ähnlichen Ausſtellung
im Vatikan im Jahre 1888 erhielten die Nachahmungen
alter Miniaturen und Schriftzeichen aus Grottaferrata
ein beſonderes Diplom und eine goldene Medaille. In
dieſem Raume überreichte der Abbate Pellegrini dem
Könige von Italien ein wundervolles Pergament,
Farbenzuſammenſtellung und Seichnungen waren in
unübertrefflicher Weiſe gelungen. In griechiſchen Buch-
ſtaben ziert das Werk die folgende Widmung: „S. M.
Vittorio Emanuele III. zur Erinnerung an die byzan-
tiniſche Ausſtellung im IX. Jahrhundert nach der
Gründung der griechiſchen Abtei zu Grottaferrata.“
Der Rönig nahm das Geſchenk dankbar an und ge-
ſtattete, daß die exquiſite Arbeit bis zum Schluß der
Ausſtellung den Beſuchern zugänglich bleibe.

Es geht eine alte Sage, daß in den reichen Abteien
des Mittelalters der Tiſch ſtets wohl beſetzt war. Ich
bitte daher um Verzeihung, wenn ich mit einer rein
materiellen Bemerkung ſchließe. Weltkinder, die ſich
auf dem ſchönen Fußweg von Marino nach Grotta-
ferrata einen ebenſo geſunden wie profanen Hunger
holten, brauchen ſich keineswegs von den Früchten des
Feldes kärglich zu ernähren. In der unſcheinbaren
Oſteria del Capannone wird man einfach, aber nach
italieniſcher Art vortrefflich bewirthet. Kloſter und
Küche, das giebt eine wohlthuende Alliteration.

Der Salon der „Societe nationale“.
Von Arthur Neißer, Paris.

I.

( er Skulptur iſt ein beträchtlicher Raum gewidmet.
2 Eine große Rundhalle beim Singang und beide
ſeitlich anſtoßenden Treppenhäuſer ſind im Erd-
geſchoß für die Bildhauer beſtimmt worden. Amé en
de Sparre ſchildert in Kleinplaſtik (Bronze) einen
Arbeitskutſcher, der ſein Pferd antreibt, und in einer anderen
Bronze das ſaufende und zugleich verſchnaufende Thier.
Sehr edel im Ausdruck iſt der Kopf eines Mannes von
Ch. A. Angſt. Die Holzbüſte iſt als Bekrönung eine
Kaſtens gedacht und auch rein dekorativ ſehr tüchtig
durchgeführt. Ganz herrlich iſt der diesjährige Bar-
tholomé: Adam und Eva. „Und ſie ſahen, daß ſie
nackt waren!“ Gegenſeitig halten ſich die beiden erſten
Menſchenkinder die Hand vor's Antlitz. Man erkennt
die Scham und zugleich das Gefühl der liebevollen
Gemeinſamkeit. Nur ein Meiſter konnte den Vorwurf
ſo keuſch verſinnbildlichen, nur ein echter Künſtler ſo
edle Aktfiguren ſchaffen! Ergreifend lebenswahr iſt
Eliſée Cavaillon's Bronzegruppe „Draußen“. Es
zeigt eine auf die Straße geworfene, dem Elend preis-
gegebene Familie. Das Ineinanderaufgehen der Frau
und des Mannes, an die ſich das Kind ſchmiegt, dieſe
Dreieinigkeit der drei Rörper, die wie ein einziges
Menſchenlos erſcheinen, iſt erſchütternd aus dem Material
herausempfunden. Schon wegen ſeiner Lebensgröße,
aber zugleich auch 15 ſeiner inneren Qualitäten willen
wird das Basrelief „Die glückliche Familie“ von Alexandre
Tharpentier allgemein beachtet. Wir gewahren einen
rüſtigen, halbnackten Dreißiger bei der Hobelbank. Die
Frau reicht eben dem jüngſten Rind die üppige Bruſt.
Auf der anderen Seite ruht der Großvater von der
Arbeit aus. Der Gegenſatz der ſchaffens- und lebens-
frohen Jugend und des ruheſehnenden Alters iſt reſt-
los charakteriſirt. Mangelhaft iſt leider die Relief-
behandlung, wie denn ein Relief in Lebensgröße förm-
lich nach Ganzfiguren ſchreit! — Das reizlos dürftige
Droletarierkind giebt Deſpiau rührend echt wieder,
während L. Fagel einen ähnlichen Vorwurf „Eine
Näherin“ gleichfalls ſehr ſchlicht bewältigt. In
Escoula-Marot's „Steinklopfer“ iſt namentlich der
wie mechaniſch mitklopfende Mund treu nach dem
Leben modellirt. Fix-Maſſeau hat eine merkwürdige
Vorliebe für wohlbeleibte Frauenkörper in möglichſt
„wamſtiger“ Bewegung, mildert aber den wenig appetit-
lichen Eindruck durch einen leiſen Anflug von Humor.
Ganz famos hat Agnés de Frumerie die Ab-
ſtufungen des Lachens vom Schmunzeln bis zum Auf-
lachen in ihren drei alten Frauen charakteriſirt. Eine
erzählt, die beiden anderen lachen: eine flotte Im-
preſſion. Wenn auch überwallend temperamentvoll, ſo
doch ſehr fein ſind des Rumäniers C. Ganesco „Be-
klemmungen des Lebens“ geſtaltet, zumal in dieſem
empfindlichen Material: Wachs! An Michelangelo's
trunkenen Bacchus erinnert etwas der junge betrunkene
Bronze⸗Faun von Injalbert, iſt aber in der Be-
wegung ſehr geſchickt gegeben. Dem Bildhauer Marcel-
Jacques diente ſeine Statuette „Trauer und Elend“
als willkommene Gelegenheit, ſeine Fertigkeit in der
Wiedergabe des Muskelſpiels eines ſitzenden Aktes zu
zeigen. Von dem genialen unſterblichen Belgier
Meunier iſt einer ſeiner Mineure und eine Büſte
„Philoſophie“ zu ſehen, beide Werke ſchon allein in der
Silhouettirung unübertrefflich. Ein ſehr ſchwierige-
 
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